OT: Nuda per Satana
OKKULTHORRORSEXPSYCHOTRONIK: Italien, 1974
Regie: Luigi Batzella
Darsteller: Rita Calderoni, James Harris, Stelio Candelli, Renato Lupi
Nach einem Autounfall landen ein Arzt und eine junge Dame auf einer sinistren Burg, wo sich seltsame Dinge zutragen. Nicht nur, dass sie dort ihren eigenen (geilen) Doppelgängern begegnen, auch der Umhang ihres aristokratischen Gastgebers ist in verdächtig-diabolischem Rot-Schwarz gehalten. Die beiden Gestrandeten stellen fest, dass sie die Burg nicht mehr verlassen können und verfallen immer mehr den teuflischen Verlockungen dieses seltsamen Orts. Bald läuft insbesondere die Dame kaum noch bekleidet durch die Burgkorridore, sondern ist nur noch NUDE FOR SATAN...
Als er das Drehbuch zu NUDE FOR SATAN verfasst hat, ist Regisseur Batzella (der hier wie schon bei seinem ersten Horrorfilm FULL MOON OF THE VIRGINS das Pseudonym Paolo Solvay verwendet und in der Eröffnungssequenz eine halbnackte Frau durch einen nächtlichen Wald hetzen lässt) mit einem Aktfoto von Rita Calderoni, einem Gothic- Horrorfilm mit Barbara Steele, ein paar mit Lambrusco bekleckerten Pamphlets aus seinem abgebrochenen Philosophiestudium und dem größten Joint der Welt in Klausur gegangen. Woher ich das weiß? Nun, ich habe grad den Film gesehen und der lässt keine anderen Rückschlüsse zu.
Auch wenn ich nicht ganz verstehe, warum die Vorspann-Credits über dem Standbild einer schnöden VW-Käferfront ablaufen müssen anstatt über einem Freeze von der Damsel in Fear im Wald-, läuft die Geschichte anfänglich in zwar nicht allzu actionreichen, aber immer noch in halbwegs geordneten Bahnen ab.
Doch dann Rita Calderoni -zunächst noch angezogen und plötzlich nackig - aus der LSD-Perspektive vor dem Hintergrund einer dieser schickigen, psychedelischen Farbenkärtchen, die der Augenarzt beim Sehtest verwendet - gefolgt von einem Peitschenknall und der Plot gerät völlig aus den Fugen.
Schon klar, hier wird wieder die gute, alte Vorhölle bemüht. Jener mysteriöse Ort, wo sich im Nebel zwischen Leben und Tod die Realität mit dem Alptraum vermischt. Und es geht auch irgendwie um die Dualität von Gut und Böse in ein jedem Menschen. Doch diese gute Gelegenheit jede Stringenz in der Handlung fahren zu lassen, nutzt Luigi Batzella im Stile eines Renato Polselli aber sowas von gnadenlos aus.
Das Delirium frisst jede Logik auf. Der Irrsinn bricht sich ungehindert Bahn. Zeit und Raum verschieben sich nach Belieben. Das Schloßfaktotum mit den schwärzesten Zähnen dies- und jenseits des gotischen Horrorfilms greift zur Peitsche. Die vollbusige Rita Calderoni und ihr Partner, der einst auf Bavas PLANET DER VAMPIRE gestrandete Stelio Candellio, stolpern durch das im italienischen Frosinone gelegene Monte San Giovanni Campano Gemäuer, von einem Feuchttraum in den nächsten Alptraum und dürfen drunten im Verlies einer obligatorisch dilettantisch zusammengebastelten Riesenspinne ins Netz gehen. Welche Funktion der Arachnid aus Klump und feuchter Pappe in der Meta-Ebene dieses Wahnwitzes einnimmt? Fragt mich nicht. Wahrscheinlich gar keine. Wahrscheinlich war sie nur ein Überbleibsel aus den BLOODY PIT OF HORROR-Requisiten und man wollte den PIT-kundigen Trash-Connaisseuren ein lustiges Déjà-Vu bescheren. Oder sie hängt vielleicht doch irgendwie mit diesen ungewöhnlich großzügig eingesetzten lesbischen Szenen zusammen, die in ihrem Kontext irgendwie ein Coming-Out (im Gruselschloss) von Rita Calderoni suggerieren...
Ohnehin ruft dieser Film gewordene Irrwitz bei seinen Rezipienten die unterschiedlichsten Wahrnehmungen hervor. Während moderne (oder nüchterne) Horrorfilmfans mit diesem Streifen definitiv gar nichts anfangen werden können, sehen andere NUDE FOR SATAN gar in Arthouse-Nähe: Vielleicht der manchmal experimentiellen Kamerawinkel von Cinematographer Antonio (THE KILLER NUN) Maccoppi oder der dann und wann aufblitzenden Nähe zu philosophischen Zeilen wegen.
Die Wagemutigen aus der Eurokultnische feiern NUDE FOR SATAN für seine extreme Obskurität. Und wieder andere wegen Rita Calderonis Brüsten; denn wie der Titel verrät: Ein kleines gotisches Sleazefest (von dem auch eine mit Hardcore Inserts aufgepeppte, aber eher unnötige XXX-Fassung existiert) hat Batzelli hier allemal auf Film gebannt.
Oder ist das ganze Kunstwerk am Ende doch nur ein verirrter Haufen Okkulttrash mit vielen Nackedeis, einer unglaublich stümperhaften Riesenspinne und einem Mephistopheles für Arme? Das Gros der Menschheit wird wohl in diese Richtung tendieren, fürchte ich.
Vielleicht hat aber auch nur der für die Filmmusik zuständige Alberto Baldan Bembo hinter die sieben Schleier dieser filmischen Salome blicken können und den Sinn des Ganzen als Einziger erfasst. Er hat nämlich das Kunststück vollbracht, Batzellas wirre Szenarien mit einem famosen, fast schon hypnotischen Score zu untermalen. Diese atmosphärischen Klänge schaffen es, auf der Tonspur fast schon eigenes Leben zu entwickeln.
Anyway: Die Wahrheit ist irgendwo da draußen.
Ich für meinen Teil habe NUDE FOR SATAN als Delirium tremens eines gotischen Horrorfilms erlebt. Eines, das auf einem verdammt schmalen Grat wandelt. Denn in Batzellas Kastell ist die Grenze zwischen psychotronischer Bewußtseinserweiterung und dem blanken Unsinn ebenso hauchdünn wie der Fetzen Stoff, der die meiste Zeit über Rita Calderonis Brüste bedeckt, oder eben nicht bedeckt.
Nackedeis, Seelenfänger, Riesenspinnen. Ein italienischer Horrorfilm im Delirium. Irgendwo zwischen Gothic und Sexploitation, Psychotronik und Unfug, Himmel und Hölle, Leben und Tod, Feucht- und Alptraum. NUDE FOR SATAN ist so etwas wie die kleine, verwirrte Schwester der REINCARNATION OF ISABEL. Genauso entschwebt, aber nicht so unterhaltsam. Eine Punktzahl wollt ihr? - Um Astaroths Willen! Sucht es euch selbst aus: 6,66? 10? 0? Oder doch lieber: