HORROR: USA, 2015
Regie: Michael Dougherty
Darsteller: Adam Scott, Toni Colette, David Koechner, Allison Tolman
Eine amerikanische Großfamilie kommt zum Weihnachtsfest zusammen. Die Feier wird durch schwelende Konflikte, blankliegende Nerven, einen großflächigen Stromausfall und merkwürdige Geräusche vom Dachboden erheblich gestört. Die österreichische Großmutter beschleicht die Vermutung, dass eine übernatürliche Kreatur aus ihrer Heimat drauf und dran ist, das Fest der Liebe nachhaltig zu versauen.
Ihr liberalen Großstadt-Weicheier, die ihr euren überbehüteten Nachwuchs mit dem Hybrid-SUV in den veganen Montessori-Kindergarten bringt, habt natürlich keine Ahnung, wer oder was ein "Krampus" ist. (Meine Rechtschreibprüfung übrigens auch nicht.)
Aber dort, wo der Autor dieser Zeilen aufgewachsen ist, in einem finsteren Tal der südlichen Alpen nämlich, wo ein Mann noch ein Mann, ein Schnaps noch ein Schnaps und eine Tracht Prügel noch eine Tracht Prügel ist, dort kennt und fürchtet den Krampus jedes Kind.
Christoph Waltz hat den Versuch unternommen, die zottelige Schreckensgestalt aus den Alpen dem amerikanischen Publikum zu erklären. Offensichtlich mit Erfolg: Der österreichische Kulturexport Krampus ist zu Hollywood-Ehren gekommen.
KRAMPUS - der Film, um den es hier geht - beginnt durchaus vielversprechend. Beim nicht gerade friktionsfreien weihnachtlichen Zusammentreffen einer dysfunktionalen Großfamilie, deren Kalorien-, Alkohol- und Beruhigungsmittelkonsum epische Ausmaße annimmt, blitzt erfreulich subversiver, ätzender Humor auf. Die junge US-Horror-Avantgarde um David Wingard ("YOU'RE NEXT") oder E.L.Katz ("CHEAP THRILLS") lässt grüßen. Allerdings nur für sehr kurze Zeit.
Nach der gelungenen Exposition schaltet der vom Major-Studio Universal um gewiss nicht wenig Geld produzierte Film in den braven, berechnenden Mainstream-Modus zurück. Das Motto lautet wohl: Zielgruppen-Maximierung um jeden Preis. Bloß nichts riskieren. Nicht zu viele garstige Kraftausdrücke. Und Blut höchstens in homöopathischen Dosen, damit sich das PG-13-Rating ausgeht.
Der Krampus himself zeigt seine Fratze in guter Monsterfilm-Tradition erst ganz am Ende. Vorher betreten allerlei höllische Heerscharen die Szenerie, die Regisseur Michael Dougherty als ein etwas beliebiges Mash-Up aus Publikumslieblingen der jüngeren Horrorfilm-Geschichte präsentiert. Ein sabbernder Killer-Clown lässt eher from outer space grüßen als von Stephen King. Das Design der Krampus-Masken erinnert verdächtig an THE PURGE, während allerlei verhaltensauffälliges dämonisches Spielzeug für Kurzweil in Chucky-Manier sorgt. Tremors-artige Kriechtiere verwandeln die zugeschneite Suburbia-Siedlung ins Land der Raketenwürmer, und auch die Gremlins - oder waren es die Critters? - schauen kurz auf einen (amoklaufenden) Lebkuchen vorbei. Das ist auch ganz amüsant, obgleich Spannungserzeugung nicht unbedingt Doughertys Stärke ist. Langweilig ist KRAMPUS aber keineswegs. Dafür passiert einfach zu viel Bizarres.
Der gruseligste Einfall war, die Wiener Schauspielerin Klara Stadler mit einem bizarren Fake-vorarlberger Dialekt zu synchronisieren. Ach ja, die Schauspieler: Die sind eigentlich das Beste an diesem Wannabe-Weihnachts-Gruselkomödien-Blockbuster. Toni Colette kennt man aus Filmen wie MURIELS WEDDING, LITTLE MISS SUNSHINE oder auch DEAL GIRL. David Koechner hat in ANCHORMAN 2 frittierte Fledermäuse als Chicken Wings verkauft und in CHEAP THRILLS viel Geld für zynische Mutproben ausgegeben. Adam Scott war "der Bart" in Ben Stillers WALTER MITTY und Allison Tolman kennen TV-affinere Zeitgenossen als der Autor dieser Zeilen bestimmt aus der Serie Fargo.
With a little Help from Christoph Waltz hat der Krampus hat seinen Weg aus den finsteren Alpentälern der österreichischen Provinz nach Hollywood gefunden. Herausgekommen ist eine recht bizarre, aber auch etwas halbgare Mixtur aus (halbwegs) subversiver Gesellschaftssatire und familienfreundlichem Horrorfilm (Widerspruch in sich). Interessant ist der Film auf alle Fälle. Aber ist er auch gut? Naja, sagen wir: Auf seine charmant-patscherte Art ist er zumindest sehr unterhaltsam. Und damit irgendwie auch sehr österreichisch ...