OT: Seagull Island/L´isola del gabbiano
GIALLO: GB, 1981
Regie: Nestore Ungaro
Darsteller: Jeremy Brett, Nicky Henson, Prunella Ransome, Pamela Salem
Die Britin Barbara Carey (Prunella Ransome) fliegt nach Rom, um ihre blinde Schwester Mary Ann (Sherry Buchanan) zu besuchen, die dort an einer Akademie für Klassische Musik eingeschrieben ist. Doch Mary Ann ist spurlos verschwunden. Barbara sucht deshalb Hilfe bei Martin Foster (Nicky Henson), einem Angestellten der Britischen Botschaft und bei dem Polizeiinspektor Casati (Fabrizio Jovine).
Casati vermutet, dass es eine Verbindung zwischen Mary Anns Verschwinden und dem ungelösten Fall einer mit ausgestochenen Augen am Grunde des Ozeans festgebundenen toten Frau geben könnte. Alles deutet auf einen verrückten psychopathischen Killer mit einer Vorliebe für blinde Frauen hin. Dann lernt Mary Ann auch noch den mysteriösen David Malcolm (Jeremy Brett) kennen, der eine besondere Zuneigung zu blinden Mädchen zu haben scheint. Sie gibt sich selbst als blind aus und freundet sich mit Malcom an und zieht mit ihm auf die mysteriöse Seemöwen-Insel...
KRITIK:SEAGULL ISLAND war eine britisch-italienische TV-Miniserie, die Anfang der 80er nur in den beiden an der Produktion beteiligten Ländern gesendet wurde. Allerdings scheinen die damaligen Einschaltquoten nicht allzu berauschend gewesen zu sein. Deshalb wurde der Fünfteiler von seinen ursprünglichen Fünf Stunden Laufzeit auf gute 100 Minuten zusammengeschnitten und kam dann als THE SECRET OF SEAGULL ISLAND auf Video heraus.
Auch in Deutschland erschien dieser Film unter dem Titel KILLERMÖWEN GREIFEN AN auf VHS. Allerdings ist dies einer jener typisch unpassenden Umbenennungen des ursprünglichen Filmtitels, die nur noch sehr wenig mit dem tatsächlichen Filminhalt zu tun haben, bei denen einfach versucht wurde, auf eine sich gerade in Mode befindende Filmwelle aufzuspringen. Im Falle von SEAGULL ISLAND versuchten die deutschen Verleiher offenbar von der zu dieser Zeit gerade tobenden Tierhorrorwelle zu profitieren.
Doch auch, wenn in SEAGULL ISLAND in einer Szene tatsächlich eine Frau von Möwen attackiert wird, so handelt es sich bei diesem Film keineswegs um einen jener Tierhorror-Streifen, in welchem die Menschen von in Massen auftretenden Biestern gedrängt werden. Die Handlung dieser TV-Miniserie ist ein klassischer Mystery-Stoff, der Elemente des Frühgiallos mit einem typisch britischen Murder-Mystery verknüpft. - Die Mehrzahl der tragenden Rollen sind mit britischen Darstellern besetzt. Unter diesen glänzt insbesondere der Shakespeare-Mime Jeremy Brett. Aber auch die restliche Darstellerriege weiß durchaus zu gefallen. Der Regisseur Nestore Ungaro ist, wie der Name bereits vermuten lässt, jedoch ein Italiener.
Dieser Nestore Ungaro ist ein relativ unbeschriebenes Blatt und SEAGULL ISLAND sein bis heute einziger Spielfilm, für den er die Hauptverantwortung getragen hat. Zuvor war er jedoch bereits an anderen Filmprojekten, wie z.B. TENTACLES (1977) als Spezialist für Unterwasseraufnahmen beteiligt gewesen. Und diese Tatsache kommt SEAGULL ISLAND sehr zu Gute: So sind es insbesondere die schönen Unterwasseraufnahmen, die in Verbindung mit Tony Hatchs gelungenem Score besonders zu gefallen wissen. Ansonsten ist die Inszenierung eher unspektakulär ausgefallen, aber für eine Fernsehserie ist sie trotzdem sehr solide geraten.
Das größte Problem, dass SEAGULL ISLAND hat ist, dass die ursprüngliche Fernsehfassung komplett verschollen zu sein scheint. So basiert diese Review auch auf der heute als einziges zugänglichen VHS-Fassung. Und diese musste, wie bereits gesagt, ja sehr beträchtlich Federn lassen. Auf ein Drittel der ursprünglichen Laufzeit zusammengeschnippelt blieb nur noch ein verstümmelter Torso zurück. Und zahlreiche harte Schnitte machen es auch für den Unwissenden nahezu unübersehbar, dass hier ganz offensichtlich ganze Handlungsstränge dem Messer zum Opfer gefallen sind.
Unter Anbetracht dieser Tatsache funktioniert THE SECRET OF SEAGULL ISLAND dann aber doch noch überraschend gut. Und da der Film auch so noch ein ganzes Weilchen bracht, bis er so richtig in die Gänge kommt, bin ich mir auch nicht wirklich sicher, ob die ursprüngliche Fernsehfassung der späteren VHS-Version tatsächlich wirklich überlegen war... Jedenfalls haben wir es jetzt mit einem recht fluffigen Filmvergnügen zu tun. Und wenn die Killermöven erst mal so richtig in Fahrt gekommen sind, dann schlagen sie auch so manchen unerwarteten Haken. - Das gelungene Ende setzt mit seiner überraschenden Auflösung und seinem herrlichen Overacting dem Ganzen noch ein schönes Sahnehäubchen auf. So kann hier insgesamt trotz aller vorhandenen Mängel eine eindeutige Empfehlung ausgesprochen werden.
SEAGULL ISLAND war eine britisch-italienische TV-Serie Anfang der 80er, die heute in den Tiefen des Ozeans zu schlummern scheint. An die Oberfläche kommt höchstens einmal die als THE SECRET OF SEAGULL ISLAND umbetitelte und in Deutschland als KILLERMÖWEN GREIFEN AN erschienene Videofassung. Diese ist auf ein Drittel der ursprünglichen Laufzeit gekürzt und holpert deshalb öfter mal unübersehbar vor sich hin. So ist dies jedoch auch ein recht kurzweiliges Murder-Mystery geworden, dass mit schicken Unterwasseraufnahmen und einem grandiosen Finale glänzt.