OT: Balada Triste de Trompeta
DRAMA: F/E, 2010
Regie: Álex de la Iglesia
Darsteller: Santiago Segura, Fernando Guillén Cuervo, Antonio de la Torre, Fran Perea
Geprägt vom Tod seines Vaters, der während des spanischen Bürgerkriegs in einem Gefangenenlager sein Leben lassen musste, scheint das Schicksal von Javier besiegelt: Der Familientradition folgend geht er dem Beruf des Clowns zwar nach, kann aber aufgrund seiner verlorenen Kindheit die Menschen nicht zum Lachen bringen. So wird er zum traurigen Clown, der sich in den Shows vom lustigen Clown alles gefallen lassen muss. Javiers Clownkollege und Chef Sergio ist außerhalb seiner Shows nur wenig clownesk. In Wahrheit ist er ein geltungssüchtiger humorloser Alkoholiker, der im Rausch seine Freundin Natalia grundlos bis fast zur Bewusstlosigkeit prügelt, um dann zur Versöhnung brutalen Sex mit ihr zu haben.
Javier verliebt sich in die schöne Seilakrobatin Natalia, die sich ihrerseits gerne in seiner Nähe aufzuhalten scheint und verbringt immer häufiger Zeit mit ihr. Dadurch bringt er Natalia und sich selbst in Lebensgefahr. Nachdem er und Natalia von Sergio bei einem Ausflug auf den Rummelplatz überrascht werden, wird Javier von Sergio so stark verletzt, dass er ins Krankenhaus eingeliefert wird. Dort erhält im Traum einen Auftrag von seinem Vater, der da lautet: Rache!
Da ist er! Frisch aus Spanien importiert. Der neue Film von Alex de la Iglesia (PERDITA DURANGO), der seinen Weg bislang nur in wenige ausgesuchte deutsche Kinos gefunden hat und in gewissen Kreisen und Foren als Geheimtipp gehandelt wird.
Generell kann diesem Review schon vorweg geschickt werden: "Balada Triste de Trompeta" hält eindeutig, was Titel und Vorspann versprechen. Der Film ist trist, düster und nihilistisch. Sowohl das Drehbuch als auch die stark von Grau- und Braun-Filtern geprägte Farbgebung und Bildkompositionen unterstützen die Atmosphäre der Handlung.
Der Vorspann beginnt mit einem treibenden Trommelrhythmus, unterlegt mit ohne klar erkennbaren Zusammenhang durcheinandergewürfelten Bildern von Diktatoren, Stars, bekannten Filmmonstern wie Frankenstein und Co., Fotos aus Cannibal Holocaust und Bildern aus der christlichen Mythologie. Hauptsache bunt. Beides lässt sich gut auf das Gesamtwerk übertragen. Vieles ist nicht klar herausgearbeitet und lässt Spielraum für (gewagte) Interpretationen. Zum Beispiel könnte man meinen zu erkennen, dass die Charaktere geprägt sind von den Erlebnissen während des spanischen Bürgerkriegs und somit lediglich ein Produkt des Milieus, aus dem sie stammen.
Oder dass die Schizophrenie, an der Javier schließlich erkrankt, ein unweigerliches Ergebnis seiner traumatischen Kindheitserlebnisse und des unverarbeiteten frühen Verlust seines Vaters ist.
Doch wenn wir die gewagten Auslegungen der Rahmenhandlung etwas beiseite schieben, was bleibt? Zwei Clowns, der Eine machohaft und sadistisch, der Andere dem Wahnsinn verfallen und unberechenbar, die um die Gunst einer Frau buhlen, die zwar nett anzusehen ist, aber in etwa so viel Persönlichkeit und Ausstrahlung besitzt wie ein angeschimmeltes Stück Käse, das im Kühlschrank vergessen wurde.
Das ist auch der Punkt, an dem "Balada Triste de Trompeta" viele Punkte verschenkt. Die heißbegehrte Natalia, das Objekt der Begierde der beiden Clowns ist eine Frau, die wie ein Spielball zwischen den beiden Männern hin- und hergeworfen scheint, um sich schließlich überraschenderweise für die starke Schulter - einen Mann, bei dem sie sich sicher fühlt - zu entscheiden...
Optisch ganz im Stil anderer europäischer Filme und ein visuelles Feuerwerk an schrägen Charaktergesichtern, Effekten und sicherlich auch Spannung, gipfelt der Film in einem extrem überdrehten Ende, das vor CGI nur so strotzt. Das altbewährte Sprichwort "etwas weniger wäre mehr", trifft hier voll und ganz zu.
Alles in allem kann "Balada triste ..." zugestanden werden, dass er keine Minute langweilig, angenehm überdreht und von optischer Brillianz ist. Für einen Kultfilm fehlen jedoch Figuren mit Identifikationspotential und eine sinnvolle Einbettung in die geschichtliche Rahmenhandlung. Wer einen wirklich außergewöhnlichen Film mit Zirkuskulisse sehen möchte, dem sei Santa Sangre ans Herz gelegt. Wer einen bösen verrückten Clown sehen will, wird mit Captain Spaulding in Haus der 1000 Leichen bestens bedient und wer einen düsteren, optisch stilvollen Fantasy-Film, dessen Rahmenhandlung während des spanischen Bürgerkriegs spielt, sehen möchte, dem sei der grandiose Pan's Labyrinth wärmstens empfohlen. Wer alle genannten Filme bereits kennt und zwei Stunden gut unterhalten werden möchte, wird es nicht bereuen, "Balada Triste de Trompeta" in den DVD-Player gelegt zu haben oder im Kino zu genießen.