KOMÖDIE/MUSIKFILM: Deutschland, 2004
Regie: Helge Schneider
Darsteller: Helge Schneider, Jimmy Woode, Pete York, Susanne Bredehöft
Teddy Schu (Helge Schneider) ist Jazzmusiker aus Leidenschaft. Abend für Abend tritt er gemeinsam mit dem Schlagzeuger Howard (Pete York) und dem Bassisten Steinberg (Jimmy Woode) in dem kleinen "Jazzclub" auf. Allerdings spielt das Trio zumeist vor leerem Haus und wird für ihre Auftritte auch nicht bezahlt. Um über die Runden zu kommen hat Teddy deshalb gleich drei verschiedene Jobs: frühmorgens trägt er Zeitungen aus und tagsüber arbeitet er als Fischverkäufer in der Fußgängerzone von Mülheim. Außerdem ist er bei der Agentur "Señora Fuck" beschäftigt, wo er als "Rodriguez Faszanatas" einsame Frauen beglückt oder auch einmal einem alten Ehepaar aus einem Buch von Simmel vorliest.
JAZZCLUB - DER FRÜHE VOGEL FÄNGT DEN WURM von 2004 präsentiert einen gereiften Helge Schneider, der sich nicht mehr alleine auf harmlosen Klamauk beschränken mag. Im Kern ist der Film eine leicht melancholische Darstellung der typischen Leiden eines wahren Künstlers und somit ein echtes Selbstportrait. Spätestens dieser Film zeigt unmissverständlich, dass Helge Schneider nicht nur ein sperriger Komiker, sondern auch ein richtig guter Jazzmusiker ist. In Wirklichkeit existiert da auch kein Widerspruch. Sowohl das Spielen dieser Musik, als auch das Spielen von allerlei für Helge Schneider typischen Unsinn, fußen auf der Kunst der Improvisation.
Helge Schneiders Rolle als Komiker entspricht im Film seine Rolle als Gigolo "Rodriguez Faszanatas", der mit oranger Fahrradbrille den Frauen den großen Latin Lover vorspielt. In einer Szene erscheint Teddy als Rodriguez Faszanatas bei einer dicken Kundin. Außer seiner lächerlichen Brille, hat er eine Flasche Sekt und einen schwarzen Aktenkoffer dabei. In dem Koffer befinden sich seine speziellen Requisiten, wie z.B. zwei Plastiksektgläser. Erst fummelt der Gigolo die Stile an zwei Gläser. Dann lässt er die Sektflasche doch zu und fummelt die Gläser wieder auseinander, da "die Stimmung bereits sehr prickelnd ist". Jetzt holt er zwei Gummiarzthandschuhe aus dem Koffer und zieht sie an, um "gleich zur Sache zu kommen". Anschließend verschwinden die beiden hinter der geschlossenen Schlafzimmertür. Dem entzückten Quieken der Frau zu Folge, scheint Rodriguez sehr gut zu sein bei dem, was auch immer er da gerade tut...
Doch hinter all dem Unsinn schimmert in diesem Film immer wieder der traurige Ernst hervor: Das Leben als brotloser Künstler ist kein Zuckerschlecken. Teddy fehlt es nicht nur an Geld, sondern auch an Anerkennung. Selbst seine Freundin (Susanne Bredehöft) hält ihn und seine Jazz-Freunde für nichtsnutzige Spinner. Ein verschärftes Interesse an seiner Person zeigt hingegen der Nachbar, der direkt gegenüber von Teddy und dessen Freundin wohnt. Sobald er Teddy im Hausflur hört, läuft er sofort zum Türspion, damit ihm ja nicht entgeht, was sein verrückter Nachbar jetzt wieder treibt. Das verquere Tun von Teddy dient dem Spanner auch als Vorwand, um sich zum Verdauen seiner obskuren Beobachtungen stets einen kräftigen Schluck zu genehmigen.
JAZZCLUB handelt von der beschwerlichen Künstlerexistenz, inmitten einer kleinbürgerlichen und kleinmütigen Welt, die sich keinen Deut um Kunst schert. Die einzige moralische Unterstützung erhält Teddy ausgerechnet bei einem Penner, der nicht einmal mehr seinen eigenen Namen weiß. Der Penner fragt nicht, urteilt nicht und nimmt alles, wie es kommt. Er ist fast ein kleiner Philosoph, ein moderner Stoiker, die abgehalfterte Variante eines Diogenes, der zwar nicht in einem Fass, aber dafür unter einer Brücke wohnt. Bei soviel irdischem Elend kann eine Rettung nur noch von außerhalb kommen. Zum Glück gibt es noch Planeten, deren Bewohner mehr für Jazz übrig haben, als die ziemlich auf den Hund gekommenen Erdlinge...
In JAZZCLUB - DER FRÜHE VOGEL FÄNGT DEN WURM zeigt Helge Schneider, dass er zwar ein begnadeter Jazzer ist, es begnadete Jazzer - wie alle Künstler - in dieser profanen Welt jedoch reichlich schwer haben. Ein melancholisch, absurder Film mit viel durchgeweichten Zeitungen und noch mehr frischen Aalen.