ACTION: GB/USA, 2015
Regie: Sam Mendes
Darsteller: Daniel Craig, Christoph Waltz, Léa Seydoux, Monica Bellucci, Naomie Harris, Dave Bautista
Nachdem er in Mexico City einen Häuserblock pulversisiert und eine Massenpanik ausgelöst hatte, wird 007 zwangsweise vom Dienst suspendiert. Bond ermittelt nun auf eigene Faust und heftet sich an die Spuren einer Organisation namens SPECTRE, die zum ganz großen Schlag ausholt.
Wenn ein Österreicher nach der Weltherrschaft greift, ist das selten eine gute Idee. In diesem Fall trägt der Superschurke aus dem Alpenland das Gesicht von Christoph Waltz und hört auf den schönen Namen Franz Oberhauser.
Franz Oberhauser. Ein etwas gewöhnungsbedürftiger Name für einen Bond-Bösewicht. So heißen normalerweise ÖVP-Bürgermeister aus der Provinz. Die sind zwar auch oft Schurken, aber gewöhnlicherweise in etwas kleinerem Maßstab.
Ein Facebook-Freund, nennen wir ihn Werner, hat eine durchaus schlüssige Erklärung für diesen Namen parat. Ich darf wörtlich zitieren: "Es gab mal einen verrückten Bomber. der hieß Franz Fuchs. Und einen unerträglichen Politik- und Sportmoderator namens Elmar Oberhauser. Somit passt die Kombi eines österreichischen James Bond-Bösewichtes eigentlich ziemlich perfekt!"
Perfekt passt auch auch Christoph Waltz als Bonds sinistrer Gegenspieler. Wie schon in INGLOURIOS BASTERDS hat sich Waltz wieder selbst synchronisiert und findet stets die richtige Balance zwischen fast schon komödiantischer Wortgewalt und echter Bedrohlichkeit. Während ich vom Vorgänger SKYFALL restlos begeistert war, gab's in SPECTRE ein oder zwei Punkte, mit denen ich mir etwas schwer getan hatte. Vor allem die Überlänge, die dafür sorgt, dass die Spannung definitiv nicht in jeder der 148 Minuten prickelnd knistert.
Der Filmtitel deutet es schon an: Bond gönnt sich eine Back-to-the-Roots-Therapie. Auch wenn mir der fast schon bodenständige Realismus von SKYFALL besser gefallen hat, ist in SPECTRE wieder vieles dabei, was einen Bond-Film zum Bond-Film im klassischen Sinne macht: Ein unverwüstlicher Henchman (Dave Bautista), der für echte Körperlichkeit in den Mann-gegen-Mann-Konfrontationen sorgt. Ein richtig schön größenwahnsinnig-absurder Masterplan, ausgeheckt in einer geheimen Kommandozentrale der Bösewichte. Kindlich-nerdige Technikverliebtheit an allen Fronten. Wunderschöne Frauen - Monica Bellucci (die sich leider viel zu früh aus dem Film verabschiedet) und Lea Seydoux, bekannt aus dem expliziten Erotikdrama BLAU IST EINE WARME FARBE.
Und natürlich ein Titelheld, der endlich wieder ungeniert dem Hedonismus frönen darf: Das blöde Gesicht der Tirol-Tourismus-Werbemanager möchte ich gerne sehen, die kolportierterweise 500.000 Euro an die Produktionsgesellschaft gezahlt haben, um den Ski-Ort Sölden irgendwie in die Handlung einzubauen. Und was macht Bond in Tirol? Bestellt einen Martini, bekommt stattdessen einen giftgrünen Gesundheitsdrink vorgesetzt und kommentiert das unzureichende Alkohol-Angebot auf 3000 Metern Seehöhe mit den Worten "Kippen Sie das Zeug ins Klo, damit ich mir den Umweg erspare".
SPECTRE ist der zweite Bond-Film von Regisseur Sam Mendes (AMERICAN BEAUTY). Es ist schon verblüffend, mit welcher Sicherheit der ehemalige Theater-Regisseur Mendes seine Darsteller durch die Tableaus eines 200 Millionen Dollar teuren Mega-Blockbusters dirigiert. Der Film beginnt mit einer atemberaubenden Plansequenz in Mexico City: Über die Straße, quer durch feiernde Menschenmassen, hinein in ein Hotelzimmer und über die Dächer, alles ohne einen einzigen Schnitt. Alleine diese Szene ist eine Lektion in Sachen Eleganz und Virtuosität.
Weitere Einsatzorte sind Rom, Altaussee (sogar namentlich erwähnt, im Gegensatz zu Tirol ein durchaus respektabler Coup der österreichischen Tourismuswerbung), Tanger in Marokko und schließlich London als Schauplatz der finalen Konfrontation zwischen dem Geheimagenten und seiner Nemesis.
Nach SKYFALL der zweite Bond-Einsatz von AMERICAN BEAUTY-Regisseur Sam Mendes. Restlose Begeisterung für den virtuosen Einstieg, ein bisschen Leerlauf im Mittelteil, ein grandioser Bösewicht und ein Bond, der sich einer riskanten, aber letztlich erfolgreichen Back-to-the-Roots-Therapie unterzogen hat. Die man aber auch als Abgesang auf eine vergangene Ära deuten kann.
Wie auch immer: Sehr sehr guter Film jedenfalls. War auch nicht anders zu erwarten.