OT: L.A. Confidential
NEO-NOIR: USA, 1997
Regie: Curtis Hanson
Darsteller: Kevin Spacey, Russell Crowe, Guy Pearce, Kim Basinger, Danny DeVito
Los Angeles in den frühen 50ern. Drei sehr unterschiedliche Polizisten im berüchtigten LAPD mögen sich nicht: Sergeant Jack Vincennes (Kevin Spacey) arbeitet im Drogendezernat und als technischer Berater für die Polizei-TV-Show "Badge of Honor". Außerdem spielt er dem Herausgeber des Klatschblattes "Hush Hush" Sid Hudgens (Danny DeVito) regelmäßig vertrauliche Informationen zu. Officer Bud White (Russell Crowe) ist von eher schlichtem Gemüt und rastest aufgrund eines kindlichen Traumas bei von ihm beobachteter Gewalt gegen Frauen regelmäßig völlig aus. Lieutenant Edmund Exley (Guy Pearce) hingegen ist ein ebenso smarter wie aalglatter Karrieretyp, der alles dafür tut, um seinem im Polizeidienst ermordeten Vater nachzueifern.
Dann führt die drei die Suche nach den Mördern des "Night-Owl-Massakers", eines Massenmords in einem Schnellrestaurant, ungewollt zusammen. Die Täter scheinen auch recht schnell gefunden und der Fall somit erfolgreich abgeschlossen zu sein. Doch da aufgrund verschiedener Umstände weiterhin Zweifel bestehen bleiben, bohren die drei auf ihre jeweils eigene Art weiter nach möglichen anderen Verantwortlichen. Dabei stoßen sie auf Abgründe, von denen sie zuvor nicht einmal zu träumen gewagt hätten ...
Mit Buchverfilmungen ist das ja so eine Sache. In der Regel wird nachher gesagt, die Verfilmung reiche nicht an das Buch heran. Und die hochkomplexen Romane des Kriminalautors James Ellroy stellen sicherlich einen deutlich erhöhten Schwierigkeitsgrad für jede Filmadaption dar. Viele Verfilmungen seiner äußerst erfolgreichen Bücher hat es unter anderem aus diesem Grund auch noch nicht gegeben. Denn von der nicht wirklich hollywoodtauglichen derben Sprache, den verkommen Charakteren und dem abgründigen Geschehen einmal abgesehen, stellt sich bei Ellroy schon die Frage, wie man seine dicken, durchkonstruierten Wälzer in eine übliche Spielfilmlänge umwandeln kann.
Brian De Palmas viel gerügte Verfilmung des ersten Teils von James Ellroys L.A.-Tetralogie THE BLACK DAHLIA aus dem Jahre 2006 versuchte recht brav die Buchvorlage in knapp zwei Stunden Film zu pressen. Meiner Ansicht nach ist dies auch trotz der hierbei unumgehbaren Abstriche gut gelungen. Denn was an Komplexität der Romanvorlage verloren ging, holt De Palma mit seiner gewohnt brillianten Inszenierung heraus. Wenn der Film, den ich im übrigen sehr liebe, trotzdem insgesamt schwächer als das Buch ausfällt, dann liegt dies viel eher an den deutlich flacheren Charakteren.
Einen ganz anderen Weg sind eine Dekade zuvor der Drehbuchautor Brian Helgeland (MYSTIC RIVER) und der Regisseur Curtis Hanson (8 MILE) mit dem Film L.A. CONFIDENTIAL gegangen. Anstatt überhaupt erst zu versuchen, die im Vergleich zu THE BLACK DAHLIA noch weit komplexere Geschichte des dritten Teils von Ellroys L.A.-Quartett adäquat auf die Große Leinwand zu bannen, haben sie die Romanvorlage einfach als reines Rohmaterial für eine nur ähnliche Geschichte betrachtet. Im Vergleich zur Romanvorlage sind reihenweise ganze Handlungsstränge unter den Tisch gefallen, zum Teil wurden verschiedenen Charaktere zu einer einzigen Person verschmolzen und auch ganze Buchpassagen wurden einfach komplett umgeschrieben.
Anstatt sich also sklavisch an die Vorlage zu halten, haben Helgeland und Hanson gleich zu Beginn ihrer Zusammenarbeit entschieden, dass sie sich bei ihrer Version von L.A. CONFIDENTIAL nicht an der Handlung, sondern an den Charakteren orientieren würden. Nur einige den beiden wichtige Schlüssel- und Lieblingsszenen wie z.B. die Schlägerei im Zellentrakt und das Night-Owl-Massaker haben es bis ins Drehbuch geschafft. Beibehalten wurde hingegen die multiperspektivische Erzählweise aus der Sicht der drei sehr unterschiedlichen Cops. Und im Gegensatz zu Brian De Palmas Film wurden alle drei Hauptdarsteller auch mit passenden Charakterdarstellern besetzt. Hierbei hatte Curtis Hanson sehr darauf geachtet, nicht nach großen Namen Ausschau zu halten, sondern sich einzig am tatsächlichen Können der potentiellen Kandidaten zu orientieren.
Heute mutet das gemeinsame Auftreten schauspielerischer Schwergewichte wie Kevin Spacey (AMERICAN BEAUTY), Russell Crowe (AMERICAN GANGSTER) und Guy Pearce (MEMENTO) in einem Film zwar genau wie solch ein Schielen nach großen Namen an. Doch tatsächlich war nur Kevin Spacey zu diesem Zeitpunkt bereits ein Star, Russell Crowe hatte sich hingegen erst mit seiner Rolle in dem australischen Skinhead-Drama ROMPER STOMPER empfohlen und Guy Pearce wurde überhaupt erst durch L.A. CONFIDENTIAL bekannt. Hinzu kam, dass der Regisseur sehr mit dem verantwortlichen Studio kämpfen musste, um diesem schmackhaft zu machen, dass er gleich zwei Hauptrollen in einem so uramerikanischen Filmgenre, wie dem Film noir, mit Ausländern besetzen wollte.
Jedenfalls kann gesagt werden, dass sich genau diese Entscheidung des Regisseurs als goldrichtig erwiesen hat. Denn in L.A. CONFIDENTIAL haben wir es so auch im Film mit drei absolut gleichberechtigten Hauptakteuren zu tun. Aber nicht nur diese, sondern auch alle größeren und kleineren Nebenrollen sind in diesem Film schlicht und ergreifend absolut perfekt besetzt. Ebenso brillant wie das Spacey-Crowe-Pearce-Dreigespann sind z.B. auch Kim Bassinger in der Rolle der Edelnutte Lynn Bracken, Danny DeVito als ebenso spaßiger wie schmieriger Klatschreporter Sid Hudgens und auch James Cromwell als der schwer durchschaubare Captain Dudley Smith.
L.A. CONFIDENTIAL ist also ein hundertprozentiger Schauspielerfilm. Das hervorragende Spiel aller Beteiligten alleine wäre bereits genug gewesen, um dies zu einer hervorragenden Literaturverfilmung zu machen. Aber hiermit sind die speziellen Qualitäten des Films noch bei weitem nicht erschöpft.
Ebenfalls herausragend ist auch das bis ins letzte Detail durchdachte Drehbuch von Brian Helgeland. Ganz ähnlich wie in der Romanvorlage von James Ellroy wird der Zuschauer zunächst mit einer Vielzahl an zunächst scheinbar unzusammenhängenden Einzelszenen konfrontiert, die sich erst ganz am Ende zu einem Gesamtbild zusammenfügen. Und auch, wenn sich Helgeland im Detail recht wenig um Werktreue schert, so gelang ihm eine ebenso spannende und ähnlich komplexe Version von L.A. CONFIDENTIAL, wie die des durchgeknallten Ex-Pharma-Wattebäuschen-Schluckers James Ellroy. Jener hat auch ganz klar geäußert, dass der Film eine andere, aber absolut gleichberechtigte Version seiner Geschichte geworden ist.
Im Gegensatz zu der James Ellroy-Verfilmung von Brian De Palma stellt Curtis Hanson sein inszenatorisches Können in L.A. CONFIDENTIAL nicht gesondert aus. So ist mir erst beim wiederholten Betrachten dieses Films wirklich aufgefallen, wie hervorragend hier auch die Regiearbeit ist. Auch bei der Wahl der Schauplätze hatte der Regisseur extra darauf geachtet, dass der Film kein typisches historisches Bildermärchen, sondern ein "casual period piece" wird, also oft auch ganz gewöhnlich wirkende, aber deshalb nicht minder historisch exakt rekonstruierte Schauplätze zeigt.
All dies trägt entscheidend dazu bei, dass in L.A. CONFIDENTIAL tatsächlich die Geschichte, und nicht wie inzwischen zumeist in Hollywood üblich, die prächtige Optik im Vordergrund steht. Und auch, wenn es sich hierbei um eine im Prinzip relativ gewöhnliche Kriminalgeschichte handelt, so wartet der Film doch mit einem Mehrwert auf, indem er zahlreiche die damalige Zeit prägende Themen am Rande erwähnt. Neben der für Ellroy typischen Darstellung der damaligen Verkommenheit des LAPD, sind dies Themen, wie die Geburt des heutigen Starkults und dessen bereits bizarre Auswüchse in den 50er-Jahren oder auch der beginnende Einzug des Verbrechens in die zunehmend an Einfluss gewinnenden Massenmedien.
Doch all diese im Film untergebrachte Themenvielfalt und seine handwerklich absolut perfekte Machtart können nicht wirklich darüber hinwegtäuschen, dass das Rad bzw. der Film noir mit L.A. CONFIDENTIAL nicht wirklich neu erfunden wurde. Aber ist dies tatsächlich ein ernst zu nehmender Minuspunkt? Ich würde sagen, dass in diesem Fall sogar eher das Gegenteil zutrifft. Denn ganz ähnlich wie zwei Dekaden zuvor Roman Polanski mit CHINATOWN, so hat auch Curtis Hanson mit L.A. CONFIDENTIAL erneut bewiesen, dass man ein bereits zeitloses Genre nicht erst aktualisieren muss, um einen gleichermaßen zeitlosen Film zu erschaffen.
Und so ist dieser Film neben dem von Polanski schon heute ein gleichfalls zeitloser Klassiker, der bis zum heutigen Tag die Messlatte für jeden neuen klassischen Neo-Noir äußerst hoch hängt. Zuletzt bleibt nur noch zu bemerken, dass diese beiden Meisterwerke sich sicherlich auch deshalb durch eine ähnlich dichte Atmosphäre auszeichnen, da in beiden Werken der Filmkomponist Jerry Goldsmith für den Soundtrack verantwortlich war.
Wenn man nur zwei klassische Film noirs der jüngeren Filmgeschichte nennen soll, welche den Geist der ursprünglichen Schwarzen Serie ohne Abstriche (und auch ohne unnötige Neuerungen) in das Zeitalter des Farbfilms transportiert haben, so sind dies ganz eindeutig Roman Polanskis CHINATOWN und Curtis Hansons L.A. CONFIDENTIAL.