OT: The Sentinel
HORROR: USA, 1976
Regie: Michael Winner
Darsteller: Cristina Raines, Chris Sarandon, Burgess Meredith, Arthur Kennedy
Das hübsche Fotomodell Alison mietet sich in einem düsteren New Yorker Apartmenthaus ein. Einige ihrer Mitbewohner entpuppen sich als merkwürdige Zeitgenossen und nach einigen beunruhigenden Vorkommnissen beschwert sich Alison bei ihrer Maklerin über die Nachbarschaft. Die Maklerin ist irritiert und behauptet, Alison sowie ein alter, blinder Priester seien die einzigen Mieter in dem Haus. Ja, aber wer zum Teufel sind dann diese ganzen anderen unheimlichen Leute, die offenbar Tür an Tür mit Alison leben? Gemeinsam mit ihrem Freund Michael versucht Alison hinter das Geheimnis des unheimlichen Hauses zu kommen. Wo sie die Hölle erwartet ...
Jesus' Geburtstag ist kaum vorbei und wir huldigen auf unserer Filmseite weiter ungeniert dem Teufel, seinen Schergen und vor allem dem okkulten Verschwörungshorrorfilm. Wundert euch also nicht, wenn ihr "Filmtipps.at" als ersten Treffer erhaltet, wenn ihr das nächste Mal "Satan" googelt.
Anyway, heute ist trotzdem HEXENSABBAT!
Ende der 60er ist man auch in Hollywood nicht mehr am Zwiefachgehörnten vorbei gekommen und es wurde sich fast ein Jahrzehnt lang ausgiebig den satanischen Geschichten gewidmet. Die unsterblichen Klassiker dieser Zeit heißen ROSEMARY'S BABY, DER EXORZIST und DAS OMEN. THE SENTINEL, wie der vorliegende Film im Original heißt, und URLAUB IN DER HÖLLE sind dagegen eher Geheimtipps aus Hollywoods okkulter Phase.
Und das obwohl dem HEXENSABBAT neben einer ganzen Legion damaliger gestandenen Größen wie Chris Sarandon, Eli Wallach, John Carradine, Martin Balsam oder Burgess Meredith auch Nowaday-Stars wie Jeff Goldblum und Christopher Walken beigewohnt haben. Mit Michael Winner führte zwar ein Genre-Fremder, aber kein Greenhorn Regie. Einen Namen hat sich Winner allerdings als Action-Spezialist gemacht und hier vor allem mit seiner berüchtigten DEATH WISH-Reihe. Dass Winner sich nicht nur auf Charles Bronson, brachiale Selbstjustiz und bleihaltige Rachefeldzüge versteht, sondern auch die Hohe Kunst des langsam brennenden, subtilen, stockfinsteren Horrorfilms gelernt hat, beweist er hier.
Gelegentlich aufblitzende Momente verstörender Sexualität und des Wahnsinns. Ein alter, blinder Priester wird zur Omnipräsenz des Unbehagens, indem er lediglich stumm und reglos an seinem Fenster im obersten Stock steht und aus toten Augen hinaus ins Leere starrt. Dann - "Black and white cat, black and white cake..."- eine kafkaeske Geburtstagsfeier für eine Katze namens Jezebel.
Vordergründig ereignet sich nicht viel in den ersten 45 Minuten des HEXENSABBAT, aber unter der Oberfläche brodelt es schon ganz gewaltig. Hinter düsteren Schleiern werden bereits die Weichen für einige böse Twists gestellt, die sich dann in der gespenstischen zweiten Hälfte ihre Bahn brechen werden.
Startschuss dafür gibt ein wie aus dem Nichts zu mitternächtlicher Stunde hingesplatterter Gewaltausbruch, den man so von einer Hollywood-Produktion sicherlich nicht erwarten konnte; sind doch graphische Eyeball-Slashings eher das Metier von Lucio Fulci und anderen Italienern gewesen...
Wenn Chris Sarandon und das phillipinische Halbblut Cristina Raines dem Mietshaus schließlich einen letzten nächtlichen Besuch abstatten und sich die Pforten der Hölle vollends öffnen; ja, dann, Freunde, wird es noch einmal erlesen unheimlich. Zweifelsohne hat Winner das Finale adäquat zu einem schaurigem Alptraum inszeniert; dennoch muss man hinterfragen, warum er zum Schluss völlig ohne Not tatsächlich versehrte, mit Tumoren überwucherte Menschen zu einer zwar verstörenden, aber auch grotesken und entwürdigenden Freakshow aufmarschieren lässt.
Anders als dereinst bei Browning ist diese fragwürdige Zurschaustellung von der Handlung nicht gedeckt. Außerdem hatte Winner mit dem Maskenbildner Dick Smith gar eine lebende Legende in Lohn und Brot. Smith - nicht nur Vater der dämonischen Regan aus DER EXORZIST, sondern überhaupt einer der begnadesten Monstermacher Hollywoods - stellt sein Können freilich auch hier eindrucksvoll unter Beweis: Sein "Father Halloran" zählt in meinen Augen zu den zehn creepigsten Geistlichen des Horrorfilms. Und dies ist beileibe nicht die einzige Gestalt mit dem Potenzial, dem Publikum die Religion aus dem Leib zu gruseln; sei es beim legendären "Zombie-Chase" oder eben im stockfinsteren Finale.
Warum neben so viel hoher und schauriger Make-up-Kunst noch echter Stümpfe und Geschwüre bedurfte, ist mir persönlich ein Rätsel. Dieser Beigeschmack ist allerdings der einzig Faule an diesem ansonsten famosen Okkulthorror-Cocktail, der einerseits in Teilen den abgründigen Vorhöllen-Plot des zweiten SILENT HILL-Spiels vorwegnimmt und andererseits ahnen lässt, wo moderne diabolische Verschwörungen wie der mancherorts bereits zum Kultfilm erhobene HOUSE OF THE DEVIL oder der unterschätzte NIGHTMARE ON LEFT BANK den Most geholt haben.
Die Hölle ist ein düsteres Appartmenthaus in New York. Und das hübsche Fotomodell Alison hat dort verhängnisvollerweise ein Zimmer gemietet...- Starbesetzter, von Michael (DEATH WISH) Winner inszenierter HEXENSABBAT, der zunächst trügerische Ruhe vorgaukelt, aber spätestens mit einer in Nahaufnahme durch einen Augapfel fahrenden Messerklinge die Maske fallenlässt. Dem subtilen Grauen wird mit bösen Twists, kleinen verstörenden Einlagen und einer düsteren Atmosphäre gehuldigt; dem etwas offensichtlicheren mit der einmal mehr erlesen schaurigen Maskenarbeit des legendären Dick Smith. Das Finale wäre allerdings nicht weniger gespenstisch ausgefallen, wenn man dort auf den fragwürdigen Einsatz echter mißgestalteter Menschen verzichtet hätte.