HORROR: Kanada, 1982
Regie: Paul Lynch
Darsteller: Janet Julian, David Wallace, John Wildman, Janit Baldwin
Wenn wir bei FILMTIPPS.at eine 80er Jahre-Party feiern, dann tanzen wir nicht mit frisch gesträhnten Vokuhilas zu seltsamer, Neue Deutsche Welle genannten Musik in den Redaktionsräumen umher, sondern werfen all unsere vorsintflutlichen Slasherfilme in einen (an Jasons Maske aus FRIDAY THE 13TH 2 gemahnenden) Kartoffelsack und ziehen uns jeden Abend einen raus und rein. Und gerade feiern wir wieder eine unserer berüchtigten 80er-Partys. Feiert mit und lauscht den
Geschichten aus dem Slasher-Kartoffelsack, Teil 3; Heute: HUMONGOUS aus dem Jahr 1982.
Der Legende nach leben auf Dog Island nur eine Hundeliebhaberin (die sich nach einer Vergewaltigung komplett von der Menschenheit zurückgezogen hat) sowie ihre freilaufenden vierbeinigen Gefährten. Doch die Legende vergaß den irren Menschenschlächter zu erwähnen, der dort ebenfalls sein Unwesen treibt und sich wie Bolle freut, als eine Handvoll junger Schiffbrüchiger ausgerechnet vor diesem Eiland auf Grund laufen...-
Aaaargh. Dieser HUMONGOUS hat meine Hobbyfilmkritikerseele zweigespalten wie Jekyll & Hyde. Hyde, meine gehässige, fiese Verrisse schreibende Seite hatte schon die Tastatur gewetzt, um kübelweise Spott und Häme über diesen kanadischen Slasher/Terrorflick aus dem Jahr 1984 auszuschütten. Doch Jekyll, dieser Engel, der immer das Beste in Filmen sehen will - ja selbst in den schlechten - hat sich den Streifen sogar noch ein zweites Mal gegeben, um vielleicht doch noch das eine oder andere Sehenswerte in Paul Lynchs HUMONGOUS zu entdecken. Eine herkömmliche Filmbesprechung war zwischen diesen konträren Standpunkten nicht möglich. So überlasse ich Jekyll & Hyde selbst das Wort und versuche ihr Zwiegespräch so zu protokollieren, wie ich es in Erinnerung habe...
JEKYLL: So, mein lieber Hyde. Was schreiben wir nun über HUMONGOUS, diesem kleinen kanadischen Slasherfilm, den wir uns gerade gemeinsam angesehen haben?
HYDE: Am liebsten würde ich gar nichts über diesen im wahrsten Sinne des Wortes unterbelichteten Langweiler schreiben, sondern ihn einfach unter dem Mantel des Vergessens weitermodern lassen. Schließlich tut er das schon dreißig Jahre lang, ohne dass ihn jemand ernsthaft vermisst hätte.
JEKYLL: Wir dürfen aber nicht vergessen, dass HUMONGOUS Paul Lynchs zweiter Schlitzerfilm nach seinem gar nicht mal so unbekannten PROM NIGHT gewesen ist. Der kam schließlich zu zwei Fortsetzungen und Remake-Ehren. Außerdem haben dort unsere Lieblings-Scream Queen Jamie Lee Curtis sowie Leslie -Gott hab ihn selig!- Nielsen mitgespielt.
HYDE: PROM NIGHT ... hör mir mit dem auf! Drei Sequels, die keiner und ein Remake, das gar keiner gebraucht hätte, von einem Film, der nicht mal halb so spannend wie HALLOWEEN und längst nicht so blutig wie FREITAG DER 13. gewesen ist.
JEKYLL: Na, na, na, mein lieber Hyde. An die von dir genannten Referenzwerke kommt er zwar nicht heran, aber gar so schlecht war PROM NIGHT nun wirklich nicht.
HYDE: Stimmt. HUMONGOUS ist noch viel schlechter.
JEKYLL: Am Anfang vermeinte ich aber selbst in deiner sonst so gestrengen und grimmigen Miene einen Funken Begeisterung auszumachen.
HYDE: Der Film fängt wirklich verheißungsvoll an: Die Vergewaltigung der Hundeliebhaberin; die postwendende Blutrache ihrer vierbeinigen Gefährten. Da dachte man schon: Geil, das könnte eine grobe Kelle werden.
JEKYLL: Nicht zu vergessen, die gelungene Titelsequenz. Eine von nostalgischer Musik unterlegte Bildergalerie, die den Wandel der Hundeliebhaberin von einer lebensfrohen, lächelnden Frau zu einer hasserfüllten Gezeichneten dokumentiert, während in geschnörkelten Lettern die Credits über den Bildschirm laufen. Das hatte etwas Dramatisches.
HYDE: Und kaum waren die geschnörkelten Lettern vom Bildschirm verschwunden und das morbide Fotoalbum zugeklappt, begannen die Unzulänglichkeiten dem Zuschauer ins Gesicht zu springen wie frischgeschlüpfte Facehugger aus nem ALIEN-Überraschungsei. Du weißt; im Gegensatz zu dir Feingeist geht mir bei geschnörkelten Lettern nicht gleich Herz und Hose auf. Von einem Slasherfilm erwarte ich einen zünftigen Body Count. Mit zumindest moderatem Splatter. Ich hänge da dem Motto "Geschnetztelte Landplagen statt geschnörkelte Buchstaben" an. Dumm können die Protagonisten im Slasherfilm gerne sein, nur möchte ich dann wenigstens sehen dürfen, wie sie für ihre unlogischen Handlungen, dümmlichen Dialoge und ihre Anti-Schauspielerei konsequenterweise über den Jordan geschickt werden...
JEKYLL: Uiiiiii. Du sprichst die nächsten Morde an, die samt und sonders im Off passieren. Obwohl unsere DVD ungeschnitten ist.
HYDE: Genau. Ich wähnte mich stellenweise in jene dunklen Tage zurückversetzt, als ich als junger, wütender Gore-Welpe noch mit übelst geschnittenen Slasherfilmen aus der Videothek vorlieb nehmen musste.
JEKYLL: Fast genauso übel stießen dir auch die thespischen Künste der Darsteller auf. Nicht wahr?
HYDE: In der Tat. Ich erwarte weiß Gott keine Charakterschauspielerei in meinem allabendlichen Schlitzerfilmchen. Abgesehen von Janet Julian (geiler Knackarsch übrigens), die im Gegensatz zu den männlichen Kollegen ihr Minenspiel noch halbwegs unter Kontrolle hat, hätten die meisten anderen der hier aufspielenden Knallchargen in Carpenters HALLOWEEN nicht mal als Kürbiskomparsen auf der Verenda sitzen dürfen.
JEKYLL: Obwohl ich einwerfen muss, dass sich... ähem... suboptimales Schauspiel und vergnüglicher Slasher nicht zwangsläufig ausschließen müssen.
HYDE: Oberschlechte Szenenausleuchtung und packendes Finale tun das aber sehr wohl. Mal ehrlich, hast du bei den Nachtszenen irgendwas gesehen?
JEKYLL: Nein. Leider verfüge ich weder über die Sehkraft einer Katze noch über die Macht, einen Lumus-Zauber auszusprechen. Und das Nachtsichtgerät liegt immer so schwer auf der Nase...
HYDE: Mit dem Augenlicht eines Normalsterblichen: Nichts als grunzende oder kreischende Halbschatten, die in einem pechschwarzen Bildschirm umherwuseln.
JEKYLL: Nun, die kreischenden Schatten waren die arglosen jungen Opfer, während es sich bei dem zotteligen, tierhaften Hünen bestimmt um den gestörten, verwahrlosten, kannibalistischen Inselirren gehandelt hat.
HYDE: Ein Wort zum Monster-Makeup?
JEKYLL: Leider nicht möglich. Die Fratze blieb buchstäblich im Schatten. Der Kerl hatte aber ein Glotzauge und war lange nicht beim Frisör. Was dem Beleuchter wohl zugestoßen ist?
HYDE: Vielleicht hat er seine Scheinwerfer auf dem Festland vergessen. Oder er war der Typ, der am Anfang vom Hund gefressen wird. Oder er hat sich einfach nur über den unfreiwillig komischen Entsetzensschrei der verkannten männlichen Scream Queen John "Call me Banshee" Wildman bei dessen Sterbeszene im Bootshaus zu Tode gekichert? Whatever. Fakt ist: Die Szenenausleuchtung ist eine Katastrophe. Und der halbe Film spielt im Dunkeln.
JEKYLL: Apropos Hunde. Schade, dass William Gray nicht noch ein paar wilde streunende Hunde mehr ins Drehbuch gepackt hat. Für eine Insel, die sich "Dog Island" nennt, spielen die Vierbeiner im späteren Verlauf der Handlung leider keine große Rolle mehr.
HYDE: Was den Film über weite Strecken ziemlich öde macht. Statt Hetzjagden gibt es meist nur lange, mehr oder weniger ereignislose Spaziergänge unserer Gestrandeten durch den Wald. Wenn sie dabei nicht gerade im Off ermordet werden, tun sie etwas völlig Sinnloses und werden danach im Off ermordet.
JEKYLL: Ah, ich weiß, auf welche Szene du hinaus möchtest. *SPOILER* Als sich diese junge Dame am Strand oben rum frei und sich auf einen im Sand liegenden Mann zwecks Spendung von Körperwärme legt. Was ja nichts Verwerfliches wäre. Ich bin mir sogar ziemlich sicher, dass der männliche Protagonist an solcherart Zuwendung grundsätzlich nichts einzuwenden hätte; nur liegt er eben laut Drehbuch in diesem Szenario nicht etwa beischlafsbereit darnieder, sondern weil er schwerverletzt im hohen Fieber deliriert. Was dann doch Anlass gibt, den Sinn und Zweck dieser weiblichen "Erste-Hilfe"-Maßnahme zu hinterfragen.
HYDE: Da jedoch nur eine Kameraeinstellung später der irre Schlächter ins Bild stürzt und dem Siechenden (natürlich im Off) den Kopf abreißt, liegt des Rätsels Lösung vielleicht darin begründet, dass Gray seiner Figur nur den Abgang versüßen wollte. (SPOILER ENDE) Ohnehin ist kaum zu glauben, dass dieses simpelst gestrickte, wohl auf der Toilette verfasste Drehbuch vom gleichen Autor stammt, der einst das Skript zum nicht gerade unkomplexen Geisterfilm THE CHANGELING geschrieben hat.
JEKYLL: Einspruch. Manchmal haben genau diese minimalistischen Szenarios, wie sie auch HUMONGOUS durchspielt, durchaus etwas Reizvolles. Denke da mal an MAN-EATER.
HYDE: Du willst doch nicht etwa HUMONGOUS in einem Atemzug mit dem heiligen MAN-EATER nennen?!? Steigst du freiwillig auf den Scheiterhaufen, du dreckiger, kleiner Ketzer, oder muss ich dich da mit der Peitsche hochtreiben?
JEKYLL: Contenance, mein lieber Hyde. Die Grundstimmung ist nicht unähnlich, obgleich MAN-EATER natürlich um Welten geschmackloser und damit auch legendärer als Paul Lynchs zweiter Slasher ist. Seine bizarre Stimmung bleibt unereicht. Aber auch HUMONGOUS hat in seinen besten Momenten diese von mir so geschätzte ominös-brackige Atmosphäre, die insbesondere in billigen Horrorfilm des Öfteren zu beobachten ist. Meistens beim Zusammenspiel von kranken Szenarien, grobkörnigen Bild und technischen Unzulänglichkeiten. Jede Wette, dass HUMONGOUS für eben jene morbide Stimmung, auf dem bundesdeutschen Index gelandet ist.
HYDE: Haha. Mit seinen Offscreen-Mordszenen hat er sich diese Ehre bestimmt nicht verdient...
JEKYLL: Und das Finale? Das musst selbst du zugeben, bester Hyde, das ist trotz vieler Nachtszenen nicht gänzlich misslungen. Die Szenen im Haus. Die anschließende Jagd auf das Final Girl. Das hat zugepackt.
HYDE: Gut. Der Endspurt stimmt etwas versöhnlicher. Zwei kurze, aber derbe montierte Gewalttaten, die mal -o Wunder!- tatsächlich on screen geschehen. Und die finale Hetzjagd gibt tatsächlich eine Ahnung davon, dass aus HUMONGOUS eventuell doch ein kleiner fieser Terrorflick hätte werden können. Doch mal ehrlich. Wer zum Teufel braucht HUMONGOUS, wenn er sich nicht auch TEXAS CHAINSAW MASSACRE, THE HILLS HAVE EYES oder den MAN-EATER angucken kann?
JEKYLL: Guter Einwurf. Doch für Slasherfilmfans, die nicht genug von irren Kolossen auf Teenager-Hatz bekommen können, ist HUMONGOUS nicht ganz verschwendete Lebenszeit, oder?
HYDE: Die ersten zehn und die letzten zehn Minuten waren ganz possierlich, okay. Aber der verdammte Film ging 94 NTSC-Minuten!
JEKYLL: Nun ja. Es ist spät geworden. Und der nächste Film aus dem Slasher-Kartoffelsack harrt schon unserer. Bevor wir, mein lieber Hyde, uns über einen eher mittelmäßigen Beitrag zum großen Slasher- und Terrorgenre einen Wolf...
HYDE: ...oder Hund, höhö!
JEKYLL: ...debattieren, beenden wir an dieser Stelle unser kleines Kamingespräch über HUMONGOUS. Resümieren wir, dass es sich hierbei um einen Film handelt, der in viel buchstäblichen Schatten ein paar lichte, weil brackige Momente hat, der aber wohl nicht ganz grundlos vom Radar des Fandoms verschwunden ist. In einem Punkt indes sind wir, mein hochgeschätzter Hyde, uns allerdings einig: Diese sonnengebräunte Kehrseite von Janet Julian - deliziös!
Paul Lynchs zweiter Schlitzerfilm nach dem nicht ganz unbekannten PROM NIGHT ist heutzutage sang- und klanglos in der Versenkung verschwunden. Nicht ganz zu unrecht, krankt er doch an zu vielen Offscreen-Morden und einer miserablen Szenenausleuchtung. Allerdings sorgt HUMONGOUS dann und wann für eine schön brackige Atmosphäre. Im recht fiesen Finale kann er weiteren Boden gut machen. Trotzdem halten ihn viele für einen Hölleninseltrip der eher langatmigen Sorte. Allerdings wächst der Film (ein klein bisschen) mit jedem Sehen. Vielleicht offenbart er sich irgendwann doch noch als minimalistische, aber unverstandene Lektion in Sachen Terror. Vorerst gibt es aber trotzdem nur