SEXFILM: DEUTSCHLAND, 1972
Regie: Franz Josef Gottlieb
Darsteller: Hm?
Muntere Pärchen packen aus, wie es im Nebentitel so schön heißt: 5 Bumsepisoden aus dem Liebesleben junger Mädchen und eines homosexuellen Jungen.
In der Reihe "Was Cineasten nicht zu sehen wagen" kramt filmtipps.at diesmal ganz tief in der Schmuddelecke heruntergekommener Bahnhofkinos und präsentiert ein Filmerlebnis, das jeden Rechtfertigungsversuch zur Lachnummer werden lässt. Was aber vor zwanzig Jahren vielleicht noch gut genug fürs Nachtprogramm von RTL war, wird heute von ein paar Filmbegeisterten des Filmclub 813 ins Zentrum ihres 20-jährigen Jubiläums gestellt.
Dauerregen draußen, freier Eintritt und Freibier sorgten für einen - ähem - feuchten Abend unter Gleichgesinnten, Political Correctness ist an der Eingangstür irgendwie abhanden gekommen und die Dinge nehmen ihren Lauf. Die LIEBESSPIELE sind natürlich typisches Zotensexkino der 70er-Jahre, eine muntere, gepflegt niveaulose Mischung aus Schuldmädchen- und Hausfrauenreporten.
Die Episoden 2 und 4 kann man dabei getrost als 08/15-Bumsfallera mit den üblichen Peinlichkeiten abhaken und bedürfen keiner - räusper - tieferen Beschäftigung. Interessanter sind aber die übrigen drei Episoden. Etwa der Herr Papa, der im Entree seine Tochter in flagranti erwischt. Der ist nämlich Rohrverleger. Hö hö. Egal, es gilt den Ruf richtig zu ruinieren, also sagen wir es gleich: das Rohr ihres Freundes ist am Arsch, und da auch noch steckengeblieben. Fassungslosigkeit im Publikum, einige lachen. Ja, ab 2 Promille funktionieren die Gags richtig prima. Dann kommen noch der Wagenheber und das quietschende Abflussrohr ins Spiel, ich kapituliere, meine Stirn tut mir weh, ein Hö hö entweicht mir.
Aber das ist erst der Anfang, denn in der Mittelepisode nehmen sich aufgeklärte Eltern ihres homosexuellen Sohnes an und gönnen ihm eine Liebesnacht mit einer Professionellen, die den "Patienten" mittels lasziven Blicken und Lutscheinlagen mit Spargel und Stangensellerie zum Hetero bekehrt! Die Tracht Prügel, sozusagen die Ultima Ratio, kann der Vater also lassen, und die 300 Mark sind zwar schmerzhaft, aber immer noch günstiger als ein Arztbesuch. Uffza. Solch hochnotpeinliche Moralakrobatik bekommt man nicht alle Tage serviert, aber der erwartete Aufschrei bleibt aus. OK, so richtig bei der Sache ist zu diesem Zeitpunkt ohnehin niemand mehr, zu sehr benebeln die 70er-Jahre-Klamotten, die angedeuteten Ferkeleien und die ohrenschmeichelnde Stöhnmusik von Gerhard Heinz die Sinne.
Danach testen Schulmädchen, Freund und Lehrer gemeinsam die Stoßfestigkeit einer Matratze - unterm Bett! Muss niemand verstehen, inzwischen ist ohnehin alles egal. Nur wie will man das noch unterbieten? Egal, irgendwas geht immer noch.
Das Finale dieses eskalierten deutschen Fummelfilms: Sohn eines steinreichen Geschäftsmannes verliebt sich in Tochter einer Amüsierdame mit angeschlossenem Massagesalon. Quel Fauxpas! Quel Malheur! Eine Liebe, die nicht sein darf! Das Mädel sieht süß aus. Und was machen die beiden? Die Sau rauslassen? Zeigt sie ihm Mamas beste Massagegriffe? Nix da! Große Liebe, große Gefühle. Man trifft sich im Kino (standesgemäß zum Schulmädchenreport, Teil 3, Eigenwerbung "Was wir bislang nicht zeigen durften"). Lange Spaziergänge durch den Park. Herzschmerz beim Abschiednehmen am Bahnhof. Und Gerhard Heinz macht auf LOVE STORY. Ist irgendwie auch peinlich. Nur schämt sich keiner. Am allerwenigsten Gerhard, der es tatsächlich schafft, der Szene Leben einzuhauchen. Unfassbar.
Nach dem Film: Rede. Christos vom Filmclub redet von der cineastischen Freiheit, das zeigen zu dürfen. Und kündigt eine Pasolini-Reihe an. Klingt wie eine Entschuldigung. Ist aber so nicht gemeint. Er hat's sicher genossen. Wie der Rest auf irgendeine Art und Weise auch.
LIEBESSPIELE JUNGER MÄDCHEN zeigt hemmungslos wirklich alles. Nicht Sex. Das heißt, irgendwie schon. Ständig sieht man Pärchen poppen, aber wirklich was zu sehen gibt's nicht. Dafür gibt's jede denkbare Stammtischfantasie und verklemmten Humor anno 1972 zu bestaunen. Und das Wunder der Liebe. Hier ist es die Liebe zum Film. Die muss man nicht immer verstehen.