OT: Macabro
HORROR: I, 1980
Regie: Lamberto Bava
Darsteller: Bernice Stegers, Stanko Molnar, Veronica Zinny
Jane Baker (in der deutschen Fassung: Baxter), Mutter von zwei Kindern, hat im Haus des blinden, schüchternen Robert eine Wohnung gemietet, die sie für außereheliche Schäferstündchen mit ihrem jungen Liebhaber Fred nutzt. Als am selben Tag ihr kleiner Sohn in der Badewanne ertrinkt und der Liebhaber bei einem Unfall den Kopf verliert, verabschiedet sich Janes Verstand. Nach einem Jahr wird die immer noch äußerst labile Frau aus der Nervenheilanstalt entlassen und zieht dauerhaft in das frühere Liebesnest.
Da der schüchterne Vermieter Robert Jane schon lange begehrt, sieht er seine Chancen gekommen. Doch er ahnt nicht, dass Jane ihre Beziehung zu Fred über dessen Tod hinaus weiterführt. Als dann noch Janes psychopathische zwölfjährige Tochter Lucy beschließt, die verhasste Mutter endgültig in den Wahnsinn zu treiben, ist eine blutige Tragödie nicht mehr abzuwenden…
Obgleich die Figurenkonstellation in MACABRO (labile Frau mit nekrophilen Tendenzen am Rande des Wahnsinns, eine bösartige Psychopathengöre von Tochter, der blinde, gutmütige Verehrer und ein toter Liebhaber) äußerst spannend ist, bleibt die Erzählweise von Lamberto Bavas Debütfilm lange Zeit äußerst gediegen und still.
Ein Publikum, das vom Spross des großen Mario Bava blutige Furiositäten wie die später entstandenen DEMONS - Teile erwartet, wird von MACABRO wohl enttäuscht werden.
Obwohl er in der Blütezeit des italienischen Splatterkinos gedreht wurde, verzichtet der Streifen fast völlig auf Gore und Guts und muss deshalb selbst im Fandom des römischen Horrorfilms ein eher unbeachtetes Mauerblümchendasein fristen.
Okay, für Gorehounds und Adrenalinjunkies ist MACABRO wirklich nix,
aber mit seiner erwachsenen Story und den Spitzenleistungen der leading roles Stegers,
Molnar und Zinny, sollte - nein, müsste er zumindest in den Reihen der gereiften und anspruchsvollen Horrorfans sein Publikum finden.
Zumal Lamberto Bavas Erstling, wenn man ihn allein an seiner inszenatorischen Sorgfalt misst, mit Abstand sein Bester ist.
Untermalt von einem sehr gelungenen Score wird die (fast) ohne spekulative Ekelszenen,
aber im Kern extrem sicke Story in ruhigen, elegischen Bildern vor dem Zuschauer ausgebreitet.
Und wenn sich allmählich psychosexuelle Abgründe auftun und die bitterbösen Plottwists sich mehren,
dann wird auch der Zuschauer vom Sog des schwärenden Wahnsinns erfasst.
Dann merkt er, dass die erste halbe Stunde mitnichten langweilig gewesen war,
sondern dass Bava ihn dort - ganz nach Art des Werks seines Produzenten und Co- Drehbuchautor Pupi
(THE HOUSE WITH LAUGHING WINDOWS) Avati - lediglich eingelullt hat,
so dass ihn am Ende die makabre Faust dieser düsteren Geschichte um geheime Obsessionen,
Nekrophilia und die Wut alleingelassener Kinder nur noch härter trifft.
Und schon lange bevor der Film sich im Finale doch noch zum Nägelkauer entwickelt,
hat er realisiert, dass MACABRO ein absolut verkanntes, weil sehr gutes Stück Psychohorror und Janes Tochter Lucy die wohl
hinterfotzigste minderjährige Filmpsychopathin aller Zeiten ist.
Mario Bava soll nach der Premiere der ersten Regiearbeit seines Sohnes Lamberto, gesagt haben, dass er nun "in Frieden sterben könne". Diese Aussage ist wohl so zu werten, dass Bava senior von MACABRO begeistert war. Und wenn ihr dem Urteil eines der größten Filmemacher aller Zeiten schon nicht trauen wollt, dann lest noch einmal mein bescheidenes Resümee: Dieser ruhige, aber voller extrem makabrer Einfälle und Abartigkeiten steckende Streifen ist ein kleines Juwel des psychologischen Horrorkinos.