DRAMA/LOVESTORY/KOMÖDIE: USA, 2012
Regie: Wes Anderson
Darsteller: Jared Gilman, Kara Hayward, Edward Norton, Bill Murray, Frances McDormand, Harvey Keitel,
Wir schreiben das Jahr 1965. Wir befinden uns auf der Insel New Penzance in Neuengland. Ein etwas patscherter Pfadfinder-Leiter (Edward Norton) bemüht sich ebenso aufopferungsvoll wie erfolglos um das Wohl seiner Schützlinge. Als der zwölfjährige Sam aus dem Camp verschwindet, um gemeinsam mit der gleichaltrigen Souzy ein Haucherl Liebe, Sex und Zärtlichkeit auszukosten, löst er damit das größte Chaos aus, das die beschauliche Insel je erlebt hat ...
In seinem siebenten Kino-Arbeit wagt Wes Anderson, seines Zeichens Wunderkind und Klassenbester des amerikanischen Indie-Kinos, einen nostalgiegetränkten, bittersüßen Blick in die (eigene?) Kindheit. Auch wenn der Film mit Absicht einige Jahre vor der Geburt des 42-Jährigen Regisseurs spielt, wird man nicht ganz falsch liegen, wenn man dem Mondlicht-Königreich starke autobiographische Züge unterstellt. Was ja nichts Schlechtes ist.
Wie immer bei Wes Anderson stolpern hochgradig verschrobene Figuren durch ein visuelles Paralleluniversum, in dem Dekor-Overkills, Ausstattungsexzesse, Farb-Dramaturgien und Bild-Kompositionen die eigentliche Hauptrolle spielen. Und das soll einiges heißen. Schaut Euch mal die Besetzungsliste an!
Man kann und darf Wes Anderson gerne Style-over-Substance vorwerfen. Man muss aber auch zugeben, dass hier nicht nur verdammt viel Stil, sondern auch einiges an Substanz vorhanden ist. Unter der fast schon streberhaft durchkomponierten Oberfläche brodelt es nämlich: In diesem Film schlägt, wie es diese großartige Kritik auf der FM4-Website so schön formuliert, ein wildes Herz.
Erzählt wird die Geschichte vom altklugen, aber trotzdem sympathischen Pfadfinder Sam und der gewalttätigen, aber belesenen und musikliebenden Ausreißerin Souzy, die mit ihrem blauen Lidstrich ein wenig aussieht wie die kleine Schwester von Lana del Rey. In einer einsamen Bucht schlagen die Young Lovers ihr Zelt auf, hören Musik aus dem tragbaren Plattenspieler und strecken Autoritäten in Gestalt von Eltern, Polizisten, Pfadfinder-Führern und dem Jugendamt beherzt den Mittelfinger entgegen.
Eine unmögliche Liebe zwischen zwei Minderjährigen. Da betritt man als Regisseur rasch heikles Terrain, da ist es nicht weit zum Tabubruch, zum Larry Clark-Land. Nichts läge Wes Anderson ferner. Sein Thema ist die große Sehnsucht, die kindliche Unschuld, der Wunsch nach Selbstverwirklichung, nach Verständnis, nach Liebe. Das verlangt freilich nach einem halbwegs zynismusbefreiten Geist auf Seiten des Publikums. Ist dieser vorhanden, wird man mit einer ganzen Menge an wirklich schönen Momenten belohnt, von denen jeder einzige die Kinokarte wert wäre.
Moonrise Kingdom: Ein - ich mag das Wort nicht besonders, aber hier passt's -warmherziger, schöner, lustiger, bittersüßer und - no na - kunstvoller Film, für den man schon mal Danke sagen kann. Danke an Wes Anderson, du bist der coolste aller coolen Independentfilm-Nerds.
In diesem Sinne: "It feels hard."