OT: Mother's Day
HORROR: USA, 1980
Regie: Charles Kaufman
Darsteller: Nancy Hendrickson, Deborah Luce, Tiana Pierce
Abbey, Jackie und Tina begeben sich einmal im Jahr auf einen Camping-Trip, um Erinnerungen an ihre Jugend auszutauschen.Im Deep Baron-Wildpark werden sie von zwei Brüdern ins Haus der Mutter entführt. Dort werden sie zum Zwecke der Unterhaltung der alten Dame vergewaltigt und misshandelt. Als die drei schließlich fliehen können, stirbt Jackie an ihren Verletzungen - daraufhin kehren Tina und Abbey zum Haus zurück um sich an ihren Peinigern zu rächen.
KRITIK:In den 70ern erfuhr das abseitige Kino eine wahre Blütezeit. Terrorfilme wie das berüchtigte 'Texas Chainsaw Massacre' oder Wes Cravens Rape and Revenge-Klassiker The Last House on the Left flimmerten über die Leinwände der (Bahnhofs-)Kinos. Auch eine gewisser Michael Myers schlitzte sich '78 erstmals durch beschauliche Vororte auf der Jagd nach seiner Verwandtschaft.
Besonders das Sub-Genre des Sexploitation-Films erfreute sich der Beliebtheit des - zumeist männlichen - Publikums.Und so schickte sich Regisseur Charles Kaufman - seines Zeichens Bruder von Troma-Gründer Lloyd Kaufman - 1980 an, sich auch noch ein Stück vom Kuchen zu sichern und der B-Film-Welt einen weiteren Beitrag beizusteuern.
Wohl aufgrund der Unfähigkeit sich zu entscheiden, ob es nun ein Backwood-Slasher oder doch lieber ein Rape 'n' Revenge- Reißer sein soll, kombinierte er einfach beides. Garniert mit Versatzstücken des Werwolf-Films entstand so Mother's Day - einer jener Filme, die bei der deutschen Justiz eine große Fangemeinde besitzen. Und so konnte auch dieses Werk durch seinen Ruf als sozialethisch desorientierendes Machwerk des Teufels Kultstatus erlangen und eine treue Fangemeinde um sich scharren.
In wie weit die filmische Ausbeutung (sexueller) Gewalt gegen Frauen nun moralisch vertretbar ist, sei an dieser Stelle einmal außen vorgestellt, denn in der Welt des Sexploitation-Films herrschen nun mal andere Gesetze - und diese sind nichts für "Emanzen und andere zarte Pflanzen", wie das ehemalige Liedermacherduo Joint Venture in dem Lied "Politiker beim Ficken" dereinst treffend formulierte.
Und eigentlich repräsentieren die Frauen ja auch das starke Geschlecht, werden sie ihrer Peiniger doch habhaft und schlagen mit erbitterter Härte zurück.
Interessanterweise gibt sich Kaufmans zweite Regiearbeit erstaunlich brav für ein Werk dieses Sujets, denn weibliche "full frontal nudity" gibt es keine - der obligatorischen Badeszene zum Trotz.
Damit hat es sich allerdings auch schon mit der Zurückhaltung, denn die Gewalt und Misshandlungen werden in ihrer ganzen graphischen Wucht präsentiert. Doch ungeachtet der reißerischen Ausschlachtung dieser Szenen liegt das Hauptaugenmerk eindeutig auf der morbiden Atmosphäre, was stark an Tobe Hoopers Blutgericht in Texas erinnert - sicherlich nicht zufällig, wie ich vermute.
So nahm sich Kaufman nach einem deftigen "Appetitanreger" viel Zeit für die Einführung der Charaktere - zwischenzeitliche Unterhaltung ist dennoch gesichert, dafür sorgen die produktionstypisch flachen Dialoge - "Ein schönes Wochenende" wünscht Jackie da etwa ihrem Portier, "Danke, aber meine Freundin hat 'nen Tripper, wie soll ich da ein schönes Wochenende haben?!", erwidert dieser, sichtlich um das Wohl seiner - ähm - treu ergebenen Freundin besorgt.
Handwerklich ist Muttertag auch äußerst gelungen, der gesamte Film ist von einer morbiden Grundstimmung durchzogen, zeitweise äußerst spannend und mit unfreiwilliger Komik und Klischees garniert - natürlich darf auch der verrückte Alte, der unser Trio vor der drohenden Gefahr warnt nicht fehlen - was das B-Film-Vergnügen abrundet. Schauspielerisch gibt es für einen Film dieser Sparte ebenso wenig zu meckern.
Störend wirkt lediglich der Versuch auch das Monster-/Werwolfgenre zu bedienen, was zwar zu einem abschließenden Schockeffekt führt, der allerdings aufgesetzt wirkt und sich nicht in das Gesamtbild integriert.Davon abgesehen überzeugt Muttertag jedoch als brutaler Sexploiter im Fahrwasser des 70er Jahre Terrorfilms.
In diesem Sinne: "Fahrt ruhig nach Deep Baron, ihr Lesbierinnen. Dann könnt ihr nicht mehr unbescholtene Leute ärgern, da bekommt ihr was ihr verdient!"
Blutgericht in Texas trifft Ich spuck auf dein Grab trifft Freitag der 13te. Muttertag ist atmosphärisch dichte und sadistische Rape and Revenge-Kost für Genrefans - nichts für zartbesaitete Emma-Abonnenten.