ACTION: USA, 2015
Regie: George Miller
Darsteller: Tom Hardy, Charlize Theron, Hugh Keays-Byrne, Zoë Kravitz
Mad Max (Tom Hardy) wird von den Lebenden und den Toten verfolgt. Die Lebenden sind die Schärgen des Tyrannen Immortan Joe, die seinen Körper als Blutkonserve betrachten. Die Toten sind die Geister seiner Familie, die er nicht retten konnte. Max schließt sich einer Gruppe von Flüchtigen an. Joe hetzt ihm seine motorisierte Söldner-Streitmacht an den Hals.
Ich weiß ja nicht, wie es euch ergangen ist, aber meine Facebook-Timeline war das letzte halbe Jahr voll von euphorisch kommentierten Mad Max-Trailern. Dass der Film nun tatsächlich über die Leinwände der Multiplexe donnert, ist als größeres Wunder einzustufen. MAD MAX - FURY ROAD schmorte bekanntlich die letzten Jahre (Jahrzehnte?) in der Vorproduktionshölle. Die Dreharbeiten waren überschattet von einer Pleiten, Pech- und Pannenserie, die Terry Gilliam zur Ehre gereicht hätte. MAD MAX - FURY ROAD wäre beinahe George Millers DON QUICHOTE geworden. Aber jemand mit einem großen Herz und noch größerer Risikobereitschaft hat dem alten Meister 150 Millionen Dollar in die Hand gedrückt. Das Ergebnis, so viel ist sicher, zermalmt die Actionfilmgeschichte, wie wir sie kennen, unter gigantischen Monster-Truck-Rädern.
Die originale MAD MAX-Trilogie ist 30 Jahre alt. Auf das Familiendrama und dem Rachefeldzug des ersten Teils (1978) folgte der - wie es Kollege Chris so schön ausgedrückt hat - "ultimative Schrott und Leichen produzierende Carmageddon" MAD MAX 2 von 1981. Von Teil 3 blieb aber nur noch Tina Turners Löwenmähne in Erinnerung - und ein Titelsong, den die Formatradios dieser Welt wohl bis in alle Ewigkeiten abnudeln werden.
George Miller, der seine Karriere als Unfallarzt begann, wandte sich anderen Projekten zu, drehte Kinder - und Animationsfilme, die angeblich auch sehr gut sein sollen. Es ist dringend anzuraten, MAD MAX - FURY ROAD auf der größtmöglichen Leinwand zu sehen. 3D macht auch Sinn. Schon in der Eröffnungssequenz, wenn die Kamera die Tiefen und Weiten eines Canyons durchmisst, krallt man sich instinktiv an den Lehnen des Kinosessels fest. Ja, man kann behaupten, dass dieser Film ein Gefühl für Raumwirkung vermittelt.
Und dann bricht das Inferno los. 120 Minuten praktisch Non-Stop-Over-the-Top-Action mit echten Stunts und tatsächlich innovativer CGI. Mich amüsiert ja immer noch, wie der Film fälschlicherweise als CGI-frei promoted wurde (und wie ich selbst darauf reingefallen bin). Wo er doch in Wahrheit den nächsten Evolutionsschritt dieser Technik präsentiert: Die visuellen Effekte bringen hier tatsächlich etwas Malerisches, etwas Künstlerisches in den Film. Die fotorealistischen digitalen Bildelemente, die hier in die Originalaufnahmen hineinmontiert wurden, sind mittlerweile Lichtjahre entfernt von den holprig animierten Figuren aus dem Beginn der CGI-Ära, wo man den überforderten Rechnern beim Pixel aufbauen zusehen konnte.
MAD MAX - FURY ROAD ist ein Exploitationfilm mit Millionenbudget. Eine brachiale Materialschlacht. Kinetik als Kunstform. Praktisch jede einzelne Einstellung ist ikonisch; die Bildgewalt dieses unfassbaren Actionfilm-Kunstwerks lässt das Arthouse-Kino unserer Tage aber so was von alt aussehen. Und immer dann, wenn man meint, so, jetzt ist der Gipfel an Intensität erreicht, setzt George Miller prompt noch eins drauf.
Und Humor hat er auch: Der Bösewicht in MAD MAX ist ein Warlord, der auf den schönen Namen Immortan Joe hört und sich körperlich in fortgeschrittenem Verwesungszustand befindet - was aber seiner Wirkung auf Frauen keinen Abbruch tut. Die Erotik der Macht macht's möglich, dass sein Harem aussieht wie von Heidi Klum gecastet. Die jungen schönen Damen, in halbtransparentes weißes Tuch gehüllt, sorgen für einen kurzen, unerwarteten PRISCILLA-Moment in einem Film, der über weiten Strecken anmutet wie eine bizarre Kreuzung aus Duran Durans "Wild Boys"-Video mit EL TOPO.
Anders als 1981 dürfen Frauen heute ebenbürtige Kämpferinnen abgeben. Das ist längst Konvention. Aber auch das hehre bildungspolitische Ziel unserer Tage, nämlich Fauen für die Technik zu begeistern, wurde in der Postapokalypse erreicht: Charlize Theron schminkt sich nicht nur mit Maschinenöl, sie repariert eigenhändig den 2000 PS starken V8-Motor ihres Trucks - und zwar in voller Fahrt. Boxenstopps sind was für Weicheier. Denken Sie mal darüber nach, Herr Lauda.
Für den abgesprungenen Mel Gibson springt der Brite Tom Hardy in die Bresche, der schon in LOCKE / NO TURNING BACK Multitaskingfähigkeit am Steuer unter Beweis stellte.
Die eigentliche Hauptrolle spielen aber die martialischen Kampf-Vehikel, die man sich vorstellen muss wie ein GTI-Treffen auf bösen Drogen: Die benzinfressenden Monster sind mit Stacheln, Panzerplatten, Flammenwerfern, Räumschaufeln und Enterhaken dekoriert. Wenn sie sich in Formationsfahrt nähern, ziehen sie malerische Staubfahnen durch die australische Wüste. Und wenn sich gegenseitig zermalmen und in ihre Bestandteile auflösen, fliegen die Trümmer in 3D durch den Kinosaal, dass man jedes Mal zusammenzuckt.
Alles an diesem Film ist purer Wahnwitz: Die Nonstop-Action, die irren Stunts, die Bildgewalt, der Wahnsinn, der jeder einzelnen Sequenz innewohnt. Der intensivste Actionfilm aller Zeiten? Gewiss. Die Höchstnote wird auf dieser Seite keineswegs leichtfertig vergeben. In diesem Fall ist sie angemessen.
In diesem Sinne: "Witness me. I will feast in Valhalla. For I am shiny."