GRINDHOUSE: KANADA, 2011
Regie: Jason Eisener
Darsteller: Rutger Hauer, Gregory Smith, Molly Dunsworth, Brian Downey
Rutger Hauer, einst vor 30 Jahren HITCHER-DER HIGHWAYKILLER und Harrison Fords Gegenspieler in BLADE RUNNER, ist mittlerweile 67 Lenze alt. Während andere Leute in diesem Alter allerhöchstens noch jeden zweiten Mittwoch zum Seniorenbingo gehen oder die Enten im Stadtgarten füttern, besorgt sich der greise, aber unverwüstliche Holländer eine Schrotflinte. Und mit dieser im Anschlag macht er sich auf zu seiner letzten Mission, die da wäre: Aufräumen in dieser schmutzigen und gesetzlosen Stadt, die dem psychopathischen Gangsterboss Drake und seinen beiden missratenen Söhnen gehört ...
KRITIK:Man hört und liest ja mancherorts, dass es sich bei HOBO WITH A SHOTGUN, diesem neuesten blutig-bleihaltigen Auswurf des wiederauferstandenen Grindhouse-Kinos, objektiv betrachtet um einen ausgemachten, sinnlos gewalttätigen Mistfilm allererster Güte handelt.
Doch ich habe es geahnt. Mich (mit meiner heimlichen Schwäche für ausgemachte, sinnlos gewalttätige Mistfilme, die den ausgemachten sinnlos gewalttätigen Mistfilmen aus längst vergangenen Bahnhofskinozeiten die Ehre erweisen) hat er schon mit seinem herrlichen 70's-Style-Vorspann und den dazugehörigen sich catchy ins Ohr schmeichelnden Michael Holm-HEXEN BIS AUFS BLUT GEQUÄLT-Gedächtnistunes überzeugt.
Leute, mal ehrlich! Schon ein paar Sekunden Rutger Hauer als Train Tramp in einer in den sattesten Technicolor-Sommer-der-Liebe-Farben erstrahlenden Landschaft entlarven all die Anti-Hype-Aktivisiten als Lügenmäuler. Nennt mich Fanboy, nennt mich meinetwegen Arschloch, aber selten hat mich ein Vorspann nachts um 1 Uhr 39 mehr begeistert als der hehre von HOBO WITH A SHOTGUN. Rutger Hauer als Sattle Tramp uff'm Güterwaggon; das transportiert in zwei, drei Einstellungen mehr Gefühle als die LOVE STORY mit Ali McGraw in ihren gesamten 94:13 Minuten ohne Abspann!
Und danach? Kracht es. Aber richtig und nonstop! Political Correctness? Eine ernsthafte Auseinandersetzung mit den Themen "Selbstjustiz" oder "gesellschaftliche Außenseiter"? Eine richtige Story? - Nada, E-X-P-L-O-I-T- A-T-I-O-N heißt das Zauberwort! Sau what thou wilt! Gespielt wird ohne Rücksicht auf Verluste im hemmungslosen Crescendo eine Ode an das gewalttätig(st)e Grindhouse-Kino der Siebziger.
Und das war natürlich die Prämisse von Anfang an; seit uns der Titel HOBO WITH A SHOTGUN zunächst als Fake-Trailer bei den Grindhouse-Projektoren Rodriguez und Tarantino erschienen ist, bevor er mit 3 Millionen Dollar- Produktionskosten zum abendfüllenden Spielfilm gediehen ist. Damit hat er bei weitem das niedrigste Budget in der Phalanx seiner Grindhouse-Kollegen DEATH PROOF & PLANET TERROR (kosteten zusammen 53 Millionen) und MACHETE (ca 10,5 Millionen), was aber nicht verwundert.
Schließlich ist der Film von Newcomer Jason Eisener ein eher inoffizielles Mitglied von Robert Rodriguez' Großprojekt zur Reanimation des alten nordamerikanischen Sex & Violence-Kinos und dennoch vielleicht der räudigste mit der größten Fuck you-Attitüde.
HOBO WITH A SHOTGUN taucht irgendwo zwischen den ultra-violenten Filmen der ausklingenden 80er eines Jim van Bebber und THE CROW auf; zwischen GUTTERBALLS, Ittenbach, Troma, BRIDE OF FRANK und DEATH WISH.
Männer werden in Gullys gesteckt und mittels Abschleppseil und Pferdestärke geköpft; Kinder im Schulbus mit Flammenwerfern abgefackelt. In mehr als einer Szene überschreitet der HOBO WITH A SHOTGUN die Grenzen des guten Geschmacks und begibt sich bereitwillig auf jenes Terrain, wo dem Zuschauer nur zwei Optionen übrig bleiben: Lieben oder hassen, ohne Mittelweg.
Das gleiche gilt wohl auch für den visuellen Stil von HOBO WITH A SHOTGUN. Dem grindigen Bahnhofskino wurde nämlich nicht nur mit übertriebenen Gewaltexzessen die Ehre erwiesen, sondern mittels verfremdeter oder überbetonter Farben auch optisch. Diese Spielerei mit den Bildeffekten mag für manche gewöhnungsbedürftig sein, doch ich mag den Comic-Look des Films. Durch ihn bekommt HOBO Style und das gewisse Etwas. Die Bilder stammen übrigens von Allrounder Karim Hussain, den Genrefans sowohl als extremen Filmemacher (SUBCONSCIOUS CRUELTY), Drehbuchautor (THE ABANDONED) als auch Kameramann (WALLED IN) kennen.
Rutger Hauer kauft sich statt des Rasenmähers lieber eine Schrotflinte. Und
verwandelt in einer Stadt ohne Gesetz mehr als nur ein paar Schurkenköpfe in
tausendteilige Puzzlespiele, die kein Mensch jemals mehr zusammensetzen
kann...
Ein Außenseiterdrama nach Grindhouse-Art. Das Gebot der Stunde
heißt: No Story, no bullshit! Stattdessen: Endlose Schrotflintensalven und
Blutduschen. Und Rutger Hauer mittendrin. Im geilsten Scheiß seit ROBOT NINJA.
Das ist wie MACHINE GIRL; nur dass man das asiatische Schulmädchen durch
einen niederländischen Landstreicher ersetzt hat. Freude schöner
Exploitationfunken!