HORROR: F, 2008
Regie: Pascal Laugier
Darsteller: Morjana Alaoui, Mylène Jampanoï, Catherine Bégin
Ein junges Mädchen rennt schwer verletzt eine Straße entlang. Ein Jahr lang wurde sie in einem finsteren Verlies festgehalten und gefoltert. Von ihren Peinigern fehlt jede Spur. Fünfzehn Jahre später betritt sie mit einer Schrotflinte bewaffnet ein schickes Einfamilienhaus und richtet die Familie mit gezielten Schüssen hin. Doch da ist noch etwas in diesem Haus. Etwas, das Lucie weiterhin quält ...
Bist! Du! Teppat! Selten wurde ein Horrorfilm mit mehr Vorschusslorbeeren überladen; selten wurde die Erwartungshaltung dermaßen hoch geschraubt: Ein Film, der "weiter geht als alle anderen. Der Tabus bricht, Grenzen überschreitet. Der sich tief in den Magen und die Seele bohrt und dort ein blutiges Chaos aus Entsetzen und Verstörung hinterlässt. Und: "MARTYRS meint es ernst. Todernst. Schrieb filmstarts.de.
Und dasmanifest.com legt nach: Von einem "Angriff auf den Zuschauer" ist da die Rede, wo noch "wochenlang ein bitterer Nachgeschmack bleibt".
Dabei beginnt MARTYRS durchaus konventionell. In rasch geschnittenen, spärlich ausgeleuchteten Bildern werden wir Zeuge einer Flucht aus einem Folterkeller, einer Jugend in einem Waisenhaus, eines blutigen Rachefeldzugs. Doch bis dahin sind gerade mal zwanzig Minuten von MARTYRS vergangen.
Die Geschichte wird sich noch mehrmals umdrehen - und wohl auch der Magen so manchen Zusehers. Ohne hier etwas verraten zu wollen: Der junge französische Regisseur Pascal Laugier hat sich wirklich etwas getraut. Und damit ist nicht nur der Härtegrad gemeint. Gut, der auch. Der Guts 'n' Gore-Anteil ist, wenn man so will, französische "State-of-the-Art", siehe auch INSIDE oder zuletzt FRONTIER(S).
Doch MARTYRS geht einen anderen Weg; inhaltlich wie auch stilistisch. Die allgegenwärtige, leicht slicke Werbefilm-Ästhetik, die selbst vor dem zeitgenössischen Terrorkino nicht halt macht, muss hier draußen bleiben. Laugier hat einen eiskalten Film gedreht, mit gleißenden Licht, mit Kulissen aus Glas, Stahl und Chrom.
So, mehr wird jetzt nicht mehr verraten. Außer vielleicht, dass mich MARTYRS eher an die Filme von Gaspar Noe (MENSCHENFEIND, IRREVERSIBEL) erinnert hat als die üblichen Quälfilm-Verdächtigen.
Und ja, über das nicht gerade unkontroverse Ende, irgendwo zwischen Stanley Kubrick, HELLRAISER und der 120 TAGE VON SODOM, darf durchaus diskutiert werden. Man kann die finale Auflösung je nach Geschmack auch für absurd, esoterisch verbrämt oder einfach nur verstörend halten. Aber eines ist sie auf alle Fälle: Nicht alltäglich. Und das ist weit mehr, als ich mir von einem Horrorfilm normalerweise erwarte.
Auch erstaunlich: Die Verleih-DVD von Senator ist tatsächlich ungekürzt.
Der grimmige Höhepunkt der neuen französischen Terrorwelle macht nicht nur seinem Titel alle Ehre, sondern überrascht mit erzählerischen und inszenatorischen Brüchen, die sämtliche Konventionen des Genres sprengen. Alle Achtung!