OT: Valkyrie
THRILLER: USA, 2008
Regie: Bryan Singer
Darsteller: Tom Cruise, Kenneth Branagh, Carice van Houten, Bill Nighy, Terence Stamp, Tom Wilkinson
Oberst Graf von Stauffenberg und eine Reihe von weiteren Verschwörern planen Hitler zu ermorden und Deutschland vor der totalen Zerstörung zu retten....
KRITIK:Was für ein Wirbel wurde um diesen Film gemacht. Der bekennende Scientologe
Tom Cruise darf einen der größten Helden der jüngeren deutschen Geschichte spielen? Aufregung pur! Deutsche Kreise wittern Blasphemie und Geschichtsverfälschung, rufen zum Boykott auf. Dann auch noch bei irgendeiner deutschen Preisverleihung die Auszeichnung für besonderen Mut, diese Figur darzustellen, obwohl das normalerweise an irgendwelche friedensstiftenden Diplomaten hinausgeht. Wirklich mutig für eine Gage von zwanzig Millionen Dollar, sich für so was herzugeben.
Aber vielleicht ja wirklich, denn man hatte bei United Artists ja wahnsinnige Angst davor, dass dieser Film floppen würde und verschob seinen Starttermin gleich mehrmals. Als er dann endlich ins Kino kam standen die Herren Geschäftsführer und Finanziers, zu denen sich Tom Cruise zählt, sicher mit Bauchweh und zugekniffenen Augen vor ihren sekündlich upgedateten digitalen Bilanzen, weil sie gar nicht hinschauen konnten.
Und siehe da, VALKYRIE schlug sich an den US-Kassen wacker und hat seine Kosten eingespielt, der Rest der Welt und die DVD-Verkäufe werden nach Abzug der wahrscheinlich auch nicht zu unterschätzenden Marketingkosten sicher einen kleinen Gewinn abwerfen. Da habt ihr ja noch mal Glück gehabt. Vielleicht ja doch mutig, das ganze. Und gut für Deutschland, eine aus Hollywood geschenkte Werbekampagne, die das Bild der Deutschen in der ganzen Welt durchaus verändern könnte, zumindest dort, wo das noch nötig ist.
Dennoch meldet sich hier noch einmal der kleine Verschwörungstheoretiker in mir zu Wort, denn es könnte doch sein, dass es sich hier in Wahrheit um eine Anbiederung der Scientologen an Deutschland handelt, um endlich anerkannt zu werden. Hier geht es schließlich um viel Geld und wie heißt es so schön: Eine Hand wäscht die andere. Wir sind gut zu euch, also müsst ihr auch gut zu uns sein. Ist dieser Film wirklich so ganz ohne Hintergedanken gedreht worden, oder öffnet er nicht die Türen zu viel größeren Möglichkeiten. Wenn Scientology auf den deutschen Markt reüssieren kann, dann refinanziert sich VALKYRIE wie nichts.
Und darum geht es schließlich. Anderes Beispiel Pixar: Ausgerechnet CARS erhält ein Sequel, der eigentlich weder so erfolgreich noch so gut war, aber die Merchandiseartikel haben soviel umgesetzt, dass CARS im Endeffekt der gewinnträchtigste Pixarfilm bis dato war. Wo das Geld herkommt ist letztlich egal, Hauptsache es kommt!
Aber genug der Spekulationsfantasien, kommen wir zum Film. Es stand ja zu befürchten, dass wie so oft bei der Hollywood'schen Herangehensweise, die politischen Hintergründe sowie der Zeitgeist ausgespart werden und durch Action ersetzt werden. Und was soll ich sagen, natürlich ist das hier auch so passiert. Aber das muss nicht zwangsläufig schlecht sein, vor allem wenn es jemandem wie mir wirklich egal ist ob Faktentreue herrscht. Auf die Gefahr hin, dieses Zitat von Picasso schon einmal in einer anderen Kritik von mir verwendet zu haben: "Die Kunst ist eine Lüge, sie hilft uns aber die Wahrheit besser zu verstehen." Ob das auf VALKYRIE zutrifft?
Das erste Drittel ist jedenfalls atemberaubend. Von der ersten Sekunde an herrscht Hochspannung, Tom Cruise gibt Stauffenberg entschlossen und glaubwürdig, und ja ich habe gelesen der echte Stauffenberg war eher ein Spaßvogel und Charismatiker, aber es tut mir leid, mich hat diese Verfälschung nicht gestört.
Begleitet wird er von einer ganzen Riege von großartigen britischen Charakterdarstellern, die nicht minder überzeugend ihre Rollen meistern. Bryan Singers Regie ist effektiv und schnörkellos und findet ihren Höhepunkt in der Szene, als Stauffenberg am Obersalzberg auf Hitler und seine Führungsriege trifft. Das war wohl eine der großartig inszeniertesten Szenen, die ich jemals in einem Film gesehen hab und diese alleine rechtfertigt die Eintrittskarte zu VALKYRIE.
Nur leider geht dem Film danach vor lauter atemloser Spannung die Luft aus. Zwischen all der Hirnonanie, genialen Plänen und dem Wissen um das Scheitern am Ende, bemerkt man dann irgendwann einmal wie egal einem das alles eigentlich ist, weil der Film vergisst, dass zwischen einem Knochengerüst auch Fleisch und Blut nötig sind um ein atmendes Lebewesen zu erschaffen.
Irgendwann erkennt man, dass es in diesem Film keine Menschen gibt, keine Charaktere, die uns wichtig sind. Es gibt nur den Plan und die Bürokratie dahinter, wofür das alles allerdings gut sein soll, erschließt sich einem nicht, sofern man den Film natürlich nur für sich betrachtet, und ihn von der Realität abgrenzt. Denn obwohl die ganze Geschichte 1944 passierte, also relativ spät, so hätten noch zwei Millionen (!) Menschenleben gerettet werden können, Soldaten wie KZ-Häftlinge, wenn dieser Putsch gelungen wäre und zum Frieden geführt hätte. Aber das erfahren wir nicht, das Leid welches Hitler über Deutschland brachte, wird in zwei Sätzen erwähnt, aber das war es auch schon.
Erst am Ende nimmt sich der Film ein bisschen mehr Zeit um die Tragik des Scheiterns ein wenig auszukosten und begreifbar zu machen. Aber das rettet ihn auch nicht mehr ganz in den Bereich der Muss-man-gesehen-haben-Filme. Das war keine Aufarbeitung, das war halt doch eher eine depressive Fassung von OCEANS 11. Nur dass der dann trotzdem besser funktioniert hat.
Sauber inszenierter und hochspannender Geschichtsthriller, der aber ab einem gewissen Zeitpunkt an Blutarmut und fehlender Seele krankt, wodurch der Film allzu unrund wirkt, um, als Unterhaltungsfilm und oder gar als Geschichtslehrstunde, einen bleibenden Eindruck zu hinterlassen.