KRIMI: USA, 2005
Regie: Shane Black
Darsteller: Robert Downey Jr., Val Kilmer, Michelle Monaghan
Der Kleinkriminelle Harry Lockhart hat es, wie es sich für einen Kleinkriminellen gehört, nicht leicht. Zunächst wird sein Freund bei einem Raub von der Polizei erschossen und dann wird er noch auf einer Party in L.A. auch noch ziemlich mies zur Sau gemacht (Hollywood-Style), als er sich als er einen auf edlen Ritter machen will. Moment, wie Harry auf die Party gekommen ist? Das, äh, ist keine andere Geschichte, sondern immer noch die Geschichte des Zauberlehrlings Harold dem Großen. Was? Wieso Zauberlehrling? Ach, habe ich vergessen zu erwähnen, dass Harry ein kleiner Zauberer war? Mann, bin ich ein schlechter Erzähler. Also noch mal von vorne.
KRITIK:"Manche Filme muss man schlicht mögen." Diese abgedroschene Phrase - das Zunichte machen jeglicher objektiven Reflexion oder die Akzeptanz etwaiger negativen Kritik, so sehr sie auch verschmäht wird - manchmal trifft sie den sprichwörtlichen Nagel auf den Kopf. Manche Produkte unserer Popkultur (sei es nun Literatur, Musik oder Film) besitzen einen unübersehbaren Charme, sind durchzogen von Charisma und Sympathie, die man, trotz ihrer vielleicht offensichtlicher Mängel, nicht absprechen kann beziehungsweise dies vielleicht nicht einmal will. Und ja: KISS KISS BANG BANG ist ein solcher Film.
Das hat mehrere Gründe: zum Einem, siedelt sich Shane Blacks (den man laut diverser Filmberichte und Seiten anscheinend kennen sollte) Werk im stets willkommenen Genre der Kriminalkomödie an, eben ein Genre, welches ich zumindest seit meinen frühen Jahren immer wieder gerne begutachtet und genossen habe und ebenso ein solches, welches auch durchaus wichtige und besondere Werke hervorgebracht hat (man nehme das Paradebeispiel der Krimikomödie PULP FICTION, auch wenn Tarantinos Episodenwerk noch mehr ist als "nur" das, oder Hitchcocks wunderbar schwarze IMMER ÄRGER MIT HARRY und in gewisser Weiße auch NORTH BY NORTHWEST). Oder das überaus pointierte und gut durchdachte Drehbuch. Oder die zwei grandiosen Hauptdarsteller. Oder die gesunde Priese Hollywoodhass, die dem witzigen Plot den nötigen Hauch Zynismus und Ironie einflößt. Oder - bevor ich mich noch weiter in unkommentierte Details verlaufe, erzähle ich dann doch lieber, wieso es sich bei diesem Film um einen stets willkommenen und überaus sympathischen Gast im DVD-Laufwerk handelt. Also noch mal von Vorne.
Harry (Robert Downey Jr.) meets Harmony (Michelle Monaghan) meets Gay Perry (Val Kilmer) und diese Drei treffen durch Zufall auf sehr böse Dinge. Was zunächst als Routineauftrag beginnt, entwickelt sich dann zu einem echten Ausnahme(mord)fall, der sich wiederum zu einem Verwirrspiel entwickelt, welches dann irgendwann bei dem vom Pech verfolgten Harry mündet, der sich als zentrale Figur eines weiteren Verwirrspiels entpuppt. Soviel zur Story, die genüsslich alle Register einer klischeebelasteten Hardboiled-Novel zieht nur um sie in Twists und Pointen wieder über den Haufen zu werfen, stets im Spiel mit den Erwartungen des Publikums. Dieses wird schon von Beginn an, an der Nase herumgeführt, da - vor allem in der ersten Hälfte des Filmes - nie wirklich klar ist, in welche Richtung sich der Plot entwickelt. Lakonisch aus dem Off erklärt der Charakter Robert Downey Jrs seine Situation und den Stand der Dinge und offenbart sich dabei nicht selten als "schlechten Erzähler". Apropos Erzählung; Wände, vor allem vierte, haben bei KISS KISS BANG BANG wenig Bedeutung und sind höchsten da, um eingerissen zu werden. Nicht nur einmal wendet sich die Erzählstimme und das -bild an die Zuschauer und macht diese oft ironisch, oft ernst aber nie lächerlich darauf aufmerksam, dass er oder sie einen Film sieht, der nicht selten abgedroschen und unglaubwürdig wirkt, "aber so ist es nun mal wirklich passiert." Pech gehabt, lieber Zuseher, wem es nicht passt, der soll abschalten.
Doch das werden wir nicht. Zu groß ist der Genuss zur Abwechslung mal ein auf jeder Ebene funktionierendes Leinwandpaar (Kilmer & Downey Jr.) zu beobachten, die auch noch sichtlich Spaß an ihrer Arbeit hatten. So professionell viele Akteure und Akteurinnen auch agieren können, das Charisma und den Humor den die beiden Hauptdarsteller an den Tag legen, bleibt in den meisten Fällen unerreicht. Da kann Nathalie Portman schon mal bis zur Schmerzensgrenze spielen, oder Heath Ledger sich als Joker in den Wahnsinn treiben - und dem Genuss einer oscarreifen Darstellung beizuwohnen wird hier auch nicht abgesprochen - doch mir bereitet es durchaus mehr Freude einem spielfreudigen Val Kilmer zu zusehen, als einem spielwütigen Nicolas Cage (nur als Beispiel). Lachen ist nun mal ansteckend und ungespieltes Lachen umso mehr. Hinzu kommt ein beinahe perfektes Timing bezüglich der Dialogregie; das wahrscheinlich auf das letzte Komma durchdachte Script wird von jedem Schauspieler in einem bemerkenswerten Tempo und Feingefühl runtergespielt, so dass man die Pointen und Witze oft gar nicht mitbekommt, so gebannt ist man von der überzeugenden Chemie, die Shane Black seinen Figuren verpasst hat. Große Bewunderung hier meinerseits, die Dialoge können es auf jeder Eben mit denen eines oscarprämierten Aaron Sorkins (THE SOCIAL NETWORK) aufnehmen.
Des Weiteren sprießt der Film von satirischen Seitenhieben auf die Filmindustrie, oft schwingt ein zynischer Unterton über Hollywood und das Leben in der Stadt der Engel mit, und der Film selbst spielt mit Referenz innerhalb seiner eigenen Filmwelt. Kurze Sequenzen über gefallene Stars, Werbeunterbrechungen über fischfressende Bären und hawaiianische Joe Pescis, der Film macht, nicht zuletzt wegen der kleinen Details die er nie zu offensichtlich präsentiert, unglaublichen Spaß und auch wenn Shane Blacks Drehbuch oft etwas hasserfüllt auf diese verkorkste Stadt blickt, ist es nie zu hasserfüllt um nicht liebenswürdig zu wirken.
Und dennoch. Bei allen Lorbeeren, die ich dem Film aufsetzen will, etwas fehlt zu dem zeitlosen Klassiker. Es liegt sicherlich nicht an den Schauspielern oder an der Geschichte und schon gar nicht an dem famosen Drehbuch. Nein, auf diesen Ebenen schafft es der Film durchaus zu überzeugen, doch wenn ihm etwas fehlt, ist es vielleicht die letzte visuelle, persönliche Note, die Black vergessen hat hinzuzufügen. Denn so ist es letzten Endes doch: große Regisseure würzen ihren Film stets mit einer Priese "Unverkennbarkeit", das gewisse Etwas, welches den Film letzten Endes persönlicher und somit einzigartig-er erscheinen lässt. Darüber lässt sich natürlich streiten, und die Relevanz dieses Sachverhaltes mag durchaus als nichtig bezeichnet werden, dies lässt aber nicht darüber hinwegsehen, dass genau dieser Punkt dazu geführt hat, dass der Name Shane Black (und auch der Film KISS KISS BANG BANG) den Wenigsten ein Begriff ist: zu sehr sieht sein Film nach Massenware aus, zu wenig zeichnet sich eine individuelle Präsentation und Stil ab. Es muss immerhin schon etwas bedeuten, wenn ein Film einen Award zum "Overlooked Film of the Year" überreicht bekommt. Leider, denn Blacks Film ist über die Grenzen des Genres hinaus ein überaus bemerkenswerter Film, der mit viel Originalität und Witz in die Erinnerung der Zuschauer haften bleibt oder auf jeden Fall bleiben sollte.
Shane Blacks Film ist eine erfrischend originelle und abwechslungsreiche Kriminalkomödie, die sich nicht an die vorgegebenen Grenzen halten will und stets mit witzigen Elementen überrascht. Ein gut gelaunter und spielfreudiger Cast macht das ganze auch noch auf schauspielerischen Ebene zum Genuss und das originelle Drehbuch unterhält mit spannenden, witzigen und pointierten Wendungen. Letzten Endes ist KISS KISS BANG BANG nicht nur eine amüsante Erzählung, sondern auch eine zynische Abrechnung mit einer oberflächlichen Stadt und der Filmindustrie. Als letztes Statement steht der Film dann für sich, in dem er dem Zuschauer den Wunsch einpflanzt, dass doch mehr Filme mit soviel Liebe, soviel Rasanz und soviel Witz geschrieben und inszeniert sein sollten.