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GOOD MOVIES FOR BAD PEOPLE
Mustang

Mustang

DRAMA: TR/F, 2015
Regie: Deniz Gamze Ergüven
Darsteller: Günes Sensoy, Doga Zeynep Doguslu, Elit Iscan, Tugba Sunguroglu, Ilayda Akdogan

STORY:

Mustang handelt von fünf verwaisten Schwestern in einem Dorf an der türkischen Schwarzmeerküste. Am letzten Schultag springen sie mit ihren Schuluniformen ins Meer. Gleichaltrige Jungs sind auch dabei. Ein Skandal, findet die Nachbarin. Die Großmutter, um den guten Ruf ihrer Enkelinnen besorgt, holt den fanatischen Onkel Erol zu Hilfe, der den Mädchen Hausarrest erteilt und das Haus nach und nach zur Festung umbaut. Doch so leicht lassen sich die Schwestern nicht unterkriegen.

KRITIK:

Mit betörenden, sonnendurchfluteten Bildern beginnt dieses türkische Filmdrama, das für den Auslandsoscar eingereicht wurde. Die frühe Sofia Coppola ist ein häufig gelesener Vergleich, über den die in Paris lebende Regie-Debütantin Deniz Gamze Ergüven gewiss nicht beleidigt sein wird. Die hochmobile Handkamera ist immer nah den fünf Protagonistinnen. Die Bilder sind poetisch, von einer schwebenden, lebensbejahenden Leichtigkeit getragen.

Das mag fast absurd anmuten, je tiefer die Geschichte in die Abgründe einer religiös-konservativen Macho-Gesellschaft eintaucht, die einen grotesken Kult um weibliche Keuschheit veranstaltet, von sackartiger, "kackbrauner" Kleidung über entwürdigende Jungfräulichkeitsuntersuchungen bis hin zu Zwangsverheiratungen.

Selbstverständlich kann man starke Islamkritik aus diesem Film herauslesen. Und das ist auch gut so. Islamkritik war bekanntlich Jahrzehnte lang eine Domäne der populistischen Rechten. Entsprechend dumm, polemisch und hetzerisch gestaltete sich die "Debatte" um den Islam auch. Was zur Folge hatte, dass die Linke aus Angst vor Applaus von der falschen Seite überhaupt nichts zur Debatte beitrug. Schlimmer noch, im Lager der Linken wurde jahrelang weggeschaut, verharmlost, Probleme geleugnet. Dabei wäre eine harte, aber faire und konstruktive Auseinandersetzung mit dem seit 1300 Jahren unreformierten, undemokratischen, nach politischer Dominanz strebenden Islam (ich schreibe absichtlich NICHT Islamismus, weil man das nicht sauber trennen kann) nötiger denn je.

Aber ich schweife ab. Zurück zum Film.

Das Bemerkenswerte an MUSTANG ist, dass der Film all die Unfassbarkeiten, die Frauen in repressiven, von religiös-patriarchalischen Clan-Sippe-Stamm-Kulturen angetan werden, mit einer lakonischen Leichtigkeit schildert, die irgendwie nicht von dieser Welt ist. Und der melancholische Soundtrack von Warren Ellis, seines Zeichens bärtiger Teufelsgeiger bei den Bad Seeds, der Band von Nick Cave, hebt diesen großartigen Film noch einmal auf eine andere Ebene.

Dringende Empfehlung von meiner Seite. Bitte bald ansehen, lange läuft der wahrscheinlich nicht mehr im Kino.

Mustang Bild 1
Mustang Bild 2
Mustang Bild 3
Mustang Bild 4
Mustang Bild 5
FAZIT:

Fünf Schwestern werden von ihrem Fundi-Onkel im Haus eingesperrt. Aber so leicht bricht man den Lebenswillen junger Frauen nicht. Oscarnominiertes türkisches Filmdrama, das viele Kritiker an das Frühwerk von Sofia Coppola erinnert hat. Soundtrack: Nick Cave-Intimus Warren Ellis.

WERTUNG: 8 von 10 Fahrstunden
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