SCI-FI: DEN/SVE/FR/D, 2011
Regie: Lars von Trier
Darsteller: Kirsten Dunst, Charlotte Gainsbourg, Kiefer Sutherland, Charlotte Rampling, John Hurt, Stellan Skarsgård, Alexander Skarsgård, Udo Kier
Melancholia, ein großer Planet, hat sich erfolgreich und lang genug hinter der Sonne versteckt, damit er jetzt unaufhaltsam auf die viel kleinere Erde zusteuern kann. Auf einer pompösen Hochzeit ist es die depressive Braut Julie (Kirsten Dunst, dafür ausgezeichnet mit der Goldenen Palme als beste Hauptdarstellerin) die als erstes spürt, dass jetzt eh alles keinen Sinn mehr macht. Ihre noch unwissende Schwester (Charlotte Gainsbourgh) und deren Mann (Kiefer Sutherland) versuchen derweil zumindest die Hochzeit und das rudimentäre Familiengefüge zu retten, am Ende auch gern den Sohn, aber wir sind hier im Lars von Trier Universum, da stehen die Quoten für Rettung schlecht.
"Apocalypse. Wow" diese überragende Artikelüberschrift des Spiegels muss ich mir hier mal borgen, weil sehr passend. Wenn jemand einen Film als Argument braucht, weshalb das Kino durchaus dem kostenlosen Internetstream oder iPhone-Bildschirm vorzuziehen ist, ja selbst einem sehr guten Heimkino, der sollte die Skeptiker mit in MELANCHOLIA nehmen.
Lars von Trier hat den nächsten Schritt getan. Ästhetisch und pessimistisch. Seine bereits im ANTICHRIST für kurze Schnaufpausen sorgenden Superslowmotion-Kinoleinwand-Gemälde, mit fantastischer Lichtsetzung und dem dezenten aber sehr effektiven Einsatz von Motioncontrol, CGI und digitaler Highspeed-HD Kameras (also alles was bei TRANSFORMERS im Minutentakt inflationär verpulvert und verpufft wird), werden in prächtigen Farben und langen Einstellungen zum Genießen, als Prolog und vorweggenommenes Ende an den Anfang von MELANCHOLIA gesetzt.
Dazwischen geht es mit bester Dogma-Handkamera-Tradition von DAS FEST, auf der Hochzeit im Millionärs-Schloss hoch her. Die körperlichen Schmerzen, die sich das Ehepaar in ANTICHRIST antut, die tun sich die Familienmitglieder hier seelisch an. Welch Überraschung, auch MELANCHOLIA ist definitiv kein Feelgood-Movie. Das Rauslaufen während des Films kann man sich also sparen, indem man erst gar nicht hineingeht mit der Erwartung, Lars von Trier bringe seine Antidepressiva in Bildern auf die Leinwand.
Lars von Trier nimmt keine Antidepressiva. Wer dachte, ANTICHRIST sei schon mieselaunig, pessimistisch und deprimierend, der kann den vorherigen Satz noch mal in Ruhe durchlesen. In ANTICHRIST starb nur ein Kind und die Ehefrau. In MELANCHOLIA stirbt ein Kind, die gesamte Menschheit und für wenige, sehr ehrfürchtige Sekunden auch das Kinopublikum. Viel Spaß dabei!
Sprichwörtlich großes Kino, überragend - und vor allem passend - besetzt, großartig fotografiert, erschreckend gut erzählt und ein Weltuntergang ohne Schnitt, der alle Emmerichs und Apocalypsywood-Kollegen in die Schranken verweist. Wow!
Starttermin in A: 28.10.2011