TRUE CRIME: A, 2015
Regie: Elisabeth Scharang
Darsteller: Johannes Krisch, Corinna Harfouch, Birgit Minichmayr, Paulus Manker
Im Juni 1994 wurde Jack Unterweger, seines Zeichens resozialisierter Muster-Häftling, Literat, Dandy, Frauenheld und Darling der Kunst-Szene des Mordes an neun Prostituierten erstinstanzlich für schuldig gesprochen. Wenige Stunden nach der Urteilsverkündigung erhängt sich Jack Unterweger in seiner Zelle. Der Film Jack versucht die Annäherung an Österreichs "prominentesten" mutmaßlichen Serienkiller.
Serienkiller-Thriller made in Austria? Kann so etwas funktionieren? Kann man es da mit der ANGST zu tun bekommen?
Die gute Nachricht: JACK funktioniert. Nicht, dass der Film in allen Belangen überzeugen würde. Aber Regisseurin Elisabeth Scharang hat Vieles richtig gemacht. In Interviews beteuert die Filmemacherin, die sich das Handwerk autodidaktisch beigebracht hat, ihre Liebe zum amerikanischen Indie-Kino, zu Werken von Terrence Malick oder auch Nicolas Windin Refn. Sagen wir mal so: Hätten sich im ersten Filmdrittel nicht doch einige notorisch brustschwach ausgeleuchtete Aufnahmen von tristen Innenräumen eingeschlichen, die unangenehm an überwunden geglaubte Tage des heimischen sozialrealistischen Dunkelkammerkinos erinnern, hätte ich mir leichter getan, der Regisseurin diese Aussage zu glauben.
Andererseits ist mit Jörg Widmer ein hochprofessioneller Kameramann an Bord, der, wie die IMDB verrät, tatsächlich mehrmals mit Terrence Malick gearbeitet hat und dessen Stärken offensichtlich in sehr atmosphärischen Außen-Aufnahmen liegen. Wenn dann die erste gefesselte Frauenleiche ins Bild gerückt wird, weht ein Hauch von TRUE DETECTIVE durch den Wienerwald.
Überhaupt ist JACK eine ausgesprochen filmische Angelegenheit, eine künstlerische Annäherung an den Künstler, Poeten, Lebemann, Selbstdarsteller und (mutmaßlichen) Serienmörder Unterweger. True Crime-Fetischisten, die alles lückenlos erklärt, aufbereitet und streng nach Gesetzen der Logik zu Ende erzählt haben wollen, dürften mit Scharangs schlaglichtartigen, stilisierten, bisweilen plakativen Film allerdings weniger Freude haben.
Im Zentrum stehen nicht die Gewalttaten, sondern der Mensch Jack Unterweger, dargestellt von Johannes Krisch ("REVANCHE"). Krisch ist ein mörder Schauspieler, der sich auf diese Rolle mehrere Jahre lang vorbereitet hat. Problematisch ist natürlich, dass Krisch mit dem echten Unterweger wenig Ähnlichkeit hat. Die Make-Up-Artists und Perückenfertiger haben sich sichtlich ins Zeug gelegt. Und doch wirkt Krisch unter der Unterweger-Maske extrem künstlich, fast cyborgmäßig.
Sein Spiel würde ich als "unterdrücktes Overacting" nennen. Widerspruch in sich, ich weiß. Aber es passt zum widersprüchlichen, zerrissenen Charakter Jack Unterwegers, der vom misogynen Triebtäter über den verletzlichen Poeten bis zum großmauligen Dandy im weißen Anzug alle erdenklichen Rollen drauf hatte.
Auch die Nebenrollen sind mit Corinna Harfouch, Birgit Minichmayr und Paulus Manker prominent besetzt. Zum Soundtrack von Naked Lunch ist zu sagen, dass - so sehr ich praktisch alles, was diese Band bislang produziert hat, liebe - Soundtrack leider nicht so ihre Stärke ist. Statt der mal treibenden, mal fragilen, mal melancholischen Gitarrenpop-Songs der Klagenfurter Indie-Band hätte meines Erachtens ein eiskalter Synthie-Soundtrack besser zur fröstelnden Stimmung des Films gepasst.
Hört sich das jetzt zu streng an? Zugebenen, das waren ziemlich viele Kritikpunkte für einen Film, der mir doch im Grunde gut gefallen hat. Unterm Strich muss natürlich eine Empfehlung ausgesprochen werden.
Elisabeth Scharangs Film JACK ist kein realitätsbesessenes True Crime-Biopic mit Echtheitszertifikat, sondern versucht, sich dem nicht fassbaren Charakter von Österreichs bekanntestem Serienmörder auf sehr künstlerische, sehr filmische Weise anzunähern, was dank der professionellen Kamera-Arbeit im Goßen und Ganzen gut gelingt. Am meisten Eindruck hinterlässt das theatralische Spiel von Burgschauspieler Johannes Krisch.