BACKWOOD SPLATTER: GB, 2011
Regie: Alex Chandon
Darsteller: Jo Hartley, Seamus O'Neill, James Doherty, James Burrows
Eine Gruppe schwererziehbarer Jugendlicher und deren Betreuer landen im englischen Hinterland in dem ...ähm... beschaulichen Kaff Mortlake, wo man sich schon über Generationen hinweg via Inzucht fortpflanzt und sich munter in die Barbarei degeneriert hat. Gäste sieht man hier trotzdem gerne. Kann man die doch jagen, zerstückeln, erschießen, in Bärenfallen tappen lassen oder sie in lustig-bizarren Zirkusshows in der Hinterhofscheune zur Belustigung aller mittels Pferd oder Güllemaschine sadistisch zu Tode foltern...
"A Splatter Ride" steht auf dem Cover der britischen DVD. Und "makes TEXAS CHAINSAW MASSACRE looks like a picnic". Auch wenn nirgends so unbedarft geflunkert wird wie auf DVD-Covern - es sei denn (hrhr) Filmtipps wird zitiert, versteht sich - , so könnte im Falle INBRED, diesem neuesten Backwood-Blutbad aus Großbritannien schon was dran sein.
Der Regisseur heißt nämlich Alex Chandon. Der war Anfang der Neunziger das englische Pendant zu den deutschen Gore-Mafiosi Ittenbach und Schnaas. Nach irrwitzigen Gewalteskapaden wie BAD KARMA (in welchem Hare Krishnas zu menschenzerlegenden Dämonen mutieren und erst eine Geburtstagsparty, dann den SM-Club von nebenan sprengen) und dem nicht minder wahnsinnigen und blutrünstigen DRILLBIT hat sich Chandon im Independent-Gorekino schnell einen Namen gemacht, worauf später mit CRADLE OF FEAR noch eine Kollaboration mit Dani Filth, dem Frontman der britischen Düstermetal-Combo Cradle of Filth erfolgt ist.
In INBRED wandelt Chandon nun auf den Spuren des texanischen Kettensägenmassakers; noch mehr aber auf denen des Urvaters allen Backwood-Splatters - und das war, ist und wird natürlich immer Herschell Gordon Lewis' 2000 MANIACS! sein. Allerdings hat Chandon mit seinem neuesten Film nicht einmal ansatzweise den Versuch unternommen, das Rad des Genres neu zu erfinden. Er hält sich strikt an die Blaupausen, die die vorgenannten Klassiker bereits vor über fünfzig, bzw. fast vierzig Jahren etabliert haben und die seither in jedem Jahr mindestens von zehn Horror- oder Splatterfilmen aufgegriffen werden. Die Figurenkonstellationen (auf der einen Seite städtische Ausflügler - diesmal eben eine Gruppe schwererziehbarer Jugendliche und ihre Betreuer -, auf der anderen Seite - der Titel verrät es bereits- ein ganzes Pack inzüchtlerische Hinterwäldler mit schlechten Zähnen, gräßlichen Frisuren und einem furchtbaren Dialekt) ist die altbekannte. Im ganzen Handlungsablauf findet sich nicht eine Überraschung.
Allerdings - und auch das überrascht nicht, wenn man sich in der Filmographie des Regisseurs etwas auskennt - lässt Chandon seine degenerierten Inzuchtsteufel natürlich ungleich derber zu Mord- und Totschlag schreiten als dies die oftmals ebenfalls nicht gerade zimperlichen Genrekollegen aus dem Backwood-Fach tun. Die Kettensäge findet sich nicht ohne Grund auf dem Cover; sie kommt auch zum Einsatz. Wo man damals in Texas beim ersten Kettensägenmassaker noch gnädig weggeblendet hat, hält Chandon voll drauf.
Und die ländliche Luft irgendwo am Arsch von Yorkshire bekommt keinem der Beteiligten so richtig. Schon gar nicht unserer Ausflugsgruppe aus dem Schwererziehbarenheim. Nach einem halbstündigen Anlauf wird im Akkord geköpft, zerhackt, amputiert, erschossen; Leute werden zu Matsch gefahren oder in die Luft gesprengt. Und trotzdem bleibt - soviel Backwood muss sein - immer noch Zeit für einen kleinen, eingängigen Hillbilly-Song. Wahlweise in geisteskrank-gemütlicher Pubatmosphäre oder eben bei der kleinen spontanen Jam Session, kurz nachdem man jemanden gerade die Hand mit einer Schrottflinte in Fetzen geschossen hat.
Die Effekte sind dabei ansehnlich; schön derb und vor allem meaty. Ganz ohne CGI geht es zwar nicht, aber die gute, alte Handarbeit kommt dennoch nicht zu kurz. Im Making Of ist zu sehen, wie fleißige Helferlein gleich eimerweise Kunstblut verschütten und Kutteln in die Lüfte werfen. Die Metzgereien rund um Yorkshire dürften das Geschäft ihres Lebens gemacht haben.
Auch wenn die eine oder andere Splattereinlage natürlich genüßlich übertrieben wird; witzig per se ist INBRED grundsätzlich nicht. Wenn die durchgeknallten Hinterwäldler ihre Opfer verhöhnen oder deren meist äußerst grausame Ableben spöttisch kommentieren, ist der schwarze Humor kaum noch von bösartigen Zynismus zu unterscheiden. Sicker Höhepunkt des Ganzen sind dann jene Szenen, in denen die Dörfler ihre Gefangenen im Rahmen einer bizarren, ultrasadistischen Zirkusshow vor johlendem (Inzuchts-) Publikum von Pferd und Güllemaschine exekutieren lassen. Das ist dann Folterporno ganz nach WIZARD OF GORE und BLOODSUCKING FREAKS-Geschmack; ohne die Misogynie des letzteren.
Halten wir also fest, dass INBRED weder anspruchsvoll noch originell ist, schwarzen Humor desöfteren mit Zynismus verwechselt, mit keinen sympathischen Protagonisten aufwartet und sein Heil ausschließlich im Gore und in kranken Einfällen sucht. Aber da der Film von Alex Chandon, diesem alten, englischen Kunstblut- und Kuttelfetischsten ist, sollten wir genau das von INBRED erwartet haben. Nicht mehr und nicht weniger.
Allen, die Chandon nur von seinen bluttriefenden, ittenbachesken Frühwerken her kennen, sei noch gesagt, dass der gute Mann mit INBRED die Amateurregionen endgültig in Richtung B-Movie verlassen hat.
Für interessierte Splatterfans: Die DVD ist derzeit nur über Großbritannien zu beziehen; dort ist sie - ungeachtet dem drastisch hohen Blut- und Gedärmezoll - allerdings (und gottlob) uncut erschienen.
Brot und Spiele im britischen Hinterwald! Manege frei für geisteskranke, sadistische Inzuchts-Landeier, die eine Ausflugsgruppe aus dem Heim für schwererziehbare Jugendliche in ihre Gewalt bringen, um sie im Rahmen eines bizarren Folterzirkus mittels Pferd und Güllemaschine ins Jenseits zu befördern. - Alex (BAD KARMA) Chandon, einst das britische Pendant zu deutschen (Gore)yphäen wie Olaf Ittenbach und Andreas Schnaas gewesen, hat den Amateur-Splatter hinter sich gelassen und kuttelt jetzt auf B-Movie-Niveau herum. Zum Einstand gibt es ein zynisch-sickes Wald- und Wiesenschlachtfest zu Ehren alter Terrorklassiker wie 2000 MANIACS! und TEXAS CHAINSAW MASSACRE. Neue Ideen gibt's nicht, dafür Blut, Kutteln, krude Schocks und kranke Einfälle bis zum Abwinken. Für Freunde gemeingefährlicher Hinterwäldler, knatternder Kettensägen, phallischen Karotten und abgesägter Schrotflinten sicherlich eine Party; alle anderen begegnen INBRED besser mit Vorsicht.