GIALLO: ITALIEN, 1969
Regie: Giuliano Biagetti
Darsteller: Haydée Politoff, Corrado Pani, Beba Loncar, Umberto Orsini
Der berühmte Fotograf Fabrizio will an einem abgelegenen Felsenriff ein Fotoshooting mit dem schönen Model Margerita machen. An Bord seines Bootes befinden sich außerdem seine Frau und deren Schwester. Die Anwesenheit der Gattin hindert den Fotograf nicht daran, intensiv mit seinem Model zu schäkern und auch eine Radiomeldung, in der vor einem flüchtigen Schwerverbrecher gewarnt wird, nehmen die vier recht gelassen auf. Doch dann geht der Treibstoff zur Neige und das Quartett sitzt auf der Jacht fest. Fabrizio steigt in ein zufällig vorbeikommendes Boot, um zum Festland zurückzufahren, wo er Treibstoff besorgen will. Die drei Frauen bleiben allein zurück. Was sich als Fehler erweist. Zunächst finden die Frauen auf dem Riff zwischen den Felsen die Leiche eines Polizisten und dann gesellt sich noch ein fremder Mann zu ihnen. Er behauptet, er wäre ein auf der Insel lebender Dichter. Doch vieles deutet daraufhin, dass er in Wahrheit jener Mörder ist, denn die Polizei gerade sucht…
KRITIK:….was die Frauen trotz brenzliger Situation nicht davon abhält, mit dem Feuer zu spielen. Es ist aber auch eine knisternde Konstellation: Drei schöne Frauen - das leichtlebige und noch leichter zu habende Model, die schwermütige, frigide kleine Schwester und eine gedemütigte, betrogene Ehefrau- stranden auf einer einsamen Insel und treffen dort einen geheimnisvollen Unbekannten. Der eine tödliche Gefahr bedeuten könnte, aber gleichzeitig so anziehend wie ein Magnet wirkt. Was sich daraus entwickelt ist eine Art genüsslich in die Länge gezogenes Vorspiel, das zunehmend hitziger und unberechenbarer wird, bis es schließlich nur noch in Sex oder Tod münden kann.
Trotzdem scheint die ganze Zeit über die Sonne. Das Meer wogt sanft und verführerisch. Auf heißen Felsen räkeln sich sinnliche Frauen in knappen Bikinis. Es gibt viel nackte Haut und im Hintergrund säuseln die luftig-leichten einschmeichelnden Kompositionen von Berto Pisano. Dennoch scheint die Idylle fragil zu sein; von unsichtbarer Gefahr überschattet. Nahe bei Eros lauert Thanatos; es sind die beiden elementaren Geister des Giallo und wo einer ist, ist der andere nie weit.
INTERRABANG (was eigentlich das Satzzeichen "!?" bezeichnet und sich im Film auf die Brosche einer Protagonistin bezieht) könnte man zu jener Unterkategorie des Genres rechnen, die mein Compagno Markus in Hinblick auf Setting und Location so trefflich als "Urlaubs-Giallo" bezeichnet. Doch zunächst einmal scheint INTERRABANG ein früher Vertreter jenes obskuren italienischen Sujets des maritimen Sleaze zu sein, das sich wie in seinen Referenzwerken SKLAVEN IHRER TRIEBE und WAVES OF LUST vorwiegend an Bord einer luxuriösen Jacht über die Laufzeit schmuddelt.
Doch ziemlich früh wechselt das filmische Chamäleon seine Farbe und wird zum dialoglastigen, ästhetisch bebilderten Erotikdrama, welches sogar kurze Ausflüge in die Psychologie und Philosophie unternimmt; freilich ohne dort allzu tief zu schürfen. Ungeduldigere Filmfreunde, die sich schnell an schönen Körper und kargen Felsen satt sehen, werden spätestens in dieser Phase, die auch noch den Großteil des Films ausmacht, ernste Probleme mit INTERRABANG bekommen und könnten die ruhige Gangart als langatmig fehl interpretieren.
Wenn man sich jedoch auf den Film eingelassen hat, sieht man die Schatten im Sonnenschein und rechnet jeden Moment damit, dass einer der Beteiligten die Maske fallen lässt; dass das Unheil seinen Lauf nimmt. Erst im letzten Drittel ist es soweit. War INTERRABANG lange wie sanfter Wellengang, überschlagen sich plötzlich die Ereignisse. Nun ist INTERRABANG ganz Haken schlagender Giallo, der im Minutentakt Twists auf den Zuschauer einprasseln lässt.
Kurz vor Abspann ist man dann einigermaßen überwältigt von den überraschenden Wendungen und vor allem der Möglichkeit, dass sich hinter der lange gemächlichen Inszenierung in Wahrheit ein clever komponierter Totentanz der poetischen Art verborgen hat - als dann ebenso plötzlich ein vorletzter, diesmal idiotischer Twist daherkommt und die Idylle einer glückseligen Rezeption jäh zerstört. Einigen auf ihre perfide, subtile Art äußerst effektiven Szenen ist somit nachträglich die Spitzen genommen worden.
Auch wenn es Punktabzug für die einmal überdrehte Twistschraube und denn verschenkten Schluss gibt; eine anständige Veröffentlichung auf DVD hätte gerade ein so schön fotografierter Film wie Biagettis INTERRABANG allemal verdient. Doch die Labels, denen man solch bedingungslose Genreliebe und Mut zum Risiko zugetraut hätte, sind leider alle schon viel zu früh von uns gegangen.
Sonne, Meer, knappe Bikinis und ein entlaufener Schwerverbrecher… Gestrandet auf einem einsamen Felsenriff spielen drei schöne Frauen und ein eloquenter, verführerischer Psychopath mit dem Feuer! -
Ästhetisch fotografierter zwischen erotischem Psychodrama und "Urlaubs-Giallo" pendelnder Thriller, der für den Zuschauer zwei Optionen offen lässt. Entweder man findet den Film sterbenslangweilig oder man lässt sich von seiner ruhigen Gangart und speziellen Stimmung gefangen nehmen. Wie man sich auch entscheidet, in der letzten Viertelstunde gibt es überraschende Wendungen im Minutentakt und leider einen Twist zuviel…