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Mystere

Mystere

OT: Mystère
GIALLO/AGENTENTHRILLER: ITALIEN, 1983
Regie: Carlo Vanzina
Darsteller: Janet Agren, Peter Berling, Carole Bouquet, Phil Coccioletti, John Steiner

STORY:

Herr Reiner (Peter Berling) ist ein deutscher Tourist in Rom. Als er gerade an der Spanischen Treppe Fotos schießt, wird er zufällig Zeuge eines politischen Attentats und fotografiert nicht nur den Mord, sondern auch den Attentäter. Die Negative versteckt er in einem goldenen Feuerzeug. Abends lässt er sich zur Feier des Tages zwei Edelprostituierte auf sein Hotelzimmer kommen, die blonde Pamela (Janet Agren) und die schwarzhaarige Mystère (Carole Bouquet). Herr Reiner ist jedoch ein richtig ekliger und nerviger Fettsack. Deshalb sieht sich Pamela veranlasst, sich für diese unangenehme Begegnung eine kleine zusätzliche Entschädigung zu gönnen. Sie klaut dem dicken Deutschen sein goldenes Feuerzeug und versteckt es ohne deren Wissen in der Handtasche von Mystère.

Kurz darauf sorgt ein mysteriöser Killer mit Spazierstock dafür, dass erst Herr Reiner und dann Pamela auf nicht ganz angenehme Art das Zeitliche segnen. Dieser Fall interessiert nicht nur den amerikanischen FBI-Mann Inspektor Colt (!), sondern natürlich auch die lokale Polizei. So dauert es auch nicht lange, bis besagter Inspektor Colt in der Wohnung von Mystère aufschlägt. Die selbstbewusste und kultivierte Französin verweigert dem amerikanischen Macho-Proll jedoch zunächst jede Zusammenarbeit. Doch schon bald ist nicht nur das Leben von Mystère, sondern auch das von Mr. Colt in Gefahr und die beiden tun sich zwangsweise zusammen ...

KRITIK:

Mystère! Diese französische Edelprostituierte wird von der wunderschönen französischen Schauspielerin Carole Bouquet gespielt. Und die sieht nicht nur verdammt gut aus, sondern besitzt im Gegensatz zu den meisten anderen 80er Jahre-Giallo-Darstellerinen auch echtes Charisma! Von daher verwundert es doch sehr, dass diese Frau nach ihrem Debüt in Luis Buñuels DIESES OBSKURE OBJEKT DER BEGIERDE (1977) bis heute in keinem nennenswertem Film mitgespielt hat - außer natürlich in MYSTERE!

Wer zuvor bereits Carlo Vanzinas ebenso stylischen, wie auch sleazigen Giallo NOTHING UNDERNEATH gesehen hat, der kann sich natürlich denken, dass wir bei diesem Regisseur bei einem Film mit einer Edelprostituierten als Hauptdarstellerin so einiges zu erwarten haben. Und tatsächlich dauert es nicht lange, bis wir der sexy Protagonistin zum ersten Mal bei der Arbeit zusehen dürfen:

Ein reicher Schnösel bestellt Mystère in sein Apartment, um wieder ein wenig Pepp in das Sexleben mit seiner verkorksten Frau zu bringen. Das Ehepaar lümmelt sich schon mal gemütlich aufs Sofa, während sich Mystère im Stehen vor ihnen auszieht. So weit, so gut. Doch was dann folgt, ist von einer derartigen schockierenden Niederträchtigkeit, dass selbst dem abgebrütesten Giallo-Aficionado vor Schreck die Kinnlade runterfällt! Deshalb bitte ich die etwas zartbesaiteteren Gemüter unter unseren Lesern hiermit nachdrücklich, an dieser Stelle das Lesen dieser Kritik abzubrechen und sich auf die Lektüre des Fazits zu beschränken!

Denn das, was wir nun zu sehen bekommen ist folgendes: Rein gar nichts! - Die Kamera richtet sich in der folgenden Einstellung zwar in der Tat auf die wunderschöne, entblätterte Mystère. Doch dabei beschränkt sich der Bildausschnitt alleine auf das, was OBERhalb des Brustansatzes zu sehen ist! - Skandal!!! - Der geschockte Rezensent steht kurz vor dem Kollabieren. Als er sich dann langsam wieder fängt, schwirren ihm die wildesten Gedanken durch den Kopf! Was ist hier los, was kann das nur bedeuten?? Ein Giallo heimlich finanziert von den finsteren Schergen des Vatikans, der hinterfotzig zur moralischen Unterwanderung des italienischen Genrefilms ansetzt? Oder wurde der Film gar von irgendwelchen raffgierigen und hirnamputierten Studiobossen als erster Giallo für die ganze Familie konzipiert?

Doch dann senkt sich langsam mein Adrenalinpegel und der Verstand setzt wieder ein. Ich sage mir, wer Angst davor haben sollte, dass sein lieber Nachwuchs durch den Anblick einer entblößten weiblichen Brust einen Schaden fürs gesamte Leben davon tragen sollte, der schleppt seine Kinderlein höchstwahrscheinlich auch nicht in einen Film, mit einer Prostituierten als Hauptdarstellerin. Davon abgesehen, wären die Kiddies durch diesen Anblick eh nicht zu schocken, da dies ja eines der ersten Dinge war, die sie in ihrem Leben zu Gesicht bekommen haben. Aber das ist eine andere Geschichte ...

Deshalb glaube ich, dass sich Carlo Vanzina hierbei etwas ganz anderes gedacht hat. Und um zu verstehen, was das gewesen sein könnte, sollten wir uns einmal anschauen, wann dieser Film entstanden ist. Das Produktionsjahr ist 1983. Zu diesem Zeitpunkt ist die Blütezeit des Giallo leider längst passé. Tatsächlich begann der schleichende Abstieg des Genres bereits Mitte der 70er Jahre. Zu dieser Zeit begann nämlich der Poliziottesco dem Giallo seinen Rang in der Publikumsgunst abzulaufen. Gegen Ende der 70er Jahre kamen dann noch wüste neue Genres, wie der Zombie- und der Kannibalenfilm hinzu. Um mit solchen Exploitation-Krachern konkurrieren zu können, wurde der Giallo nun selbst immer härter und immer sleaziger. Zugleich ging sein erlesener Style immer mehr den Bach runter. Diese Entwicklung gipfelte schließlich in so schmierigen Machwerken wie Mario Landis GIALLO A VENEZIA (1979).

Und deshalb vermute ich, dass Carlo Vanzina mit MYSTERE ganz bewusst zu einem radikalen Neubeginn angesetzt hat. Der Film schraubt das Maß an Sex und Gewalt auf ein absolutes Minimum herunter und besinnt sich stattdessen wieder auf Ausstrahlung und Style! Außerdem öffnet er den gerne fröhlich vor sich hin masturbierenden Giallo einem ganz neuem Genre, dem Agententhriller!

Zum Thema Ausstrahlung: Unsere sexy Edelprostituierte Mystère ist eben nicht nur verdammt sexy, sondern auch unglaublich cool! Sie ist wahrscheinlich sogar die erste 80er Jahre Emanze, die so richtig Spaß macht! Alles Dünnpfiff? Dann passt mal auf:

Eine typische Situation: Mystère wird zu ihrem Zuhälter Mink geordert, da sie sich bei ihm mit der Miete im Rückstand befindet. Mystère verscheucht zunächst einmal ein kleines, neben Mink sitzendes Nuttchen. Dann sagt sie ihrem Boss kackfrech, Miete würde sie aus Prinzip nicht zahlen. Aber dafür bietet sie ihm das besondere Privileg eines einzigen kostenlosen Ficks pro Monat an. Und er wisse schließlich, dass sie die Beste sei. Daraufhin weist Mink Mystère darauf hin, dass sie bei solchen Sprüchen aufpassen solle, dass er ihr schönes Gesicht nicht verunstalte. Dazu wiederum ganz locker Mystère: "Oh, ich liebe solche Geschichten - aber nur Abends vor dem Schlafengehen!" Schließlich einigt man sich auf zwei Freificks pro Monat und die Sache ist geritzt! - Und so geht das die ganze Zeit! Einfach unglaublich!

Zum Thema Style: MYSTERE ist zwar kein optischer Leckerbissen alter Schule, aber äußerst solide inszeniert und gut fotografiert ist er allemal. Auch die Musik ist kein Killerscore, der sich einem bereits nach nach dem einmaligem Anhören wochenlang ins Hirn brennt. Es ist auch gar kein echter Giallo-Soundtrack, sondern ein leichter jazzy & funky Score, der aber so richtig Laune macht. Und die Musik passt sehr gut zu diesem Film. Denn MYSTERE ist sowieso mehr ein leichtfüssiger Krimi, als ein abgründiges Murder-Mystery, auch wenn der Titel vielleicht zunächst anderes vermuten lässt. In der Summe ergibt das alles ein sehr unterhaltsames, cooles Filmchen, das man einfach liebhaben muss!

Nur Schade, dass von MYSTERE bis jetzt noch keine offizielle DVD-Veröffentlichung vorliegt. Doch wer sucht, der findet! Allerdings ist Vorsicht geboten, denn gerade von diesem Streifen kursieren die abenteuerlichsten Versionen. Der Film läuft auch in seiner ungekürzten Fassung nur knackige 84 Minuten. Und trotzdem ist mir zunächst eine noch kürzere Version unter die Finger gekommen, bei der einfach ein paar Minuten vom Ende weggeschnibbelt wurden. Das Film erschien trotzdem vollständig zu sein. Nur stand unsere Heldin am Ende trotz aller Coolness auf einmal ziemlich dumm da. Aber ich verspreche euch: nicht mit Mystère!

Mystere Bild 1
Mystere Bild 2
Mystere Bild 3
FAZIT:

Die Edelprostituierte Mystère ist eine Wucht: so sexy wie Dita von Teese und zugleich so cool wie Dirty Harry! Auch der Film MYSTERE weiß durchaus zu gefallen: ein locker, fluffiger Giallo-meets-James-Bond Bastard mit Wohlfühlgarantie! Für die überzogen familienfreundliche Darstellung gibt es aber trotzdem einen Punkt Abzug...

WERTUNG: 6 von 10 tödliche Spazierstöcke
TEXT © Gregor Torinus
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