OT: Stay hungry
DRAMA: USA, 1976
Regie: Bob Rafaelson
Darsteller: Jeff Bridges, Sally Field, Arnold Schwarzenegger, Robert Englund, Scatman Crothers, Fanny Flagg, Joanna Cassidy, Ed Begley jr.
Der aus gutem Haus stammende Immobilien-Makler Craig Blake soll im Auftrag dubioser Geschäftsleute anstelle eines Fitnesscenters ein Hochhaus errichten. Doch bei vorbereitenden Gesprächen verliebt er sich in die Empfangsdame und freundet sich mit dem jungen Bodybuilder Joe Santo an, dessen größter Traum es ist, Mr. Universum zu werden. Bald vergisst er seinen Auftrag und taucht sowohl in die Sphären "einfacher" Leute als auch in die schräg-strenge Welt des Bodybuilding- und Fitnesswahns ein. Doch bald muss Craig bemerken, dass er sich erstmals gut und glücklich fühlt. Seine Geschäftspartner können dieser Wandlung nichts abgewinnen und schicken einen Schlägertrupp, der das Fitnesscenter demoliert. Womit aber keiner so recht gerechnet hat, ist der Teamgeist, der sowohl einfache Leute zum Zurückschlagen treibt und auch in der Welt der Bodybuilder eine gewisse Gegenwehr provoziert.
Kollegin Nicki hat kürzlich CRAZY HEART genau unter die Lupe genommen und äußerst lesenswert besprochen. In ihrer Kritik ist sie auch auf Jeff Bridges zu sprechen gekommen, der alle Songs im Film selbst zum Besten gibt. Das tat er schon einmal, nämlich 1976 in dem äußerst kurzweiligen und dennoch sehr gesellschaftskritischen MR. UNIVERSUM.
Ein Film des amerikanischen Autorenfilmer Bob Rafaelson, dem ein wenig später mit WENN DER POSTMANN ZWEIMAL KLINGELT noch ein ganz großer Film für die Ewigkeit gelingen wird. STAY HUNGRY, so heißt der Film im Original und er ist nicht zu verwechseln mit der Ego-Doku Schwarzeneggers PUMPING IRON, die im deutschen Titel ebenso "Mr. Universum" hieß.
Das wirklich schöne sind die unterschiedlichen Lebenswelten, die sich im Film in relativ schneller Folge abwechseln. Ob Lagerfeuerromantik mit Jeff Bridges-Songs und Barbecue; ob die angewiderten Mienen der Reichen, wenn sie weniger Reiche sehen; ob beinharte Geschäftsmethoden und noch härtere Schlägertruppen; ob die hart arbeitende, doch immer unsichtbar bleibende Mittel- bis Unterschicht; ob Schönheits- und Körperwahn (heute ja wieder topaktuell) oder die teilweise gar nicht so schöne Welt des Wettkampf-Bodybuildings, wahrscheinlich am besten dargestellt in der Person Robert Englunds, der einen drogen- und sexsüchtigen (Schleifer)Trainer gibt, dessen Charakteristik schon einiges seiner späteren Paraderolle unseres liebsten Traumdämons Freddie Kruger (NIGHTMARE -eh klar) vorwegnimmt. Sie alle funktionieren. Und so wie die Welten sich abwechseln, wechselt auch der Erzählton. Mal tragisch, dann wieder komisch und doch immer realistisch.
Auch mit den SchauspielerInnen hatte Rafaelson einen guten Griff. Nahezu alle standen damals am Anfang ihrer jeweiligen Karrieren und er holt das Beste raus. Sally Field, durch diesen Film und ab dem Folgejahr mit EIN AUSGEKOCHTES SCHLITZOHR Amerikas liebstes bodenständiges Country-Girl, der Jazzmusiker Scatman Crothers, intensiver Nebenrollenspezialist z.B. in SHINING oder EINER FLOG ÜBERS KUCKUCKSNEST, die blutjunge Joanna Cassidy, die mit BLADE RUNNER und FALSCHES SPIEL MIT ROGER RABBIT noch ganz berühmt werden sollte, die bekennend homosexuelle Fanny Flagg, eigentlich Schriftstellerin, die mit dem Buch und Drehbuch zu GRÜNE TOMATEN noch um Oskars mitkämpfen wird und natürlich Arnold Schwarzenegger, der den peinlichen HERKULES IN NEW YORK vergessen machen will und zu derartiger ironischer Selbstdarstellung erst wieder bei ZWILLINGE und KINDERGARTEN-COP fähig sein wird. Auch Jeff Bridges sollte noch eine Weile brauchen, bis ihm wieder so tolle und vielschichtige Charaktere angeboten werden.
Eines der absoluten Highlights des Films ist wie so oft eine Verfolgungsjagd. Aber nicht mit Autos oder Fluggeräte, das war schon damals nichts Neues mehr, nein, Bodybuilder on the Road, kann man nur sagen. Und ja, auch von denen hatte keiner Schauspielerfahrung, denn Rafaelson hat sich gleich bei Arnies sportlichen Konkurrenten bedient. Es soll ja Leute geben, die fallweise nach dem HULK Lou Ferrigno Ausschau halten. Hier werden sie fündig. Und ganz nebenbei, diese Jagd muss man gesehen haben.
Die letzte DVD-Veröffentlichung stammt aus 2010, wo die ursprünglich 2005 erstmals aufgelegte DVD von FSK18 auf FSK12 heruntergestuft neu rausgegeben wurde. FSK 12 geht auch absolut in Ordnung. Die Kritik hat ihn durchaus geliebt, das Publikum nicht so. Aber sein Geld hat er eingespielt. Das ist doch schon was.
Wer einmal auf kurzweilige Art und Weise unterhalten werden will, könnte durchaus zufrieden mit diesem Film sein. Eine gelungene Mischung aus Komik und Dramatik, mit feinst gewählten DarstellerInnen und ein durchaus scharfer Blick auf Gesellschaftsverhältnisse in den späten 1970ern, wovon so manch angesprochene Problematik erschreckend aktuell wirkt.