OT: Turist / Force Majeure
DRAMA: SWE, 2014
Regie: Ruben Östlund
Darsteller: Lisa Loven Kongsli, Johannes Kuhnke, Clara Wettergren, Fanni Metelius
So eine Lawine kann einem schon mal den Ski-Urlaub versauen. Und in weiterer Folge die Ehe ruinieren: Anstatt seiner Familie zu helfen, flüchtet Tomas nämlich in Panik vor einer Schneelawine, die auf die Aussichtsterrasse eines Restaurants zurast. Die Katastrophe bleibt zwar aus. Die Familie kommt mit dem Schrecken davon. Doch das Vertrauensverhältnis ist nachhaltig zerstört. Die nächsten Tage werden Tomas, Edda und die zwei Kinder nie wieder vergessen.
Laut spiegel.de habe Regisseur Ruben Östlund einen Film drehen wollen, der - Zitat - "die Scheidungsrate in die Höhe treibt". Nun denn: Ich habe mir HÖHERE GEWALT - der französische Alternativtitel FORCE MAJEURE gefällt mir besser, der schwedische Originaltitel TURIST ebenfalls - sicherheitshalber alleine angesehen. Man(n) weiß ja nie.
Tatsächlich geht Ruben Östlund mit dem männlichen Geschlecht denkbar hart ins Gericht: Der Mann, das ist ein Feigling. Hinter der perfekten Fassade eines Upper-Middleclass-Bobos, der coole technische Gadgets liebt und sichtlich viel Zeit im Fitness-Studio verbringt, klafft sie, die unheilige Dreifaltigkeit der männlichen Abgründe: Unzuverlässigkeit, Feigheit, Sprachlosigkeit. Sind wir uns ehrlich, im Grunde ist dieser Mann (grandios: Johannes Kuhnke) eine lächerliche, tragische Figur. Er wird im Laufe des Films zu einem Häufchen Elend mutieren.
Man muss nicht unbedingt im "Saudi-Arabien des Feminismus" (Julian Assange über Schweden) aufgewachsen sein, um diesem wenig schmeichelhaften Befund zum Zustand von Paarbeziehungen und Geschlechterbildern zumindest in Teilen etwas abgewinnen zu können.
TURIST ist filmisch durch und durch. Die Brillanz von Bild und Ton erinnern bisweilen an die Arbeiten des österreichischen Großmeister der emotionalen Vergletscherung - die Rede ist natürlich von Michael Haneke. Abzüglich dessen Hang zur intellektuellen Spröde und professorenhaften Distanz. Ruben Östlund schont seine Darsteller kein bisschen und treibt sie zu Ausbrüchen, für die der Begriff "Tour de Force" keineswegs zu hoch gegriffen ist.
Einige Bilder dürften sich dabei in die Netzhaut einbrennen. Allen voran natürlich die Lawine gleich zu Beginn des Films. Der Nervenzusammenbruch. Die Szene mit den Kindern im dichten Nebel. Und schließlich die Busfahrt am Ende, die mir durchaus bekannt vorkam: Das ist eine erstaunlich werktreue Verfilmung meiner ständig wiederkehrenden Höhenangst-Alpträume, in denen absurd steile Bergstraßen und kilometertiefe Abgründe links und rechts die Hauptrolle spielen. Ein Urangst-Film in vielerlei Hinsicht. Jetzt im Kino.
Eine Lawine löst eine Beziehungskatastrophe aus. Der preisgekrönte schwedische Film TURIST war ein Highlight der Viennale und ist jetzt regulär im Kino zu sehen. Ziemlich heftiger Stoff, der auch perfekt zu den gegenwärtigen meteorologischen Verhältnissen passt.