OT: Rumah Dara
TERROR: Indonesien, Sin, 2009
Regie: Kimo Stamboel, Timo Tjahjanto (aka The Mo Brothers)
Darsteller: Julie Estelle, Shareefa Dannish, Ario Bayu, Sigi Wimala
Eigentlich sollte man nach dem TEXAS CHAINSAW MASSACRE wissen, dass man auf der Durchreise keine Anhalter mitnimmt. Eine Handvoll junger Indonesier auf einem Roadtrip nach Jakarta will lieber fühlen statt hören und lassen die hübsche wie seltsame Maya zusteigen. Als die jungen Leute auch noch der Einladung des Mädchens folgen und die Nacht bei ihr daheim verbringen, ist die Todesfalle zugeschnappt. Denn in dem unheimlichen Haus warten nicht nur Mayas mordlüsterne Brüder, sondern auch noch ihre Mutter. Und die ist noch viel grausamer...
In Indonesien essen sie Menschen...
Zumindest im Kinodebüt der indonesischen Mo Brothers tun sie das. Wir sehen es zwar nicht explizit, aber wenn jemand auf der Schlachtbank mit der Kettensäge in eine Ladung Filets aufgeteilt wird, das Fleisch danach in die Tiefkühltruhe kommt und der nicht edible Rest in die Tonne getreten wird, dann haben wir genügend Munition für eine ganz konkrete Schlussfolgerung: In Indonesien essen sie Menschen und man kennt dort das TEXAS CHAINSAW MASSACRE.
MACABRE (oder RUMPAH DARA im Original) ist Jakartas Verbeugung vor dem westlichen Terrorkino. Neben Tributen an Leatherface, Kettensägen und Tiefkühltruhen gibt es auch deutliche Querverweise zu westeuropäischen Gewaltbatzen wie INSIDE und FRONTIER(S).
TCM haben die beiden jungen Regisseure aus Indonesien als Haupteinfluss bestätigt; von der Neuen Französischen Härte wollen sie nach eigenen Angaben weniger inspiriert gewesen sein. Trotzdem sieht MACABRE nicht nur phasenweise stimmt auffallend nach FRONTIER(S) aus. Nur werden die auf geisteskranke Mordmaschinen konditionierten Familienmitglieder nicht von einem alten Nazi wie weiland bei Xavier Gens angeführt, sondern von einer äußerst psychopathischen "Mutter"; mit strengem Kleid und durch Mark und Bein gehendem Haifischblick richtig bösartig interpretiert von der unheimlichen Shareefa Dannish.
Wer wahnwitzige Stilblüten wie THE QUEEN OF BLACK MAGIC oder MYSTICS IN BALI etwa aus dem Programm des auf Abseitiges gepolten Mondo Macabro-Label kennt, der dürfte indonesisches Genre-Wirken zuallerst mit äußerst gewöhnungsbedürftigen, exotischen Trash assoziieren. Doch MYSTICS IN BALI war gestern; heuer präsentiert sich das indonesische Horrorkino modern und ganz auf westliche (Splatterfilm-) Sehgewohnheiten zugeschnitten. Einerseits sieht das handwerklich, schauspielerisch und effektetechnisch keinen Deut schlechter als bei den amerikanischen oder französischen Vorbildern aus; andererseits hat man sich damit selbst um seine Exotik und Unberechenbarkeit gebracht. Dass MACABRE eine indonesische Produktion ist, erkennt man nur noch am asiatischen Aussehen der Darsteller - ansonsten hat man sich in einen perfekten westlichen Terrorflick-Klon verwandelt.
Als solcher ist man nicht mehr in der Lage, dem Genre auch nur den Hauch eines neuen Überraschungsmoments abzugewinnen. Dafür ist der Härtegrad im oberen Bereich: In der Villa der psychopathischen Familie steht der Gore alsbald knöcheltief und geschundene Protagonisten wie Menschenschlächter müssen mit fortschreitender Laufzeit mit immer übleren Versehrungen durch immer größere Blutbäche und Leichenlabyrinthe waten oder kriechen. Eine halbe Stunde zum Warmwerden und dann splattert es durch bis zu den Endcredits.
Das Blutbad ist schock- und temporeich inszeniert; die Dame des Hauses - Oberpsychopathin Dara - ist zunächst personifizierte, babyraubende Grabeskälte; später dann kettensägenschwingende Irre. Ihre mörderischen "Kinder" stehen ihr kaum nach, aber auch die Opferlämme aus der jungen Reisegruppe lernen schnell und setzen sich -sofern noch am Leben und an einem Stück- gegen Ende ebenfalls mit äußerst drastischen Mitteln zur Wehr. Die deutsche Fassung musste daher um 5 Minuten Gekröse erleichtert werden und sollte daher auf jeden Fall zweite Wahl hinter der in Österreich oder Kanada erhältlichen Uncut-Fassung sein. Denn nur da gibt es den vollen Pfennigabsatz ins Auge und kein rotes Tröpflein geht bei den vielen graphischen Kettensägentänzen verloren.
Dass bei einem Film, der sich so hemmungslos dem Blutrausch hingibt wie MACABRE keine epische Geschichte erzählt wird, braucht wohl nicht extra erläutert werden. Die letzten Reste der ohnehin dünnen Handlung gehen schon früh im Gore baden und die Motivation der irren Familie bleibt diffus; lässt sich aber mittels einer kurzen Aussage der Mutter und zweier kleinen Szenen (das Snuffvideo und die Babyknochen auf dem Boden des Laboratoriums) zusammenbasteln.
Allerdings ist MACABRE -und das schmälert das Vergnügen zumindest für Genrekundige ganz gewaltig- ein einziger Marathon der Déjà-Vus und Vorhersehbarkeiten. Es gibt keine Szene, die einem nicht bekannt vorkommt. Die Referenzen werden zwar nicht mit dem Vorschlaghammer auf den Zuschauer eingeprügelt - wie letztens beim besonders zitierwütigen Neo-Giallo LAST CARESS (aka GLAM GORE)- doch subtile Hommage geht anders.
Man schaut MACABRE und denkt ständig an andere Terror Flicks. Am häufigsten an die bereits erwähnten Verdächtigen - TEXAS CHAINSAW MASSACRE und FRONTIER(S), aber auch INSIDE. Denn auch in MACABRE hegt eine böse Frau ein ungesundes Interesse für ein Ungeborenes im Leib einer Protagonistin und auch hier hätte eine Polizeistreife dieses Haus besser nicht so gründlich inspiziert... - Apropos, die Polizeistreife. Diese soll wohl gegen Ende so etwas wie Ironie und Spaß in das ansonsten ausnehmend humorlose Massaker bringen; scheitert ob ihrer Dümmlichkeit aber grandios. Gut, dass die Fremdkörper nur kurz ihre "Hallo, erinnert ihr euch an die coolen Bullen aus INSIDE? Wir sind die blöden!"-Schuldigkeit verrichten und dann schnell in ein paar weiteren ansehnlichen Splattereinlagen verwurstet werden. Danach geht das ohnehin durchgängige Gemetzel nahtlos in ein heftiges Finale über, welches nun auch noch den letzten übrig gebliebenen Beteiligten Körperteile oder Leben kostet.
Am Ende steht ein Terrorfilmabend, der den Fan hin- und hergerissen zurücklässt. Neues hat er nicht gesehen, aber das Altbekannte gutblutig noch einmal aufgewärmt bekommen. Ob man sich damit nun zufrieden gibt oder nicht, liegt wohl letztendlich nur daran, wie stark die dunkle Seite der Bluthund-Macht in einem wirkt...
Direkt aus Indonesien kommt diese bluttriefende Huldigung an das westliche Terrorkino. Allerdings lassen die beiden jungen indonesischen Regisseure ihren Exotenbonus ungenutzt und beschränken sich darauf, die altbekannten Setpieces ihrer französischen und amerikanischen Vorbilder zu imitieren. So ist das TEXAS CHAINSAW MASSACRE ebenso allgegenwärtig wie die Neue Französische Härte in Gestalt von Déjà-Vus aus Filmen wie FRONTIER(S) oder INSIDE. Der sklavische Zuschnitt auf westliche (Splatterfilm-)Sehgewohnheiten macht aus MACABRE einen zwar perfekten, aber auch verdammt überraschungsarmen Klon seiner Idole. Dafür präsentiert man sich handwerklich, schauspielerisch und effektetechnisch voll auf der Höhe. Auch der Härtegrad ist deutlich im oberen Bereich angesiedelt; sprich das Innere des Hauses unserer indonesischen Psychopathenfamilie beginnt schon nach einer knappen halben Stunde in Blut und abgetrennten Körperteilen zu schwimmen. So ist MACABRE zwar kein origineller, aber wenigstens ein verdammt goriger Film geworden.