ACTION-EXTRAVAGANZ: F/USA, 2014
Regie: Luc Besson
Darsteller: Scarlett Johansson, Morgan Freeman, Min-sik Choi
Als sie von ihrem Freund und Nebenerwerbs-Drogenkurier Richard einen Koffer in Empfang nimmt, der für einen gewissen Mr. Jang (grandios: "Oldboy" Choi Min-sik) bestimmt ist, ahnt die US-Studentin Lucy (Scarlett Johansson) nicht, dass sich ihr Leben auf spektakuläre Weise ändern wird: Der Deal läuft schief, und eine Überdosis einer neuartigen Super-Droge gelangt in ihren Blutkreislauf. Mit weitreichenden Folgen für die junge Frau: Lucys Gehirnkapazität explodiert förmlich, und auch ihr Körper mutiert. Jangs Killer-Armee hat jetzt eine ebenbürtige Gegnerin ...
Luc Besson. Ich müsste lügen, würde ich behaupten, dass mir seine Filme viel bedeuten. Okay, Leon und Nikita müsste man vielleicht wieder einmal sichten. In meiner Erinnerung sind das durchaus spannende und ungewöhnliche Thriller, die starke Frauenfiguren - eh ein sehr sympathischer Fetisch des Regisseurs - in Stellung bringen. Aber Bessons vielleicht erfolgreichster Film "Das fünfte Element" ist mir als unangenehm esoterisch-verkitschtes Sci-Fi-Spektakel in Erinnerung, dessen farbenprächtiger Ausstattungspomp die innere Leere des Films nur äußerst notdürftig kaschiert. Und danach war mir Monsieur Besson eigentlich weitgehend wurscht.
Umso größer mein Erstaunen, als meine üblichen verdächtigen Film-Freunde auf Facebook plötzlich in Jubelstimmung ausbrachen. Grundtenor: "Lucy" hätte sie geflasht wie kein anderer Blockbuster in diesem Sommer. Und wie immer ist Verlass auf meine Freunde. "Lucy" ist tatsächlich so ein Film, mit dem man Anno 2014 - wenn mich wer fragt, der ödeste Kinosommer seit Erfindung des Blockbuster-Prinzips - nicht mehr gerechnet hätte. Die filmgewordene Fusion aus Drogentrip, Action-Exzess und Philosophie-Nachhilfestunde. Welche geilen Drogen Luc Besson hier auch immer eingeworfen hat: Ich will die auch haben.
Ohne Rücksicht auf Verluste mixt der französische Großmeister der bunten Action-Unterhaltung das eigene Euvre mit Versatzstücken von John Woo bis - ja, tatsächlich - Stanley Kubrick.
Nein, Lucy ist natürlich kein neuer "2001". Aber eine derart überdrehte Mischung aus Action-Exzess, ernsthafter (Kunst-)Ambition und blankem Irrsinn muss man sich erst einmal auf Zelluloid bannen trauen.
Wenn sich so unterschiedliche Medien wie das Wiener Intellektuellen-Zentralorgan "Falter", die konservative Pseudo-Qualitätszeitung "Kurier" und die Sex-und-Drogen-Verherrlichungspostille "Vice" bemüßigt fühlen, Lucy auf ihre wissenschaftliche Plausibilität abzuklopfen, um zum wenig überraschenden Ergebnis zu gelangen, dass der Film zwar inhaltlich Nonsens höherer Ordnung darstellt, aber vom Unterhaltungswert kaum zu toppen ist, dann, ja dann hat Luc Besson eindeutig etwas richtig gemacht.
Auf seine alten Tage überrascht Luc Besson mit einer Film gewordenen Fusion aus körperlichem Action-Exzess, effizientem Spannungskino, Drogentrip und blankem Irrsinn höherer Ordnung. Muss man selbst gesehen haben, um es zu glauben.