OT: Rabbit-Proof Fence
DRAMA: AUS, 2002
Regie: Phillip Noyce
Darsteller: Everlyn Sampi, Tianna Sansbury, Laura Monaghan, Kenneth Branagh
Australien 1931, durch den so genannten Aborigines-Act soll die australische Rassenproblematik, mit Hauptaugenmerk auf die "Mischlingskinder", geregelt werden. Ziel ist es, diese Mischlingskinder in staatlichen Heimen umzuerziehen und sie in die Gesellschaft der Weißen, meist als Hausangestellte und Farmarbeiter, zu integrieren. Auch die 14-jährige Molly, deren Vater ein Weißer war, kommt zusammen mit ihrer jüngeren Schwester Daisy und ihrer Cousine Gracie in eines dieser Umerziehungscamps. Die drei Mädchen beschließen zu fliehen. Doch nach Hause ist es ein weiter Weg: 1500 Meilen trennen sie von ihren Müttern. Ihre einzige Orientierung in der schier endlosen Weite Australiens ist der als Schutz vor Kaninchenplagen errichtete "Rabbit-Proof Fence", ein Zaun, der den ganzen Kontinent durchläuft
KRITIK:Der Film "Long Walk Home" beleuchtet ein dunkles, unangenehmes Kapitel der Geschichte
Australiens. Basierend auf wahren Ereignissen und Figuren wird das traurige
Schicksal vieler Aborigines nachgezeichnet.
"Wenn Sie sich nun freundlicherweise das Mischlingskind ansehen. Ihre Zahl nimmt
ständig zu. Es werden immer mehr. Sollen wir wirklich zulassen, dass eine
unerwünschte dritte Rasse entsteht? Sollen die Farbigen sich wieder mit den
Schwarzen vermischen? Oder soll man sie in den Stand der Weißen emporheben und sie
somit in die Weiße Bevölkerung integrieren?"
Der Film spielt zu einer Zeit als die Aborigines vielen weißen Siedlern ein Dorn im
Auge waren, vor allem die Idee einer "Vermischung der Rassen" löste bei einigen, auch
mächtigen Menschen, dieser Zeit Schweißbäder aus. Eine "Lösung" wurde in Form des so genannten Aborigines Act gefunden. Das Gesetz ermöglichte es den Weißen,
den Ureinwohnern ihre Kinder wegzunehmen um sie dann
systematisch den Sitten und Bräuchen ihrer Stämme, sowie ihrer Muttersprache zu
entwöhnen, mit dem Ziel den Aborigine in ihnen im Laufe der Generationen
wegzuzüchten.
"Denn wenn wir solche Kinder gut auf ihre Zukunft vorbereiten wollen, können sie
nicht so bleiben, wie sie sind. Und auch wenn er sich noch so sträubt, dem
Eingeborenen muss geholfen werden."
Auch Molly, Daisy und Gracie kommt diese "Hilfe" zuteil. Daisy, die jüngste von
ihnen, ist gerade einmal acht Jahre alt, als sie ihrer Mutter entrissen wird. In
ihrem neuen "Zuhause", einem strengen Erziehungsheim, das eher an ein Camp
erinnert, wird sie sich nie wohl fühlen. "Long Walk Home" bemüht sich das Heim
aus der Perspektive der Kinder darzustellen. So gibt es einige Szenen, in denen die
Kamera vom Blickwinkel der Kinder aus filmt. Tatsächlich gelingt es dem Film in
einigen Momenten die Verlorenheit, die Unsicherheit der Kinder einzufangen.
Das Hauptaugenmerk des Films liegt aber eindeutig auf der Flucht der drei Mädchen
und die darauf folgende Suche nach den entlaufenen Mädchen, die wie geflohene
Häftlinge gejagt werden. Es sind auffallend schöne Bilder, in denen die Flucht
dargestellt wird. In beeindruckenden Bildern wird die Schönheit und flirrende Hitze
der schier unendlichen Weiten des australischen Outbacks eingefangen. Kameramann
Christopher Doyle schuf schier atemberaubende Bildkompositionen und für den
Soundtrack zeichnete sich Peter Gabriel verantwortlich.
Es sind wunderschöne Bilder, die einem aber auch allzu leicht die Gefahren und
Tourtouren denen die Kinder ausgesetzt sind, vergessen oder unterschätzen lassen.
Der Film klammert vieles bewusst aus seiner Bilderwelt aus, er verzichtet auf die
Darstellung der Gewalt, vieles wird nur angedeutet. Dass die Wüste auch tödlich
sein kann, lässt sich nur durch das Statement eines Polizisten, dass er keinen
seiner Männer da zur Suche der Mädchen rausschicken würde, erahnen.
Long Walk Home ist nun mal auch ein Film für die Masse. Das zeigt sich vor allem
in den Verfolgungsszenen, in denen oftmals nur ein paar Meter die Mädchen von ihren
Jägern trennen. Das ist natürlich billig, funktioniert aber prächtig, wird man
doch als Zuseher immer wieder aufs Neue angehalten mit den Mädchen mitzufiebern.
Dass das ganze so gut funktioniert liegt aber auch an den famosen Darstellern. Ein
besonders Lob gilt an dieser Stelle den Laienschauspielern, die wirklich tolle
Arbeit geleistet haben und sich hinter etablierten Schauspielerkollegen wie Kenneth
Branagh nicht zu verstecken brauchen.
Und obwohl sich der Film eindeutig an ein Massenpublikum richtet, begeht er nicht
den Fehler in Kitsch zu versinken oder allzu sehr zu simplifizieren.
Long Walk Home lässt den Zuseher jetzt nicht unbedingt erschüttert oder allzu
betroffen zurück, viel mehr nachdenklich. Erfährt man doch aus dem Abspann, dass
man es nicht mit einer lang zurückliegenden Problematik zu tun hatte, sondern dass
das Gesetz bis Mitte der 70er Jahre existierte.
Auf der Grundlage der Geschichte dreier Halbaborigines, denen die Flucht aus einem der staatlichen Erziehungsheime gelang, schuf Phillip Noyce einen bildgewaltigen, melancholischen Film, der sich an einen Massenpublikum richtet, ohne jedoch allzu viele Zugeständnisse zu machen. Auch wenn die tatsächliche Härte des Loses der Aborigines oftmals nur angedeutet wird, entstand ein durchaus sehenswerter Film, sofern man sich auf die beeindruckenden Landschaftsaufnahmen einlassen kann.