OT: Ópium: Egy elmebeteg nö naplója
DRAMA: UNGARN, 2006
Regie: Janos Szasz
Darsteller: Ulrich Thomsen, Kirsti Stubo, Zsolt Laszlo, Gyongyver Bognar
Ungarn im Jahr 1913. Der Psychiater Brenner tritt in der Nervenheilanstalt des Professor Winter seinen Dienst an. Während die Patienten mit unmenschlichen Methoden kuriert werden sollen, hat Brenner schwer mit sich selbst zu kämpfen. Eine Schreibblockade macht ihm zu schaffen. Und außerdem ist er sex- und morphiumsüchtig. Da trifft er auf die Insassin Gizella. Die junge Frau behauptet vom Teufel als Hure benutzt zu werden und schreibt wie besessen an ihren Tagebüchern. Brenner ist zunehmend fasziniert von dieser Patientin; ist sie doch eine verlorene Seele wie er selbst ...
KRITIK:Auf dem Backcover der DVD wird diese kleine, aber ambitionierte ungarisch- deutsche Co-Produktion mit großen Filmnamen verglichen. Einige passen, andere wiederum sind etwas unglücklich gewählt. Wie DER EXORZIST. Sicherlich spielt das Thema Besessenheit in OPIUM eine Rolle. Aber hier geht es eindeutig um psychische Erkrankungen und nicht um die im Horrorfilm beliebten dämonischen Besessenheiten.
OPIUM braucht keinen Leibhaftigen, ist auch (oder gerade) ohne diesen schmerzhaft nahe an der Realität angesiedelt und so wäre anstelle DER EXORZIST etwa das deutsche Drama REQUIEM um den wahren Fall der psychisch kranken Anneliese Michel, die in den 70ern Jahren in Deutschland bei einem tatsächlich durchgeführten Exorzismus der katholischen Kirche ums Leben gekommen ist, sicherlich der treffendere Vergleich.
Weiters wird EINER FLOG ÜBERS KUCKUCKSNEST genannt. Wahrscheinlich wegen des Irrenhausambiente und des ähnlich bösen Endes. Viel mehr Gemeinsamkeiten gibt es aber auch hier nicht, weil OPIUM hoffnungsloser und trostloser ist. Auf dem Cover finden noch die 9 ½ WOCHEN Erwähnung. Wegen dem Sex. Und DIE UNZERTRENNLICHEN. Wegen den vielen fröstelnd machenden medizinischen Gerätschaften, die man in früheren Tagen in der Psychiatrie verwendet hat und die auch hier ausgiebig zum Einsatz kommen. Wahrlich ein beunruhigendes Arsenal; irgendwo zwischen Bondage und dem Hexenhammer.
Überhaupt überrascht OPIUM mit Eindringlichkeit und Heftigkeit. Einen solch intensiven Sog aus manischen Gebärden, klinischer Kälte, fiebrigen Masturbationen, verbotenen Quickies, Drogensucht und unmenschlicher Behandlungsmethoden hätte man im Vorfeld nicht unbedingt erwartet.
Oder vielleicht doch. Gewalttätige Schwestern, Elektroschocks, Eiswasserbäder, Lobotomien... Man hat ja schon mit Schaudern von den Zuständen und den grausamen wie zwecklosen Behandlungsmethoden in den Nervenkliniken des ganz jungen 20. Jahrhunderts gehört oder gelesen.
Damals waren psychisch kranke Menschen bloße Versuchskaninchen im Rahmen unmenschlicher wie sinnloser medizinischer Experimente; oftmals hilflose Opfer sadistischer Willkür.
Auch die Nervenklinik in OPIUM erinnert weniger an eine medizinische Heilanstalt, sondern eher an eine Art Vorhölle mit der Atmosphäre des Versuchstrakts eines Konzentrationslagers. Da verwundert es kaum, dass der Film das Äußerste von seiner jungen Hauptdarstellerin Kirsti Stubo abverlangt. Die Qualen haben sich allerdings gelohnt. Ihr Spiel der besessenen Gizelle überzeugt und beeindruckt. Und wurde auf internationalen Festivals mit diversen Preisen bedacht.
Der kalte, unerbittliche Blick hinter die Mauern einer psychiatrischen Anstalt zu deutlich unaufgeklärteren Zeiten ist nur ein Aspekt dieses Filmes. Dem ungarischen Regisseur Janos Szasz ist die andere Hauptfigur neben der psychisch kranken Gizella ebenso wichtig. Und die ist der von Ulrich Thomsen gespielte Arzt Brenner, der Gizella behandelt. Dieser Charakter trägt ganz starke autobiographische Züge des radikalen, ungarischen Schriftstellers Gezá Csáth (1887-1919), der auch die literarische Vorlage zu OPIUM geliefert hat. Die Figur des Dr.Brenner ist quasi Csáth selbst.
Nicht nur, dass Brenner auch der Geburtsname Csáths war; nein, er teilt noch weit mehr Bildung, Eigenschaften und Dämonen mit seiner Romanfigur. Beide waren Psychiater, beide schrieben, beide waren sex- und opiumsüchtig. Beide befinden sie sich auf dem ungebremsten Sturz in den Abgrund.
OPIUM zeigt uns nur einen kurzen Ausschnitt aus dem Leben des Dr. Brenner in wenig geordneten, fast schon chaotisch wirkenden Bildern. Wir begleiten ihn lediglich während der kurzen Zeit seiner Anstellung als Psychiater in der Nevenklinik des Professor Winter. Doch diese fragmentarische Episode genügt schon, um zu wissen, dass es mit Brenner kein gutes Ende nehmen wird.
Das nahm es übrigens auch mit Csà th nicht. Csà th hat einige Theaterstücke, Romane und medizinische Abhandlungen verfasst, bevor ihn sein fortwährender exzessiver Drogenmissbrauch paranoid werden ließ. Er erschoss seine Frau, landete selbst im Irrenhaus, konnte kurzzeitig fliehen und beging letzten Endes im Alter von 32 Jahren Selbstmord.
In Kenntnis der Vita des literarischen Vorlagengebers sollte es nicht weiter verwundern, dass auch der Verfilmung etwas Verstörendes, Verzweifeltes und Auswegloses anhaftet. Was OPIUM letztendlich zu einem verdammt düsteren Stück Film macht.
Am Schluss ist das Licht - selbst das irrlichternde - in Gizellas Augen erloschen. Dafür brennen im Hof ihre Bücher... Ihr behandelnder Arzt ist dem Rand des Abgrunds ebenfalls einige Schritte näher gekommen. Und in der Nervenklinik wird munter weitergefoltert. Fürwahr ein Drama. Ohne Hoffnung und Aussicht auf Erlösung. Doch sehenswert.
Im unmenschlichen Ambiente einer Nervenklinik des ganz frühen 20.
Jahrhundert entwickelt ein drogensüchtiger Arzt eine düstere Faszination für
eine junge, manische Patientin ...
Dieses stark autobiographische, düstere wie eindringliche Drama gibt dem
Zuschauer nicht nur Einblicke in die von Eiswasserbädern, Lobotomien und
Elektroschocks geprägte Vorhölle Irrenhaus, sondern auch in das zerrüttete,
verzweifelte, lüsterne und drogenumnebelte Seelenleben des ungarischen
Psychiaters und Schriftstellers Gezá Csáth, der sich selbst stark auf seine
Romanfigur Dr. Brenner projiziert hat ...