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Der Leichengießer

Der Leichengießer

OT: Crucible of Terror
HORROR: GB, 1971
Regie: Ted Hooker
Darsteller: Mike Raven, Mary Maude, James Bolam, Ronald Lacey

STORY:

DER LEICHENGIESSER ist fasziniert von weiblicher Schönheit und würde sie gerne für immer konservieren. Doch eventuell liegt der Mordserie in seinem Atelier ein noch dunkleres Geheimnis zugrunde…-

KRITIK:

Das Leben als Filmsammler ist ein bisschen vergleichbar mit dem eines großen Hais. Man hat immer Hunger und ist ständig auf der Suche nach Beute. Wie ein Hai also schwimmt der Sammler durch den Ozean der internationalen Onlineshops und Elektronikmärkte und meidet dabei Saugstuben wie die Pest. Stets ruckt sein Kopf hin und her, damit den Lorenzinischen (Film-)Ampullen auch bloß kein Leckerbissen entgeht. Meint er, etwas Interessantes ausgemacht zu haben, schwimmt er flugs hin und schnappt zu. Diese exzessive Art des Beutemachens hat Gutes wie Schlechtes. Zum einen findet der Sammler viele Köstlichkeiten, die weniger Filmfanatischen mit Sicherheit entgehen, zum anderen schluckt er -wie der Hai- auch viel mehr Müll. Und damit wären wir endlich beim LEICHENGIESSER.

DER LEICHENGIESSER! Wann immer ich auf diesen plump-prägnanten Titel gestoßen bin, hat er mich mit seinen gelben Zähnen angelacht. Hat mich irgendwie an meine early Horror-Days erinnert, als die Videotheken für mich geschlossen waren und ich als Realschüler, 5.Klasse vor der Schule zum Kiosk gepilgert bin, um mir das neueste John Sinclair-Heftchen zu kaufen.

Ein Überbleibsel aus meinen längst vergangenen Gorebauertagen ist wohl der Instinkt, dass jeder Flick, der sich je auf der umfangreichen, deutschen Filmverbotsliste befunden hat, zumindest grundsätzlich von Interesse ist. (Hier sei jedoch angemerkt, dass DER LEICHENGIESSER seine fünfundzwanzigjährige Haftstrafe auf eben jener Liste im September letztens Jahres abgesessen hat; Anm. d. V.) Lange Rede, kurzer Sinn: Als ich letztens gesehen habe, dass der Film von den englischen Amazonen für 3 Pfund vertickt wird, hat der Hai endlich zugeschnappt. Somit habe ich ihn für ungefähr soviel Englische Pfund erstanden, wie er Durchschnittspunkte auf der IMDB hat; die sind nämlich mit 3,3 beziffert. Doch wie wir auf unserer kleinen Website selbst so oft betonen: Wertungen sind nur Zahlen und meine Augen wollen sich immer selbst von der Qualität oder Nichtqualität eines Films überzeugen.

DER LEICHENGIESSER (oder CRUCIBLE OF TERROR wie sich - auch nicht schlecht - meine englische DVD nennt) ist schon irgendwie Müll. Aber Müll - da könnt ihr jeden Schrottplatzinhaber fragen - hat ja auch Schattierungen. Es gibt guten Müll und schlechten Müll. DER LEICHENGIESSER ist irgendwie mittelprächtiger Müll. Entstanden in Großbritannien Anfang der 70er, steht er ganz in der Tradition früher britischer Splattereien wie den Filmen von Norman J. Warren und noch mehr denen von Pete Walker. Auch wenn sein damaliges Verbot aus heutiger Sicht nicht mehr nachzuvollziehen ist, so geht ziemlich die gesamte Besetzung einem kruden Ableben entgegen. Da wird gleich zu Beginn eine Frau lebendig in Blei gegossen und danach hantiert ein behandschuhter Meuchelmörder munter mit Messer, Stein und Säure. Dabei blendet die Kamera nie weg und zeigt auch etwas Blut, aber nun wahrlich keine Goreeruptionen. Das wäre aber wohl auch ein bisschen zuviel verlangt für einen britischen Horrorfilm aus dem Jahr 1971.

Da CRUCIBLE OF TERROR jedoch das klassische Thema der makaber konservierten Schönheit behandelt, muss er auf jeden Fall auf seinen atmosphärischen Schauerwert abgeklopft werden. Und da legt er beim Schwanzvergleich mit ehrwürdigen Werken ähnlicher Natur wie DAS GEHEIMNIS DES WACHSFIGURENKABINETTS, HOUSE OF WAX, MÜHLE DER VERSTEINERTEN FRAUEN oder WAX MASK ganz eindeutig den kleinsten Pimmel auf den Tisch. 3,3 Punkte auf der imdb gerechtfertigt? Objektiv betrachtet, eventuell schon. Klarer Fall von Fehlkauf also? - Nun, nicht unbedingt. Obwohl man zunächst weitere Mängel auflisten muss: Das Atelier des Leichengießers hat definitiv ein Atmosphäreleck und auch Mike Raven in der Mad Artist-Rolle hat mehr von einem alten Gigolo, der dem Irrglauben verfallen ist, er wäre immer noch God`s Gift to young women als von der erhabenen Diabolik eines Vincent Price. Zur Krönung wird kurz vor Torschluss ein völlig absurdes Twist-Kaninchen aus dem Hut gezaubert und das kommentarlos von einer Szene auf die nächste plötzlich entstellte Gesicht einer Darstellerin muss wohl oder übel als spontane göttliche Fügung hingenommen werden.

Paradoxerweise hatte ich trotzdem nie das Verlangen die Stopp-Taste zu betätigen. Der Film hat nämlich dieses gewisse Etwas, welches eben nur solch krude Machwerke besitzen. Schon allein die Figurenkonstellation - bizarr: Da ist dieser olle Gigolo-Künstler, der seine schönen, jungen Modelle natürlich nicht nur malt, sondern regelmäßig auch betatscht. Er wohnt in einem Häuschen mit Oma-Tapeten an den Wänden zusammen mit seinem dicken, von Minderwertigkeitskomplexen geplagten Sohn und seiner Ehefrau; letztere mit Zöpfchen, Dachschaden und einer infantilen Liebe zu Kuscheltieren. Weiters im Haushalt leben dann noch ein flottes, bisexuelles Model und - ja - dieser an sich verhältnismäßig (!) normal wirkende Hausfreund, der allerdings unsterblich verliebt ist. Nein, nicht in das knackige Model, sondern in die beknackte Frau des Hauses… Doch uns ist ja bekannt, dass Horrorfilme nicht zwingend den Gesetzen der Logik gehorchen müssen.

Solcherlei illustre Figurensammlung, ein paar krude Morde und dazu noch das Schauspieldebüt von Me Me Lai, die kurz darauf in MONDO CANNIBALE 1 & 2 sowie LEBENDIG GEFRESSEN zum Leibgericht italienischer Kinokannibalen avanciert ist… Na, das war mir die drei englischen Pfund dann doch wert. Aber hier spricht der Sammler. Und wie eingangs geschildert trägt der doch irgendwie Gene in sich, die denen von Haien und Schrotthändlern nicht ganz unähnlich sind…

Der Leichengießer Bild 1
Der Leichengießer Bild 2
Der Leichengießer Bild 3
Der Leichengießer Bild 4
Der Leichengießer Bild 5
FAZIT:

"O, Darling! Du bist so schön. Ich möchte dich in Bronze gießen!", charmört der LEICHENGIESSER und lacht dreckig. - Ja, hier haben wir das klassische Horrormotiv vom fanatischen Künstler, der für seine morbide Kunst auch vor Mord nicht zurückschreckt. An sich ein nettes Thema, nur ist Mike Raven, der hier den Mad Artist gibt, kein Vincent Price und DER LEICHENGIESSER nicht mal halb so atmosphärisch wie DAS KABINETT DES PROFESSOR BONDI. Doch Ted Hooker sieht sein Werk wohl ohnehin eher in der Tradition der frühen, britischen Splattereien aus den Siebzigern. Mit kruden, aber nach heutigen Maßstäben eher harmlosen Mordszenen, hat sich DER LEICHENGIESSER lange Zeit für eine bundesdeutsche Indizierung qualifiziert, wurde aber kürzlich wegen Zeitablaufs von der Liste gestrichen. Für den Gorehound lohnt sich der Film kaum und für den Freund klassischer Gruselfilme nicht wirklich. Einzig allein nicht so wählerische Freaks könnten hier zuschlagen, weil das gewisse obskure Etwas ist dem LEICHENGIESSER nicht abzusprechen. Wenn man von der vergleichsweise schwachen Machart des Films absieht, besitzt er dennoch diese spezielle abseitige Craziness, die eben nur solchen kruden Machwerken eigen sein kann. Objektiv gibt es lediglich, für den Schrottliebhaber jedoch mehrwertige, weil starke, in Blei gegossene

WERTUNG: 4 von 10 weiblichen Bronzestatuen von unsterblicher Schönheit
TEXT © Christian Ade
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