OT: Kladivo na carodejnice
DRAMA / HISTORY / HEXPLOITATION: TSCHECHOSLOWAKE, 1969
Regie: Otakar Vávra
Darsteller: Josef Bláha, Eduard Cupak, Blazena Holisova, Jiri Holy
Europa, Ende des 17. Jahrhunderts: Eine während der Messe in ein Tuch gespuckte Hostie, die eine alte Frau für einen harmlosen abergläubischen Brauch verwenden wollte, ruft den Hexenrichter Franz Boblig von Edelstadt auf den Plan. Kaum in der böhmischen Grafschaft angekommen, übernimmt der Inquisitor schon das Regiment und fällt aus nichtigen Gründen, Habgier oder einfach nur aus grausamer Willkür ein Todesurteil nach dem anderen. Nur der aufgeklärte Dekan Laubner bietet dem größenwahnsinnigen Hexenjäger die Stirn und wendet sich hilfesuchend an den Bischof. Doch Laubner hat die Macht der Heiligen Inquisition unterschätzt ...
Wenn man den Stimmen zu Otakar Vávras HEXENJAGD glauben will (und warum sollte man dies nicht), haben wir hier so etwas wie den Witchploiter für den denkenden Menschen. Einen, der sich an die historischen Tatsachen hält und politische Untertöne hat. Und der sich abgrenzt von jenen Genregeschwistern, die wie die Hexenfilme eines Adrian Hoven ihren gesteigerten Wert auf das reißerische Element legen.
Doch Gemach, Freunde der gepflegten Hexenverfolgung, ein wenig Nuditäten und Folter gibt es freilich auch in diesem Film. Beides verkommt - und das ist der Unterschied zu HEXEN BIS AUFS BLUT GEQUÄLT - niemals zum Selbstzweck. Jedoch ist dieser tschechische, noch in Schwarz/weiß gedrehte Spielfilm nicht minder bestürzend und perfide wie der hundsgemeinste Hexploiter aus eurer Sammlung.
Denn die Geschichte von HEXENJAGD ist gleichzeitig die (historisch verbriefte) der letzten Hexenprozesse in Böhmen der Jahre 1678-95. Und aus Böhmen kamen natürlich die gleichen niederschmetternden Nachrichten wie aus jedem anderen Dorf (oder Film), dem die Heilige Katholische Inquisition einen Besuch abgestattet hat.
Legitimiert durch das widerwärtige Paragraphenpamphlet eines ganz offensichtlich sadistischen und frauenhassenden Mönchs, der den Teufel unter dem Deckmäntelchen pervertierter Rechtschaffenheit benutzte, um gegen klingende Münze seine eigenen kranken Allmachtsphantasien ausleben zu können, war grausamster Willkür und übelsten Denunziantentum Tür und Tor geöffnet. Und die Kirche ließ das finstere Mittelalter im Schein ungezählter Scheiterhaufen wiederauferstehen.
Auf solchen landete man zu diesen Zeiten nämlich schneller als man "Was zum Teufel ist überhaupt ein Inkubus?" sagen konnte. Die falsche Haarfarbe, ein kleiner Leberfleck oder auch nur eine haarsträubende Verleumdung eines übelmeinenden Zeitgenossen reichten da schon völlig aus. Ganz egal wie abstrus hanebüchen die Anschuldigungen auch waren - Unzucht mit Geistern, Wegzaubern von Genitalien oder ein nächtlicher Besenritt - die Inquisition nahm alles dankbar auf und schickte die Unglücklichen zu den hochnotpeinlichen Verhören, wo Daumenschrauben und Spanische Böcke dafür gesorgt haben, dass der Delinquent auch beim allergrößten Unfug geständig wurde. Und bei der Gelegenheit natürlich auch noch diejenigen mit anschwärzte, die der Kirche entweder ein Dorn im Auge waren oder deren Besitztümer man sich einverleiben wollte.
Otakar Vávra kommt in seinem Film stets präzise auf dem Punkt, wenn er die Aspekte der unseligen Hexenprozesse beleuchtet. Da haben wir den formvollendeten Kirchennazi und Scharfrichter Boblig von Edelstadt. Fast so größenwahnsinnig wie geldgierig. Da sind seine sadistischen, frauenquälenden Folterknechte. Da haben wir einen anderen, einen aufgeklärten Geistlichen, der neben der Bibel auch griechische Philosophen im Bücherschrank stehen hat und nicht an Hexerei glaubt. Einer der mutig genug ist aufzubegehren, aber im Stich gelassen und verraten wird.
Da haben wir den fetten Bischof, der in seinem prunkvollen Bistum residiert und den teure Gewänder mehr interessieren als das unterdrückte Volk vor seinen Toren. Und dann haben wir da natürlich noch den kleinen Mann, die kleine Frau, die Kinder; die ärmsten Schweine von allen, weil sie völlig schutzlos der Willkür der Mächtigen ausgeliefert sind.
In der Geschichte des Kinos haben tschechische Filmemacher bereits mehr als einmal bewiesen, dass sie ein besonderes Gespür für Atmosphäre und Bilderkraft haben. So verwundert es nicht, dass Vávras HEXENJAGD ein recht authentisch wirkendes, stimmiges Szenario vom Böhmen unter dem Joch der Inquisition auf den Bildschirm bringt. Wobei an dieser Stelle auch die äußerst wertige und gelungene deutsche Synchronisation Erwähnung finden sollte. Die bekommt übrigens ausgiebig Gelegenheit, die Tonspur mit einem brachialen Arsenal an abstrusen Anschuldigungen, Unterstellungen und (freilich erzwungenen) Geständnissen zu befeuern.
Diese sind in ihrem Wortlaut oftmals so lächerlich, dass man am liebsten drüber lachen würde. Leider bleibt das Lachen schnell im Hals stecken, wenn man bedenkt, dass hier größtenteils aus echten Gerichtsprotokollen zitiert wird. Und die ekelhafte Infamie, mit welcher die klerikalen und halbklerikalen Juristen über die arme und ungebildete Landbevölkerung hergefallen sind, wird einem hier derart eindringlich vor Augen geführt, dass man am liebsten noch einmal aus der Kirche austreten möchte ...
Erschienen ist HEXENJAGD übrigens als Nummer 3 der Edition "Vergessene Historienfilme" des Labels Voulez-vous, welches damit nach dem Opener ELEONORE ein weiteres großes Werk für kleines Geld auf DVD gebracht hat.
Der grausame Inquisitor Franz Bolig von Edelstadt wütet in einer böhmischen Grafschaft ... -
... und danach wünscht man sich eigentlich nichts Sehnlicheres als ein Kirchenaustrittsformular zum Unterschreiben herbei.
Nun aber mal ernsthaft: In stimmungsvollen Schwarz/weiß, mit starken Bildern und ziemlich eindringlich beschreibt dieser tschechische Film aus dem Jahr 1969 die letzten böhmischen Hexenprozesse des ausgehenden 17. Jahrhundert. Dabei hält man sich recht nahe an den überlieferten Tatsachen und selbstzweckhaften Folterungen fern. Sozusagen a thinking man's Witchploiter, der aber nicht gänzlich auf Daumenschrauben und kleinere Nuditäten verzichten will.
In diesem Sinne: "Sie lesen viele Bücher, Herr Dekan. Ich lese nur eines." - "Die Bibel?" - "Nein. Den Hexenhammer!"