OT: Noruwei no mori
DRAMA: J, 2010
Regie: Tran Anh Hung
Darsteller: Rinko Kikuchi, Ken'ichi Matsuyama, Kiko Mizuhara
Nach dem scheinbar grundlosen Selbstmord seines besten Freundes Kizuki zieht Wanatabe nach Tokyo, um ein Studium anzufangen. Dort trifft er Kizukis Freundin Naoko wieder. Wanatabe und Naoko kommen sich näher, doch die Schatten der Vergangenheit lassen sich nicht abschütteln. Naoko verfällt in eine tiefe Traurigkeit und lässt sich in eine Nervenklimik einweisen.
Wanatabe verspricht, immer für sie da zu sein. Dieses Versprechen - mit all seinen Konsequenzen - will Wanatabe auch einhalten, als die lebenslustige, sexuell offensive Midori in sein Leben tritt ...
2011 scheint das Jahr zu sein, in dem das Kino endgültig bei den ganz großen Themen angekommen ist. Terrence Malicks TREE OF LIFE, Gaspar Noes ENTER THE VOID, aber auch der Retro-Science Fiction-Film NEVER LET ME GO, sie alle handeln von Essentiellem, erzählen von Liebe und Leiden und von der Vergänglichkeit, versuchen, nichts Weniger als die Geheimnisse des Todes und den Kreislauf des Lebens zu ergründen.
Und nun kommt mit NAOKOS LÄCHELN ein Film daher, der diese Werke noch toppt. Der mich erwischt hat, emotional sowieso, aber auch physisch: Gänsehaut, Tränen im Kinosaal, Benommenheit nach dem Abspann und das Gefühl, dass der Film noch stundenlang in meinem Kopf weiterläuft.
Was war geschehen?
Zu Beginn zeigt uns Regisseur Tran Anh Hung (Cyclo) Momentaufnahmen unbeschwerten adoeszenten Lebens: Drei junge Menschen, seit Kindheitstagen miteinander befreudet bzw. ineinander verliebt. Doch die Idylle wird jäh zerissen: Kizuki nimmt sich völlig überraschend das Leben. Naoko und Wanatabe verlieren sich aus den Augen. Später werden sie sich zufällig wieder treffen, zarte Bande knüpfen, sich verlieben, versuchen, die Vergangenheit hinter sich zu lassen.
Bis dahin wähnt man sich in einem höchst stilvollem, melancholischem Teenager-Drama, das die charakteristische Pastellfarben-Ästhetik der Sixties perfekt rekonstruiert und den Zuseher in eine Zeit reisen lässt, in der Liebesbriefe noch von Hand geschrieben und Musik auf Tonträgern gekauft wurde. Aber die popkulturellen Bezugspunkte - der Originaltitel bedeutet übersetzt "Norwegian Wood" wie der Beatles-Song - sind lediglich Zierrat in dieser Film-Adaption des Haruki Murakami-Bestsellers.
Wie eingangs erwähnt, hat mich der Film unerwartet und ungemein heftig erwischt. Ein gewisser emotionaler Ausgebranntheitszustand, verursacht durch arbeitspensumsbedingtes Schlafdefizit samt heftigem Party-Jetlag ist dafür gewiss keine Erklärung. Nein, dieser Film hat mich auf einer persönlichen Ebene gepackt, hat mich an Erfahrungen und Erlebnisse erinnert, die die üblichen abgeklärten verrissfreudigen Autoren (you know the names) ganz offensichtlich nicht gemacht hatten. Und die ich ihnen auch nicht wünsche.
Für mich persönlich war NAOKOS LÄCHELN - trotz der möglicherweise groschenheftartig anmutenden Inhaltsangabe hier - eines der emotional forderndsten und gleichzeitig schönsten Kinoerlebnisse überhaupt. Es geht um Liebe und Vergänglichkeit. Um den Verlust geliebter Menschen. Um existentielle Traurigkeit. Um Schmerzen, transformiert in Schönheit. Aber auch um die essentielle Bedeutung von Sex. Um das Leben an sich.
Regisseur Tran Anh Hung, seit 'Der Duft der grünen Papaya' und 'Cyclo' ein Spezialist in der Disziplin, emotionale Stoffe in überwältigende Bilder zu tauchen, macht absolut alles richtig:
Allein die minutenlange Plansequenz (hallo Ralph!) in der morgentaunassen Graslandschaft, wo Rinko Kikuchi (bekannt aus BABEL) die sexuelle Komponente ihrer Verletzlichkeit offenbart, hätte alle verdammten Awards dieser Welt verdient. Mit den mächtigen Score-Kompositionen aus der Feder von Radiohead-Gitarrist Johnny Greenwood und den schwebenden Bildern des taiwanischen Kameramanns Mark Lee Ping Bin ist ein wahrhaftiges Filmkunstwerk entstanden, das - so wage ich in Unkenntnis der Literaturvorlage zu behaupten - niemanden, der fühlen kann, kalt lassen kann.
Wenn der Tod ins Leben tritt und die Liebe gegen die Traurigkeit kämpft. Die Film-Adaption des Bestsellers von Haruki Murakami ist so etwas wie der 'Die Hard' unter den Beziehungs/Liebesdramen. Ein weiterer Film des Jahres im besten Kinojahr seit Menschengedenken.