SCIENCE-FICTION: Deutschland, 1927
Regie: Fritz Lang
Darsteller: Brigitte Helm, Alfred Abel, Gustav Fröhlich, Rudolf Klein-Rogge, Fritz Rasp, Theodor Loos
Die futuristische Großstadt Metropolis gliedert sich in zwei Klassen. An der Oberfläche lebt die Oberschicht, unter der Stadt schuften die Arbeiter für den Reichtum der Elite. Sie bedienen riesige Maschinen, die für alle Bewohner der Stadt enorm wichtig sind.
Ja bin ich denn bekloppt, dass ich mich wage eine Kritik über eines der bedeutendsten Werke der Filmgeschichte zu schreiben? Ganz offensichtlich! Ich bin zwar der Meinung, über dieses Meisterwerk wurde schon genug geschrieben und auch alles gesagt, was nur gesagt werden kann, aber genau aus diesem Grund verdient es auch einen Platz hier.
Ja wo fang ich jetzt nur an? Am besten beim Offensichtlichen: Metropolis ist ein Stummfilm von Fritz Lang, der dem Expressionismus zugeordnet wird. 1927 uraufgeführt, fiel der Film mit einer Länge von 153 Minuten beim Publikum komplett durch, übrigens auch bei den Kritikern. Metropolis wurde deshalb nur kurze Zeit später enorm gekürzt, von 153 Minuten auf 117 Minuten. Blöderweise hat man das rausgeschnittene Material gleich mal vernichtet. Bitterböse bereut hat man das später und es ist nie gelungen die Originalfassung wiederherzustellen. 2001 ersetzten dann Standbilder und Kommentartafeln das fehlende Material, bis 2008 in Buenos Aires eine Kopie des Films gefunden wurde. So konnten die verschollenen Sequenzen bis auf 8 Minuten komplett wiederhergestellt werden. Man erkennt im 2010 komplett restaurierten Film schön die fehlenden Szenen am stark abgenutzten Material aus Buenos Aires.
Metropolis ist so bedeutend für die Filmgeschichte, weil der Film unglaublich revolutionär ist für die damalige Zeit. Nicht nur die Thematik die er behandelt, sondern auch die Umsetzung des Stoffes ist visionär! Kein Wunder also, dass er als Inspirationsquelle für viele spätere Filme diente. Meines Erachtens lassen sich Zitate fast überall finden, nicht nur was die Filmwelt betrifft, sondern auch in der bildenden und darstellenden Kunst, der Musik und Literatur. Für jeden kreativen Kopf bietet Metropolis eine unerschöpfliche Quelle.
Das Problem mit diesen alten Klassikern ist, dass einfach schon zu viel interpretiert wurde, als das eine eigene Interpretation überhaupt noch möglich ist. Die Thematik der Zweiklassengesellschaft ist offensichtlich. Ich will auch gar nicht versuchen das anhand der damaligen Zeit zu deuten, erstens war ich nicht dabei, zweitens hat jeder selbst genug Allgemeinbildung aus dem Geschichtsunterricht um das zu erklären.
Viel spannender finde ich es, dies in die heutige Zeit zu übertragen. Aus zwei Gründen: 1.) um zu zeigen wie aktuell ein Stummfilm aus dem Jahr 1927 sein kann und 2.) um Lust darauf zu machen sich diesen Film anzusehen. Denn wer wirklich Filme begreifen will, der muss sich einfach an die alten Klassiker wagen.
So genug Blabla und ab zum Wesentlichen: Dass sich in unseren Demokratien auch immer mehr eine Zweiklassengesellschaft abzeichnet ist wohl für jeden ersichtlich. Die Reichen werden immer reicher und die Armen immer ärmer. Fakt ist auch, das Wenige sehr viel haben und sehr viele sehr wenig besitzen. Die oberen Zehntausend bereichern sich auf Kosten der Armen und so weiter und so fort.
Ein weiterer sehr spannender Aspekt des Films sind die biblischen Motive. So wohnt zum Beispiel der Alleinherrscher über Metropolis Joh Fredersen im "neuen Turm Babel". Die Geschichte des Turmbaus zu Babel dürfte wohl bekannt sein, wenn nicht: Altes Testament. Auch die Bedeutung der Stadt Babylon, die für Reichtum und Macht steht und dem Untergang geweiht ist, aus genau diesen Gründen. Der Begriff Babylon wird auch heut noch gerne gebraucht und beschreibt die westliche, kapitalistische Welt. Ein weiterer Verweis auf die Bibel ist der Satz: "Mittler zwischen Hirn und Händen muss das Herz sein." Das Hirn ist in diesem Fall der Herrscher Fredersen, Hände sind die Arbeiter, die sich unter der Stadt an den Maschinen quälen. Der Mittler wird im Verlauf des Films Fredersens Sohn sein. Nun zum erwähnten Bibelzitat: Das Hirn ist Gott, die Hände die Mensch und Mittler ist sein Sohn Jesus. Klar oder? Noch offensichtlicher wird das Ganze durch die Rolle der Maria. Im Film ist sie es, die die Arbeiter zur Revolution aufruft (allerdings die falsche Maria). Zugleich existiert eine politische Symbolik. Der Mittler versöhnt die Klassen.
Wodurch ich gleich zu einem weiteren sehr spannendem Punkt komme. Die Arbeiter verstehen den Sinn der Maschinen nicht, ich auch nicht. Was für eine Entfremden der Menschen zu den Maschinen steht. Das Interessante daran: Ich sah sofort eine Kritik an der Industrialisierung. Das nun wirklich Spannende an diesem Aspekt im Film ist, dass die Revolution der Arbeiter, also ihr Ausbrechen aus dem erzwungenem Schuften für die Reichen, zugleich ihre eigene Lebensgrundlage zerstört. Die Maschinen sind aus irgendeinem Grund für alle Bewohner lebensnotwendig. Mit der Revolte der Arbeiter und der Zerstörung der Maschinen zerstören sie auch die Stadt. Als Folge der Industrialisierung wird die Urbanisierung angesehen, die Menschen ziehen vom Land in die Stadt, weil es dort Arbeitsplätze gibt. Aus einer Selbstversorgergesellschaft wird eine Fremdversorgergesellschaft.
Und jetzt komme ich zum Punkt der mich fasziniert hat und warum Metropolis, meiner Meinung nach, seiner Zeit weit voraus und visionär ist: Eine weitere Folgeerscheinung der Industrialisierung ist die seitdem zunehmende Umweltverschmutzung. Wir zerstören also unsere eigene Lebensgrundlage. So wie die Arbeiter im Film die ihre zerstören, allerdings genau durch die Vernichtung der Maschinen. Warum ich die zuerst vermutete Kritik an der Industrialisierung schnell revidieren musste. Ausdrücklich übt Lang Kritik an der Revolution. Allerdings hat er den Anspruch die Klassen anhand eines Mittlers zu versöhnen.
Übrigens, noch kurz erwähnt: Eine zentrale Rolle im Film spielt der Maschinenmensch. Was ich bemerkenswert finde für die damalige Zeit. Spätestens seit Terminator ist diese Thematik in aller Munde, doch schon Fritz Lang hat davon gewusst. Und wenn Metropolis keine Inspirationsquelle für Terminator war, dann fress ich einen Besen. Interpretationsfläche gäbe es noch genug, aber ich will hier auch keinen langweilen und eigentlich wollt ich doch gar nix interpretieren, verdammt. Naja zu spät. Vielmehr möchte ich noch ein paar revolutionäre Aspekte des Films erläutern. Die Optik, oh mann, die Optik. Absoluter Wahnsinn für 1927. Metropolis sieht aus wie eine amerikanische Großstadt, aber nicht etwa nur wie eine damalige amerikanische Großstadt, sondern es könnte auch ein Abbild von New York heute sein. Eine Andeutung von Reklametafeln und Bildtelefonen. Ein Hund dieser Lang, woher hat er das gewusst? Hat er etwa auch seinen eigenen Vater aus der Zukunft in die Vergangenheit geschickt um sich selbst zu zeugen? Und der hat ihm so einiges verraten? Who knows? Und dann die Optik des Maschinenmensch, Star Wars 1927!
Drei Sachen noch zum Schluss: Dass es ein Stummfilm ist, stört kein bisschen. Mir ging es da ähnlich wie bei Lars von Triers Meisterwerk Dogville, nach kürzester Zeit merkt man nicht mehr, dass dort keine Kulissen existieren, genauso merkt man bei Metropolis recht schnell nicht mehr, dass nicht gesprochen wird. Das andere ist die Musik, die ging mir nämlich mächtig auf die Nerven. Wie damals wohl so üblich wurde der Mangel am gesprochenen Wort durch Gedudel ersetzt, kein Moment der Stille. Ich weiß, ich weiß, das macht die alten Stummfilme auch aus, aber damit werde ich mich wohl nie anfreunden können. Und ein letztes noch: Das Happy End mag ich nicht, zu kitschig (generell ist mir die Symbolik des Films viel zu verkitscht), aber das ist wohl Geschmackssache.
Interessante Randnotiz (dann ist wirklich Schluss, versprochen): Fritz Lang trieb seine Schauspieler und Komparsen bis an den Rand des Zusammenbruchs. Somit wurde Lang selbst zum Sklaventreiber und Alleinherrscher, der seine Arbeiter für sein Werk schuften lies. Erwähnt werden muss noch, dass Fritz Langs Frau Thea von Harbou das Drehbuch zum Film geschrieben hat und somit maßgeblich beteiligt ist am Werk Metropolis. Von ihr stammt auch die Romanvorlage.
Metropolis war seiner Zeit weit voraus und hat von seiner Aktualität bis heute nichts verloren. Ein Muss für jeden Filmliebhaber! Ein revolutionäres, visionäres Meisterwerk in drei Akten. DAS ist ganz grosse Filmkunst!