OT: Les possédées du diable
EROTIKHORROR: FRANKREICH, 1974
Regie: Jess Franco
Darsteller: Pamela Stanford, Guy Delorme, Lina Romay, Jacqueline Laurent
Der Geschäftsmann Patrick Mariel ist steinreich, führt eine glückliche Ehe und hat mit Linda ein süßes Töchterchen. Als die vermögende Vorzeigefamilie Lindas 18. Geburtstag in Saint Tropez feiern will, meldet sich eine Stimme aus der Vergangenheit bei Mariel und erinnert ihn daran, wem und was er sein Glück zu verdanken hat. Nämlich einem vor 18 Jahren geschlossenen Pakt mit der teuflischen Lorna Green, der er für Erfolg und Reichtum die Seele seiner damals noch ungeborenen Tochter verkauft hat. Und bei diesem unheiligen Handel -so wurde es seinerzeit vereinbart- wird bei Lindas Volljährigkeit abgerechnet! -
KRITIK:Was war es für eine schwere Geburt! Mit ihrer aktuell jüngsten Veröffentlichung LORNA THE EXORCIST haben die Jungs von Mondo Macabro die treuen Franco-Jesuiten aller Herren Länder lange und vor allem schwer auf die Folter gespannt. Das DVD-Release der lange angekündigten, sehnsüchtig erwarteten und bereits ewig vorbestellten Jess Franco-Rarität hat sich immer wieder verschoben, so dass man am Ende fast bangen musste, ob der greise Meister die Premiere seines Films auf Silberling überhaupt noch erleben würde.
Aber jetzt ist alles gut. Der Meister weilt noch unter uns und dreht wahrscheinlich just in diesem Moment in irgendeinem schäbigen Hotelzimmer einen bizarren No Budget-Smut mit Fata Morgana, Carmen Montes und Ehefrau Lina Romay und die frisch aus der Presse gekommene DVD von LORNA THE EXORCIST hat gestern im Briefkasten gelegen.
Und das Beste: Jede Sekunde des Wartens hat sich gelohnt. Vorausgesetzt, man zählt sich zu der kleinen Loge (oder besser Nische) der Getreuen des Spaniers. Denn wie eigentlich immer bei Jess Francos Werken gilt auch hier die Maxime, dass eine gewisse Francophilie beim Zuschauer absolut vonnöten ist, damit der Film funktionieren kann. Ja, selbst bei LORNA THE EXORCIST ist dies so; und dass obwohl eine berufene Stimme wie die des britischen Genrekenners Stephen Thrower diesem Film immerhin attestiert hat, einer von Francos Allerbesten zu sein
Das bedeutet aber auch, dass LORNA THE EXORCIST niemanden aus den Reihen der zahlreichen Feinde, Zweifler und Spötter bekehren wird. Doch selbst hart gesottene Franco-Jesuiten wissen, dass sich im mittlerweile fast 200 (!) Werke umfassenden Oeuvre des Spaniers genügend Argumente finden, die das Bild vom anspruchslosen Schund-und Schweinkramfilmers nicht nur bestätigen, sondern geradezu untermauern. Und doch kennen seine Fans und auch die aufgeschlossenen abseitigen Cineasten dort draußen noch einen anderen Jess Franco.
Nämlich den Künstler Jess Franco, der unermüdlich über Jahrzehnte hinweg an seinem Traum von eigenem Kino bastelt. Ein Kino, das keine Rücksicht auf gängige Publikumsgeschmäcker nimmt, sondern einzig und allein als Sammelsurium persönlicher Phantasien, Obsessionen und Fetische dient. Eines, das eine besondere, einzigartige Bildersprache entwickelt hat und nur dem Ästhetikempfinden und den Regeln seines Schöpfers gehorcht und nicht der kommerziellen Diktion des Horrorfilms, des Sexflicks oder eines anderen Genres unterliegt. Ein Kino, das allein dadurch unverkennbar ist. Und darüber hinaus irgendwie magisch wird, wenn man einem solchen Besessenen beim Filmen freie Hand lässt.
Während seiner französischen Phase hat er in dem Produzenten Robert de Nesle einen gefunden, der ihm diese gewährte. Aus dieser fruchtbaren Zusammenarbeit stammt auch der erotische Horrorfilm LORNA THE EXORCIST, ein selten gesehener Franco, der dank Mondo Macabro endlich auf dem Homevideomarkt erhältlich ist. Dabei ist der englische Titel etwas irreführend. Dämonische Besessenheit im Sinne von DER EXORZIST und Konsorten kommt - wenn überhaupt - nur in den letzten paar Minuten vor und Lorna ist ja wohl ganz eindeutig der Teufel und nicht der Exorzist. Wobei von Exorzisten im ganzen Film ohnehin nichts zu sehen ist. Also bitte keine Teufelsaustreibungen mit Erbsensuppe und Kruzifix erwarten.
Inhaltlich ist LORNA THE EXORCIST trotzdem klassisch, aber simpel. Faust und Rumpelstilzchen. Gib mir Ruhm und Reichtum und du kriegst mein eigen Fleisch und Blut, sobald es das 18. Lebensjahr vollendet hat. Und wenn dann Zahltag ist, will man den hohen Preis dann doch nicht zahlen - Wobei man ja schon zu biblischen Zeiten wusste, dass der Teufel auf Vertragseinhaltung pocht. Lorna Green, der mysteriöse, weibliche Mephistopheles in diesem Franco-Film, macht das natürlich genauso und bedient sich dabei einiger äußerst bizarrer Mittel. Doch dazu später mehr.
Zunächst beginnt der Film mit zehnminütigen merkwürdig entrückten Hardcore. Verträumt zärtlich-deftige Szenen zwischen den beiden Franco-Musen Lina Romay und Pamela Stanford; dazu hypnotische Gitarrenklängen, die uns den ganzen Film über in verschiedenen Varianten begleiten werden. Trotz dieser expliziten Eröffnung zeichnet sich ab: Das ist kein Sleazeheuler; das wird Franco-Magie von hohen Gnaden.
Und LORNA THE EXORCIST ist beileibe nicht schlecht gespielt; auch wenn der Cast von Billigfilm gestählten Franco-Spezis nur so wimmelt. Guy Delorme überzeugt als Vater, der sich in seiner Verzweiflung auf ein ganz diabolisches Geschäft eingelassen hat. Jacqueline Laurent spielt die Mutter und wir kennen sie auch aus dem feinen SINNER - DIARY OF A NYMPHOMANIAC. Lina Romay ist das Töchterchen und unwissendes Faustpfand des Teufels. Außerdem ist sie hier noch schlank und rank, hat lange Haare und ist für die offenherzigsten Sexszenen zuständig. Howard Vernon hat eine Muschel als Schlagring. Und Pamela Stanford, die ich von allen Franco-Herzdamen bislang immer als diejenige mit dem wenigsten Charisma ausgemacht hatte, rehabilitiert sich hier mit famosem Spiel ihrer Sukkubus-Rolle. Sie bereichert den Film nicht nur mit äußerst freizügigen Szenen, sondern auch mit einer gewissen lyrischen, bizarren Komponente. Traumwandlerisch, düster, erotisch, pervers, hypnotisch, negativ - LORNA THE EXORCIST ist Jess Franco-Kino reinsten Wassers; und das ist - es sei hier noch einmal ausdrücklich darauf hingewiesen- nicht das Kino von Freunden herkömmlicher Horrorfilmkost.
Lange Zeit lässt die langsame, faszinierend entrückte Gangart des Films keine Fanwünsche offen, doch irgendwann nach den ersten mysteriösen Auftritten Lornas, den Flashbacks und den 69ern in der Badewanne beginnen sich erste gravierende Längen einzuschleichen. Und gerade als alles in die Langatmigkeit zu kippen droht, entpuppen sich die vermeintlichen Ermüdungserscheinungen glücklicherweise nur als Luftholen für das große Finale. Dort überschlagen sich dann noch einmal die bizarren Abseitigkeiten und Perversionen: Über weibliche Geschlechtsteile krabbelnde Spinnen und Krebse, Jungfrauenblut frisch vom Dildo und inzüchtiges Verlangen. Und ganz am Ende: Lina Romay, im Auge der Kamera, truly possessed
Und jetzt warten wir alle ganz gespannt auf den nächsten Franco 70-Kracher, der uns in Gestalt der PERVERSE COUNTESS von Mondo Macabro in Aussicht gestellt wurde.
Auf Faust- und Rumpelstilzchen-Motiven baut Jess Franco diesen dämonisch-erotischen Succubi-Traum von Lust und Tod. Mit Exorzistenhorrorfilmen hat dies trotz des irreführenden englischen Titels herzlich wenig zu tun, dafür umso mehr mit hypnotischer Atmosphäre, expliziter Erotik und entschwebter, schwarzer Franco-Magie. Wer mit Jess Francos zugegeben sehr eigenwilligen Stil bislang nichts anfangen konnte, wird sich auch von LORNA THE EXORCIST nicht erleuchten lassen. Aber nach der DVD-Veröffentlichung dieses äußerst raren und essentiellen Films des spanischen Schmuddel-Outlaws dürfte in den Klöstern der Franco-Jesuiten weltweit erst einmal ziemlich lange Partystimmung sein