OT: Io sono l'amore
MELODRAM: ITALIEN, 2009
Regie: Luca Guadagnino
Darsteller: Tilda Swinton, Flavio Parenti, Edoardo Gabbriellini, Alba Rohrwacher, Pippo Delbono, Diane Fleri, Maria Paiato, Marisa Berenson
Die ursprümglich aus Russland stammende Emma (Tilda Swinton) ist perfekt in ihrer Rolle als Ehefrau eines italienischen Patriarchen in der Mailänder Industriellendynastie, den Recchis, aufgegangen. Doch in der Familie brodelt es unter der Oberfläche, es wird für einige Familienmitglieder immer unerträglicher sich den Normen weiterhin zu beugen. Tiefe Risse beginnen sich ganz verhalten abzuzeichnen. Menschlichkeit und Tradition geraten in Widerstreit und Emma steht dabei an vorderster Front ...
KRITIK:Darf man eigentlich noch hoffen? Gibt es große, gut ausgestattete Filme, die noch einen Funken Poesie und Menschlichkeit in sich tragen, die gerne eine Geschichte erzählen, und ein Kunstwerk sein wollen? Vor kurzem habe ich gelesen, dass das Filmstudio Universal in einem Rundschreiben allen Autoren klar gemacht hat, dass ernsthaftes Schreiben nicht erwünscht sei, die seriösen Schreiberling werden ins Fernsehen verbannt, Kino wird nur noch zur reinen Unterhaltung produziert. Andererseits, ist das nicht sowieso das alte Lied, geht das Kino als Kunstform nicht schon unter seit es exisitiert? Wieso überrascht es uns dann dennoch immer wieder, wenn wir Filme wie "I Am love" sehen?
Aber ganz so überraschend ist es dann vielleicht doch nicht, denn immerhin spielt ja die göttliche, unvergleichliche Tilda Swinton (alleine ihre Darstellung des Erzengel Gabriels in Constantine !!!) in diesem Film mit, den sie gemeinsam mit Regisseur Guadagnino sieben Jahre lang entwickelt und auch selber produziert hat. Ihr Charakter Emma ist das emotionale Zentrum des Films, ihre Figur, die einzig Dreidimensionale, die Geschichten der anderen, die strenge Form des "Hof"-Zeremoniells und der Architektur, die Leidenschaften und Ideen rund um sie herum, werden im Grunde nur am Rande berührt, dienen nur dazu die Umwelt zu errichten, die sie wahrnimmt und derer sie sich Stück für Stück in kleinsten Schritten entzieht.
Die deutschsprachige Kritik bemängelten die Klischees in diesem italienischen Familienfilm, die Einfarbigkeit so mancher Figur, die plumpe Symbolik. Mir ist gar nicht aufgefallen, dass es hier darum geht uns etwas Neues zu erzählen. Ganz im Gegenteil, der Film will, das was wir ohnehin schon zu wissen glauben nur noch deutlicher machen. Figuren, die sich diesen allzu überwältigenden Regeln freiwillig ausliefern und daran zu Grunde richten, weil sie die Leere hinter ihren mechanisch ausgeführten Tagesabläufen, gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Verpflichtungen und Normen immer mehr ausfüllt. So einfach ist das. Mehr ist da nicht dahinter. Es ist ohnehin das "Wie", das hier zählt.
Denn Regisseur Guadagnino dreht hier nicht einfach einen Film, er dreht eine große Oper. Unglaubliche Distanz zu den Figuren, große Gefühle, die sich in den Bildern und in der pompösen Musik verbergen. Eine einzige Verschmelzung der Emotionen mit der Umgebung in schwelgerischen Plansequenzen und poetischen Bildfolgen, die den Goldenen Käfig einer Frau sezieren, den sie selbst gewählt und sich ausgeliefert hat.
Viele Filme, die große, weite, figurenintensive Geschichten erzählen, scheitern oftmals daran, all ihre Facetten stimmig in einem Erzählfluss zu bündelt, werden so leicht zu einer Abfolge von aneinander gestellten Szenen. Die eigentliche Stärke von "I Am Love" liegt eben darin die ganze Geschichte in einen einzigen Bewusstseinsstrom zu koppeln, das vielleicht auf Kosten der anderen Figuren, aber zum Wohl der ganzen Dramaturgie, die schleichend, doch stetig Unbehagen aufbaut und im Finale in einem Gefühlsausbruch endet, der trotz der eiskalten Distanz, mit der er inszeniert wurde, dem Zuseher die Tränen in die Augen treibt. Der Vorhang fällt, die Zuseher sind erschlagen und stimuliert, ergriffen und bereichert, glücklich und traurig zugleich. Dann bleibt einem nichts mehr zu tun wieder einmal kräftig durchzuatmen, denn das hat man während des vorangegangenen Stakkatos schon mal vergessen ...
"I Am Love" mit Schauspieltitanin Tilda Swinton ist von den ersten Takten bis hin zum großen Finale eine intensiv gespielte, visuell betörende, poetisch-kraftvolle, mit einem Wort überwältigend schöne Oper über den Freiheitskampf des Individuums gegen den von der Gruppe und der Umwelt geforderten und oftmals freiwillig akzeptierten Habitus geworden. Ein gutes Drama, aber ein ästhetisches Meisterwerk. Auf keinen Fall versäumen!!!!