OT: A Nightmare on Elm Street
HORROR: USA, 1984
Regie: Wes Craven
Darsteller: John Saxon, Ronee Blakley, Heather Langenkamp, Amanda Wyss, Jsu Garcia, Johnny Depp
Nancy schläft in letzter Zeit verdammt schlecht. Was hauptsächlich daran liegt, dass sie ständig von einem Pizzaboten mit schlechtem Modegeschmack träumt. Und als wäre das nicht genug, versucht der auch noch ständig sie zu töten. Da hilft nur eins - wach bleiben.
Dass Wes Craven ein ausgezeichneter Drehbuchautor und Regisseur ist, steht außer Frage. In frühen Jahren noch ein Rohdiamant, zeigte sich dennoch schon früh, dass er zwar immer im Schatten John Carpenters stehen würde – wie ich meine –, aber dennoch war sein großes Talent bereits beim LAST HOUSE ON THE LEFT deutlich sichtbar. Viel deutlicher wird dies jedoch bei Cravens erstem Ausflug ins Slashergenre. Bereits 1984 hatte er die Mechanismen dieses noch jungen Sub-Genres erkannt und begann damit sie nicht einfach nur für seine eigene Arbeit zu nutzen, sondern sie zu dekonstruieren und damit die Erwartungshaltung des Zuschauers stets ins Leere laufen zu lassen. 1996 sollte Craven mit seinem Meisterwerk SCREAM – SCHREI! erneut versuchen, die Konventionen des Slasherfilms ad absurdum führen und aufzeigen und damit einen vollen Erfolg landen.
Beim ersten Auftritt einer der drei größten Horrorikonen aller Zeiten – die da wären Michael Myers, Jason Voorhees und nun eben Fred(dy) Krueger – führt Craven den Zuschauer bereits zu Beginn an der Nase herum, in dem er sich mit der Einführung des Finals Girls etwas Zeit lässt und vorher noch eine falsche Fährte legt. Einen Hinweis auf das falsche Final Girl gibt es dann aber trotzdem – so ein letztes Mädchen hat nämlich niemals Sex, weil Sex gaaanz böse ist und wer böse ist und Sex hat, für den heißt’s im Slasherfilm in der Regel „Rübe ab“.
Dabei ist es in Cravens A NIGHTMARE ON ELM STREET doch viel wichtiger nicht einzuschlafen, als bloß nicht IN jemandem zu schlafen – was für den ein oder anderen vielleicht gar nicht mal soooo schwer sein sollte, es sei denn man macht Urlaub am Camp Crystal Lake. Da kommt ja gar nicht hin ohne ein bisschen in Gretchen Modermöses zart rosa Höschen rumfummelt. Denn Freddy Krueger ist tot und während seine beiden Kollegen trotzdem noch auf Erden wandeln, hat sich der Kinder ein wenig zuuuu lieb habende Psychoschlitzer Krueger zwar retten können, aber das ging letztlich mit dem Verlust seines Körpers einher. Und so geistert er durch die Träume der Springwooder Jugend. So ärgerlich es auch sein mag, dass er dort zwar alle Macht der Welt besitzt – und vermutlich noch mehr –, aber dennoch mit seiner verkohlten Pizzavisage rumrennen muss, umso mehr kann er seine Minderwertigkeitskomplexe an den Nachkommen seiner einstigen Mörder retten. Denn selbst wenn wach zu bleiben bedeutet Freddy erst einmal zu entkommen, ist eins ganz sicher – schlafen muss jeder irgendwann. Und wenn es nicht der Schlaf und Freddy mit seinem Klauenhandschuh sind, dann ist es der Schlafentzug und das Ergebnis ist dasselbe – der Abgang in die Ewigen Jagdgründe.
Das ist eine äußerst interessante Ausgangssituation die Wes Craven auch geschickt zu nutzen weiß. Denn unser Final Girl Nancy bekommt es somit mit zwei Feinden gleichzeitig zu tun – dem Schlaf und dem was sich hinter ihrem Schlaf verbirgt – nämlich Freddy Krueger. So kommt es dann, dass Nancy im Laufe der Handlung immer weniger schläft, bis sie – von einigen Kurzschlafphasen abgesehen – über 7 Tage nicht mehr ins Lummerland gereist ist. Dies wird von Craven auch gut im Drehbuch vorbereitet und konsequent inszeniert. Allerdings tun sich an dieser Stelle auch kleiner Logiklöcher auf. So ist es unwahrscheinlich, dass Nancy bloß mit Kaffee und einer kleinen Dose Wachhaltepillen über einen derart langen Zeitraum wachbleiben kann – allerdings entsteht so eine äußerst amüsante Szene, nämlich als ihre Mutter ihr den Kaffee wegnimmt und Nancy eine zweite Kaffeemaschine unter ihrem Bett hervorholt. Auch ist die Desorientierung und die ansteigende Verwirrung Nancys, ihre Gereiztheit und der immer stärker werdende Realitätsverlust schön angedeutet, für einen derart langen Schlafentzug aber in keinem realistischen Sinne ausgeprägt genug. In Verbindung mit dem Stress, dem sie sich ausgesetzt sieht, würde ein bereits 2-3 Tägiger Entzug größere Auswirkungen auf ihren Geist haben.
Aber nun gut, immerhin handelt es sich bei A NIGHTMARE ON ELM STREET nicht um eine Schlafstudie sondern um einen Horrorfilm und da kann man über kleinere Ungereimtheiten schon einmal hinwegsehen. Vor allem, da Wes Craven es ansonsten perfekt versteht mit Nancy und uns als Zuschauer zu spielen. Die Übergänge von der wirklichen in die Traumwelt sind fließend und oftmals zunächst bloß durch kleine Skurrilitäten zu erahnen – so zum Beispiel das Schaf direkt am Anfang des Films. Wie Jahrzehnte später Oren Peli mit PARANORMAL ACTIVITY – ein Film der mir eine Scheißangst macht, allerdings nicht so sehr wie Teil 2 oder gar Teil 3 (und ich habe kein Problem damit das zuzugeben) – spielt Craven mit der Angst des Menschen während des Schlafes völlig ausgeliefert zu sein. Jedoch nur bis Nancy dahinter kommt, wie man Krueger das Handwerk legen kann, denn dann entschließt sie sich dazu zurückzuschlagen und nicht einfach aufzugeben. Und auch wenn die Umsetzung ein wenig zu sehr an KEVIN ALLEIN ZU HAUS für Erwachsene erinnert, ist die Grundidee dahinter gar nicht mal uninteressant – ist es möglich Dinge aus dem Traum mitzunehmen, wenn man sich genau daran festhält?
Ziemlich viel Hintersinn für einen Slasher, doch es kommt noch besser. Während FREITAG DER 13. bereits im ersten Teil ordentlich auf den Bodycount-Putz haut, steht A NIGHTMARE ON ELM STREET noch eher in der Tradition des ersten HALLOWEENs, der vor allem durch Spannung die geschickte Vorbereitung der Morde denn durch die Morde selbst glänzt. So kann sich Freddy lediglich vier Kerben an die Hutkrempe machen. Nicht gerade viel, aber ausreichend, denn zwei der Morde sind von interessant-verstörender (Splatter-)Schönheit. Gerade Tinas und Glens Tot dürften für die zweimalige Indizierung in deutschen Landen gesorgt haben. Für Schauwerte wird also gesorgt und doch sind sie Nebensache, denn die Spannung steht im Vordergrund, das ständige Rätseln um Fiktion und Wirklichkeit – Jonathan Frakes wäre stolz.
Wirklich richtig schade ist letztlich bloß das drangeklatschte offene Ende, dass die vorangegangen Klimax des Films widerlegt und nichtig macht. Allerdings darf man dies nicht Craven anlasten, da dieser A NIGHTMARE ON ELM STREET als abgeschlossenen Film geplant hatte. Da die Slasherkollegen mit HALLOWEEN und FRIDAY THE 13TH aber anhaltende Erfolge feierten und Bob Shaye – der Gründer New Line Cinemas – Fortsetzungspotential in der Geschichte erkannte, wurde das so bekannte Ende entsprechend angehängt.
Für die musikalische Untermalung sorgte Charles Bernstein, der bei weitem kein Unbekannter im Filmgeschäft ist und eine recht lange Diskographie vorzuweisen hat. Sein Freddy Theme mag zwar bei weitem nicht so ikonisch oder atmosphärisch wie Carpenters Halloween Theme oder Harry Manfredinis Jason Voorhees-Erkennungszeichen, aber es weiß durchaus zu gefallen. Überhaupt macht der gesamte Soundtrack von A NIGHTMARE ON ELM STREET ungeheuren Spaß. Wann immer Freddy ein Opfer über die Leinwand jagt, erklingen die Synthesizer in schönsten, treibenden 80er Jahre Beats, immer unterlegt mit verspielten Heavy Metal-Gitarren.
Apropos verspielt. Was wäre Freddy Krueger ohne den Mann, der ihn groß gemacht hat? Richtig, nichts. Denn ohne Robert Englund wäre aus dem Ringelpulli tragendem Traumschlitzer mit großer Wahrscheinlichkeit nie die Ikone geworden, die er heute ist. Auch wenn er in diesem ersten Teil wenig Screentime hat und sein bitterbös-ironischer Charakter noch nicht so richtig zur Geltung kommt, etablierte Englund bereits hier den Freddy Krueger wie man ihn kennen sollte und auch die ikonische Geste mit seiner Klingenhand verdanken Horrorfans weltweit Rob Englund. An seiner Seite spielt Heather Langenkamp als Nancy Thompson das Final Girl. Zwar schafft sie es nicht in meine All Time Final Girl Top 5, aber ihre Sache macht sie ordentlich und in der Top 10 ist sie durchaus zu finden. John Saxon spielt derweil als wäre ihm das Gesicht eingefroren und er dabei eingeschlafen, aber letztlich wurde er ja auch nur deshalb gecastet um einen großen Namen dabei zu haben. Ansonsten gibt es durch die Bank weg weder große Ausfälle noch großes Kino.
In diesem Sinne: „Ihr braucht keine Trage, Ihr braucht einen Eimer und einen Wischlappen!"
A NIGHTMARE ON ELM STREET gehört ganz ohne Zweifel zu den ganz großen Filmen des Slasherfilms. Ohne diese Arbeit Wes Cravens, hätte die Horrorfilm-Fangemeinde heute einen ikonischen Killer weniger. Zwar war Freddy Krueger für mich schon immer nur auf Platz 3, das will aber bei weitem nicht heißen, dass ich ihn nicht mag. Schon allein dafür, dass er auch mal den Mund aufmacht und den ein oder anderen netten Spruch vom Stapel lässt. Es ist auch schön zu sehen, wie Craven bereits hier den Grundpfeiler legte für seine selbst-ironische und die Genrekonventionen sprengende Meisterleistung SCREAM.
A NIGHTMARE ON ELM STREET ist bei weitem nicht perfekt und erreicht nicht die Klasse eines HALLOWEEN oder gar HALLOWEEN 2, aber während der erste Ausflug ins Camp Crystal Lake an einem Freitag den 13. noch nicht so richtig in Fahrt kommt und hauptsächlich mit seinen Splatterelementen überzeugen kann, besticht Freddy Kruegers Debut durch einen feinen Spannungsaufbau und dem Spiel mit der Erwartungshaltung des Zuschauers. Das macht dann 7,5 von 10 Punkten. Da wir hier auf FILMTIPPS.at aber schon seit geraumer Zeit keine halben Sachen mehr machen, runde ich auf. Und zwar auf