Tragödie: USA, 1948
Regie: Orson Welles
Darsteller: Orson Welles, Jeanette Nolan, Roddy McDowall
Der schottische Adelige Macbeth trifft nach der erfolgreichen Niederschlagung eines internen Aufstandes auf drei Hexen, die ihm prophezeien, dass er der Than von Cawdor geworden ist und in späterer Folge König von Schottland würde. Als sich erstere Behauptung als richtig erweist, möchte Macbeth sein "Schicksal" beschleunigen und meuchelt, angestachelt von seiner herrschsüchtigen "Lady" Macbeth, König Duncan. Doch beide verkraften diese Tat nicht...
KRITIK:Ich denke zu der Vorlage muss man nichts weiter sagen, sie ist eine der großen Tragödien von Shakespeare und wurde schon einige Male verfilmt u.a. von Akira Kurosawa und Roman Polanski.
Wohl aber zu der, ich muss fast sagen, wie immer grandiosen Verfilmung eines Orson Welles. Mit einem Minibudget, zwanzig Tagen Drehzeit und den Auflagen eines B-Movie Studios, das auf drittklassige Western spezialisiert war, bewies er, dass man auch unter widrigsten Umständen einen guten Film drehen kann.
Der ganze Film spielt auf einer Pappmâché-Freiluftbühne und die ganzen Kostüme und Requisiten wurden von anderen Filmen oder Theateraufführungen wiederverwendet. Es erinnert ein bisschen an Lars von Triers Experimentierfreuden bei Dogville und Manderlay
und natürlich auch an Berthold Brechts Konzeption des epischen Theaters,
welches eine maximale Steigerung der Aussage und Wirkung des Stückinhaltes
in einer maximalen Verfremdung oder "Verkünstlichung" suchte.
Daneben drängen sich vergleiche zu den Schauerfantasien des deutschen Expressionismus auf,
ich erinnere da an Robert Wienes "Das Cabinet des Dr. Caligiari".
Das ganze Setting funktioniert auf ähnliche Weise.
Man hat nicht einmal versucht eine realistische Umgebung zu schaffen, vielmehr ragen die riesigen spitzen Felskrallen wie in einem Albtraum in den Himmel, so als ob eine überdimensionale Hand den Königshof direkt in die Hölle ziehen wollte. Das Prinzip funktioniert auch hier: Durch jegliche Ausklammerung der Realität klammern sich die Gesten, Emotionen und Bilder näher an uns heran, weil sie an unsere inneren Albtraumwelten erinnern.
Daneben muss natürlich die filmische Kraft dieses Werks erwähnt werden. Welles kürzte zwei Drittel des Textes, und das tut an mancher Stelle schon ein bisschen weh, weil Dinge und Entwicklungen dadurch scheinbar zu schnell gehen, aber dafür funktioniert der Film an sich viel besser. Die visuelle Poesie hält der verbalen Poesie die Wage und schafft dadurch unvergleichliche Stimmungen.
Es ist schlicht unglaublich, was für Bilder Orson Welles in dieser Billigproduktion erschaffen hat. Wir sprechen hier immerhin vom Jahre 1948, wo die meisten Regisseure die Kamera an ein Ende des Raumes hingestellt haben und sie dort auch stehen ließen bis die Szene vorbei war. Hier läuft das anders:
Da wechseln sich minutenlange Plansequenzen mit Schnittgewittern ab, da sehen wir jeden Schweißtropfen auf Macbeths Gesicht und im nächsten Augenblick verzerrt das Weitwinkelobjektiv die Fläche um ihn herum und wir erkennen die grausame Einsamkeit, die seinen Wahnsinn steigert...
"Macbeth shall never vanquished be until
Great Birnam wood to high Dunsinane hill
Shall come against him" - Denkste ;-)
Shakespeare meets Horrortrash beeinflusst von den Albtraumwelten des deutschen Stummfilms. Einmal mehr ein geniales Meisterwerk "vom einzigen visuellen Temperament, das nach Ende des Stummfilms entstanden ist" (Godard). Gerade als Arthaus Premium DVD Edition erschienen...