DRAMA: GB, 2007
Regie: Brian Kirk
Darsteller: David Haig, Daniel Radcliffe, Kim Cattrall, Nick Dunning, Carey Mulligan
Daniel Radcliffe tauscht Zauberstab gegen Gewehr und zieht in den ersten Weltkrieg. Und das obwohl er aufgrund eines starken Augenleidens eigentlich für untauglich erklärt worden ist. Eine Schmach, mit der sein Vater nicht leben konnte, weshalb flugs alle Hebel in Bewegung gesetzt wurden um den Sohnemann doch noch in Uniform zu sehen. Als dem Vater die Nachricht, dass sein Sohn an der Front als vermisst gilt erreicht, stürzt er in eine tiefe Krise...
KRITIK:Am Anfang stand ein Gedicht. "My Boy Jack" von Rudyard Kipling, seines Zeichens Autor des Dschungelbuchs. Kipling schrieb das Gedicht anno 1915, als er am Verlust seines Sohnes zu zerbrechen drohte. Basierend auf dem Gedicht und der dazugehörigen Hintergrundgeschichte schuf David Haig, der im Film in die Rolle Kiplings schlüpft, ein Theaterstück, auf dem der Film basiert.
Es handelt sich bei MY BOY JACK also um eine waschechte Theaterverfilmung, was man den Film nicht auf den ersten Blick ansieht. Der Film ist durchaus anspruchsvoll, jedoch nicht theatralisch. Es gibt zwar viele Dialogszenen, diese werden jedoch immer wieder von Front- und Militärszenen aufgelockert.
Erzählt wird die Geschichte eines ehrgeizigen Vaters, für den Ansehen über alles zu stehen scheint, und es eine Frage der Ehre darstellt, für sein Land zu kämpfen. Für die, die daheim bleiben, hat er nichts als Verachtung übrig. Er sieht es als die Pflicht jedes wehrfähigen jungen Mannes an, für Großbritannien in den Krieg zu ziehen. Die Einstellung des Vaters, die vielen Brandreden, gingen am Sohnemann nicht ganz spurlos vorüber, obwohl das Militär für ihn primär aufgrund anderer Dinge reizvoll ist. Das Militär, die eingeschworene Gemeinschaft bietet ihm die Möglichkeit aus seinem alten Leben zu entfliehen, mit anderen Leuten in Kontakt zu treten und vor allem Annerkennung zu erhalten. Jack Kipling zeichnet sich im Militär durch besonderen Ehrgeiz und Verbissenheit aus, nicht zuletzt um seine physischen Schwächen zu kompensieren.
Der Film lässt sich Zeit für die Einführung seiner Charaktere und gibt ihnen auch Raum sich zu entfalten. Auch versucht er, die Angst und Ohnmacht der Soldaten nachzuzeichnen. Die spärlichen Kampfszenen zeichnen sich durch düstere Hochglanzoptik aus.
Damit der Film funktioniert, war es unabdinglich, neben der tragischen Figur des Vaters, auch anderen Familienmitgliedern ihren Raum zu lassen. Wenn er auch etwas klein ausgefallen sein mag. So sieht man dann im zweiten Teil zwar etwas von der Mutter, die sich verbissen an jeden Strohhalm klammert, in der Hoffnung die Spur ihres Sohnes doch noch aufnehmen zu können, allerdings wird die Rolle der Mutter bei weitem nicht so sehr hervorgehoben, wie die des Vaters. Man bekommt zwar einen kleinen Eindruck wie schwer es für eine Familie sein muss, wenn sie den Verlust eines Mitglieds beklagen muss und wie es ist, wenn unausgesprochene Schuldzuweisungen im Raum stehen, doch richtig aufgearbeitet wird das alles nicht.
Regisseur Brian Kirk, der vorher eher durch TV-Produktion wie "The Tudors" auffiel, hat das ihm zur Verfügung stehende Theaterstück in detailverliebte Hochglanzbilder verpackt. Für das Drehbuch zeigte sich David Haig, der auch schon das Theaterstück geschrieben hat, mitverantwortlich. Kirk setzt auf eine solide Inszenierung und auf bekannte Namen.
Die Schauspieler machen ihre Arbeit durch die Bank gut, ohne jedoch große Glanzlichter zu setzten.
Trotz interessanter Thematik, guten Schauspielern und solider Inszenierung gelingt es MY BOY JACK nie ganz, den TV-Event-Charakter abzustreifen. Sicher, es handelt sich um einen TV-Film auf wirklich hohem Niveau, nicht zu vergleichen mit den als Event-Movies angepriesenen süßlichen Geschichts-Schmonzetten, dennoch bleibt ein fahler Beigeschmack.
Auf einer wahren Geschichte passierendes Antikriegsdrama über soldatisches Ehrgefühl und die Kriegseuphorie des Ersten Weltkriegs, das den Grauen des Krieges und die vielen sinnlosen, viel zu frühen Tode, anhand des Schicksals einer englischen Upper-Class-Familie nachzeichnet.
In diesem Sinne: "If any questions why we died, tell them, because our fathers lied"