GROTESKE: USA, 2010
Regie: Gregg Araki
Darsteller: Thomas Dekker, Juno Temple, Kelly Lynch, Haley Bennett, James Duval, Chris Zylka
Eine Gruppe von College-Studenten rund um den sich jeglicher sexueller Orientierung verweigernden Smith (Thomas Dekker) wird in einen Strudel aus "Random Sex" (man verzeihe diesen Anglizismus, ich weiß nicht wie das auf Deutsch heißt) und Weltuntergangsverschwörungsektenarrmegeddon hineingezogen. Wie auch immer.
KRITIK:Verdammt, schon wieder Viennale, schon wieder einige Stunden bevor die Vorverkaufskassen öffnen, schon wieder ohne Programm, schon wieder keine Lust auf meinem winzigen Bildschirm das Programm online zu lesen. Machète? Eh klar. Aber zwei Filme brauch' ich noch, damit ich sagen kann ich war dabei. Der neue Alex de la Iglesia? Zu faul mir den Inhalt durchzulesen. Der neue Breillat? Hmmm. Godard? Nicht schon wieder. Vincent Gallo als Taliban. Schaut sich sicher der Harald an und schreibt eine viel lustigere Kritik als ich.
Nein - hat der alte Depp leider versäumt. (Anmerkung d. Red.)
Kaboom! Simpler Titel. Tippt sich schnell auf Youtube. Trailer voller wunderschöner nackter Menschen, lustigen Sprüchen. "Hey Dude, it's a vagina, not a bowl of spagetthi." Hahaha.
Okay, was soll's, nehm ich. Frage meine Freundin ob sie mit mir hingeht. Nein. Frage sie wieder. Nein. Frage sie wieder. Nein. Frage sie wieder, zeige ihr den Trailer. Meine Güte, warum siehst du dir nur sinnlose Filme an. Teenagerfilme. Als wir zusammenkamen, hast du so getan, als würdest du dir nur Kunstfilme ansehen. In Wahrheit schaust du nur Actionfilme und Schaß. Aber nein, ich hab doch gelesen, das ist sowas wie Donnie Darko. Sag ich ihr aber nicht, weil ich dachte, das wird mir nicht weiterhelfen, obwohl ich inzwischen weiß, sie liebt Donnie Darko. Eh klar, deswegen ist sie ja meine Freundin;-)
Ich frage sie wieder. Nein. Ich frage sie wieder. Bin verzweifelt. Nein. Ich frage sie wieder. Sie wird weich. Endlich. Wir wandeln an einem, gemessen an den Tagen davor, obwohl feucht, wunderschönen, weil relativ warmen, Montagabend durch den Wiener Stadtpark.
Dann startet der Film. Ein zehnminütiges Dauerfeuerwerk an Sex, Humor, Selbstironie brennt auf der Leinwand ab und sie lacht am allerlautesten. Ich kanns mir einfach nicht verkneifen und meine ganz süffisant, dass wir jederzeit gehen können, wenn es ihr nicht gefalle. Sie beißt mir in die Hand. Ich bin glücklich, vor allem darüber, dass ich sie letztendlich doch nicht quälen musste.
Aber man soll den Film nicht vor dem Abspann loben.
Plötzlich Drogenrausch, Menschen mit Tiermasken (aha, deshalb Donnie Darko) laufen in Scream-Manier hinter Studenten her und stechen sie ab. Jetzt kommt der erste vorwurfsvolle Blick. Ist das ein Horrorfilm, fragt sie. Äh? Nein? Keine Ahnung. Im Internet stand sowas wie Science Fiction meets American Pie. Horrorfilme mag sie nicht, weil sie sich wirklich fürchtet und das macht ihr natürlich keinen Spaß. Glücklicherweise ist es "eher" kein Horrorfilm.
Es ist tatsächlich sowas wie Donnie Darko für Teenager. Oder sagen wir so, Kaboom ist Donnie Darko 90210. Oder sagen wir so, Donnie Darko ist so wie Dawson's Creek (zumindest in seinen besten Zeiten), charmant, selbstironisch, philosophisch, seriös, Woody Allen für Teenager halt, Kaboom ist eben mehr so wie Beverly Hills 90210, glatt, gelackt, hochglänzend, aber dennoch etwas zeitgemäßer, denn die jungen College-Kids werfen schon auch mit halbgebildeten Sprüchen um sich, was wirklich witzig kommt, man sieht Dawson's Darko ist nicht ganz spurlos an der Popkultur vorübergegangen.
Und dann passieren mehr und mehr eigenartige und übernatürliche Dinge irgendwo zwischen Sekte, Verschwörung, Prophezeiung und Coming-Of-Age, die immer wieder vom herrlich unverkrampften Sexklamottenton der ersten zehn Minuten gebrochen werden.
Und außerdem kommt man drauf, dass in diesem Film eigentlich nur 10 Schauspieler mitspielen, man erkennt wie genial es Regisseur Gregg Araki ("Mysterious Skin", "Smiley Face") gelingt, sein Lowest-Budget zu verstecken, Respekt. Und wieder einmal der Gedanke: Sowas könnten wir in Österreich auch leicht drehen.
Aber egal, der Film manövriert sich gegen Ende hin unaufhaltsam gegen eine Wand und man denkt sich schon, bitte nicht, warum hab ich mir das angetan. Aber er kratzt die Kurve, und zwar genau weil er gegen eine Wand fährt. Das Ende ist die größte Verarschung, der am höchsten erregte Mittelfinger, die bescheuertste und sinnlosest-mögliche Auflösung, die ein jegliches Kinopublikum jemals erfahren hat. Großartig! Die Eintrittskarte auf jeden Fall Wert. Einer der Lacher, die einen Tag retten können.
Meine Freundin und ich spazieren durch dünnen Regen nachhause. Das war wirklich ein Teenagerfilm, sage ich noch zu ihr. Sie freut sich aber schon längst auf nächste Woche. Da werden wir uns dann einen "richtigen" Film ansehen.
In diesem Sinne: "This is more nuts than squirrelshit."
Kaboom liegt irgendwo in der Schnittmenge aus Rubber, Donnie Darko und Eis am Stiel, punktet mit talentierten jungen Darstellern, die schauspielerisch und nackt zu überzeugen wissen, bietet den Beweis, dass Männer doch das schönere Geschlecht sind, strotzt vor postmodernem und (unverkrampften) sexuellen Selbstbewusstsein und ist folglich ein atemberaubender und sympathischer Trip ins ........ . Das Nichts nichtet, meinte der deutsche Philosoph Heidegger einmal. Genau das kann aber durchaus am meisten Spaß machen. Unbewertbar bleibt der Film trotzdem. Es ist wirklich nur eine Zahl in diesem Fall.