DRAMA: A, 2011
Regie: Markus Schleinzer
Darsteller: Michael Fuith, David Rauchenberger, Christine Kain
Der Büroangestellte Michael hält den 10jährigen Wolfgang als Sexsklaven in seinem Keller gefangen.
Nach den Fällen Fritzl und Kampusch war er bereits absehbar und nun ist er da, der österreichische Film über einen Pädophilen. Die Handlung lässt sich besser kurz als lang beschreiben. Ein Pädophiler hat in seinem Keller einen Jungen eingesperrt.
Zwischen dem direkten Einstieg in diese Situation zu Beginn des Filmes und dem etwas unbefriedigendem Schluss geschieht in Wahrheit nur wenig Außergewöhnliches. Markus Schleinzer setzt bei seinem Regiedebüt nämlich auf leise, möglichst objektive und um Gottes Willen nicht reißerische Töne. In der ersten Szene holt Michael den eingesperrten Wolfgang aus seinem Kellerverlies, isst mit ihm zu Abend und lässt ihn noch ein bisschen fernschauen. Der Junge will noch ein bisschen länger aufbleiben, darf es aber nicht, schließlich sei laut dem vermeintlichen Ziehvater jetzt Schlafenszeit. Schon hier ist unschwer zu erkennen, dass sich der Regisseur bemüht, seine Hauptfigur nicht zu verurteilen, sondern als "normalen" Menschen zu zeigen.
Die folgenden eineinhalb Stunden werden genützt, um zum einen diese Position Michael gegenüber zu unterstreichen und ihn zum anderen als sozial beeinträchtigten Außenseiter zu charakterisieren. Egal, ob beim Smalltalk in der Arbeit, beim Skiurlaub mit Freunden oder beim Sex mit einer Skihütten-Kellnerin. So richtig funktionieren kann Michael in der großen weiten Welt nicht. Dabei sind ihm durchaus kleine Erfolge vergönnt. Wie bereits erwähnt erobert er an einem Abend des Skiurlaubs mit seiner ruhigen Art fast schon versehentlich das Herz einer Kellnerin und gegen Ende des Films wird Michael sogar befördert. Doch sowohl die Erektionsprobleme beim Sex mit der Frau, als auch seine Unfähigkeit auf seiner eigenen Beförderungsparty mit irgendjemandem vernünftig ins Gespräch zu kommen, lassen Michael erst recht wieder als Verlierer dastehen.
Sein fehlendes Durchsetzungsvermögen in der Gesellschaft möchte er im Umgang mit Wolfgang nachholen. Andeutungen im Film zu Folge gaukelt er dem Jungen vor, er wäre sein Stiefvater. Die Briefe, die das Kind an seine Eltern schreibt und Michael weitergibt, werden natürlich nie verschickt. Vielmehr versucht der Pädophile sich selbst als Vater zu etablieren, feiert mit Wolfgang Weihnachten und macht mit ihm einen Ausflug. In all den Szenen wirkt Michael so, als würde er Normalität nachspielen wollen. Zu zweit beim Abendessen sitzen, beim Ausflug gemeinsam durch das Guckrohr schauen und zu Weihnachten "Stille Nacht" singen gehört da natürlich dazu.
Szenen ohne Michael gibt es im Prinzip nicht. Die einzige Ausnahme stellen wenige Momente dar, in denen Wolfgang allein in seinem Zimmer gezeigt wird. Dabei kocht er sich in seinem gut eingerichteten Verlies ein Fertiggericht, spielt mit einem Plastikflugzeug oder schreibt einen der nie versendeten Briefe an seine Eltern. Für eine vollständige Charakterisierung reicht das natürlich nicht. Prinzipiell muss man in einem Film, der nach seiner Hauptfigur benannt ist, nicht mit einer detaillierten Zeichnung einer Nebenfigur rechnen. Problematisch ist nur, dass Schleinzer einen Ansatz davon erkennen lässt, es dann aber verpasst, daran weiterzuarbeiten. Von Wolfgang wissen wir am Ende zu wenig, um seine Handlungen vollständig nachvollziehen zu können, wissen aber zu viel, um das als bewußte Maßnahme des Regisseurs interpretieren zu dürfen.
Ein weiterer Kritikpunkt ist, dass die Handlungen der Nebenpersonen in manchen Szenen nicht ganz nachvollziehbar sind. Als Michael versucht, noch einen zweiten Jungen zu fangen, hält er sich lange bei einem Go-Kart-Rennen für Kinder auf. Dass ein kinderloser Mann mehrere der Fahrer anspricht und mit einem von ihnen sogar spazieren geht, scheint niemanden zu stören. In der Folge ist es eher Zufall, dass sein Versuch scheitert. Zu einem späteren Zeitpunkt im Film kommt eine Arbeitskollegin plötzlich in Michaels Haus geschlichen. Dieser schließt hinter sich die nicht gerade subtile, riesige Tür des Gefängnisses, eher er die Frau sieht, die nur wenige Kellerstiegen über ihm bereits auf ihn wartet. Sie lässt sich davon aber nicht irritieren und schöpft auch dann nicht Verdacht, als sie von Michael zu Boden geworfen und aus dem Haus geschmissen wird. Wenig später kommt es auch schon zur dramatischen Wende im Film.
Darüber soll natürlich nicht zu viel verraten werden, besonders überzeugend ist das Ende aber ohnehin nicht. Von diesem Film eine originelle Wende zu verlangen wäre ebenso falsch, wie sie zu erwarten. Dass aber ausgerechnet auf die Lösung zurück gegriffen wird, die wohl auch vielen Zuschauern eingefallen wäre, ist enttäuschend.
Wie der Titel bereits anklingen lässt, geht es bei Michael um den Menschen, der hinter dem Verbrecher steckt. Regisseur Markus Schleinzer versucht das Märchen des Täters als Monster aufzuheben und das Problem somit vom Einzelnen auf die Allgemeinheit, von der Person zur Gesellschaft zu verschieben. Zwar verteidigt er den Pädophilen nicht, entwürdigt ihn aber ebenso wenig. Das an und für sich solide Regiedebüt behandelt ein schwieriges Thema auf interessante Art und Weise. Problematisch ist allerdings, dass der am ehesten zum Nachdenken anregende Aspekt des Filmes, nämlich seine ruhige und neutrale Erzählweise, bereits nach wenigen Minuten identifiziert werden kann. Die weiteren Handlungen, die das Werk dann auf Spielfilmlänge strecken sollen, sind zum Teil schwer nachvollziehbar und wirken uninspiriert.