DRAMA: USA, 2010
Regie: Spencer Susser
Darsteller: Joseph Gordon-Levitt, Devin Brochu, Natalie Portman, Rainn Wilson,
Der 13-jährige TJ hat Stress: In der Schule quält ihn ein bösartiger Bully bis aufs Blut. Und zuhause liegt der Vater auf dem Sofa und dämmert eingehüllt in einer Wolke aus Psychopharmaka dahin. Die Mutter ist gestorben, und die Großmutter ist auch nicht mehr ganz auf der Höhe. Und plötzlich sitzt der langhaarige Hesher (Joseph Gordon-Levitt) in der Unterhose auf dem Wohnzimmer-Sofa und schaut sich Pornos an. Der geheimnisvolle Eindringling wird von der Familie stillschweigend akzeptiert. Der Beginn einer wunderbaren Freundschaft? TJ hat seine berechtigten Zweifel ...
Joseph Gordon-Levitt-Festspiele auf filmtipps.at. Eben erst hat die geschätzte Kollegin Gerti seinen Fahrrad-Actionfilm PREMIUM RUSH besprochen. Ralph war von LOOPER angetan, und meine Geringfügigkeit schätzt den smarten Indie-Liebling spätestens seit 500 DAYS OF SUMMER. THE LOOKOUT war nicht übel, detto BROTHERS BLOOM, BRICK ist sowieso fast schon ein kleiner Klassiker, und die Leser, die seit unseren early days dabei sind, dürften von MYSTERIOUS SKIN Gutes gehört haben.
HESHER, geschrieben, geschnitten und inszeniert vom jungen australischen Regisseur Spencer Susser, pendelt Anfangs etwas unentschlossen zwischen Coming-of-Age-Drama und schwarzer Komödie. Erzählt wird die Geschichte einer Familie, die durch eine Katastrophe aus der Bahn geworfen wird: Seit dem Unfalltod der Mutter liegt der Vater depressiv auf dem Sofa und betäubt sich mit Tabletten. Der dreizehnhjährige TJ ist alleingelassen in einer feindlichen Umwelt. Dabei erstaunt nicht nur die Heftigkeit der Konfrontationen mit einem bösartigen Bully von Mitschüler. Überhaupt ist der Tonfall deutlich ruppiger als im amerikanischen Indie-Kino gewohnt.
Während der Film auf diversen Festivals und bei Publikumswertungen gar nicht schlecht abschnitt (7 komma irgendwas auf der IMDB ist bei "schwierigen" Filmen quasi eh schon die Höchstwertung), überrascht die Miesepetrigkeit, mit der Hesher bei der deutschen (Netz-)Kritik aufgenommen wurde. Mein Gott, was wurde da nicht über "Inkonsequenz" und "berechnend-vulgären Anti-Humor" geschrieben, und natürlich durfte das Totschlagargument to kill all Totschlagargumente nicht fehlen: "Klischeehaftigkeit".
Geh bitte. Joseph Gordon-Levitt macht alles richtig als mies gelaunter Metalhead, der wenig von T-Shirts hält und - Damenwelt, bitte herhören - einahe den gesamten Film mit nacktem Oberkörper durchs Bild rennt. Eine interessante Figur ist der Hesher auf alle Fälle: die Quersumme aus Jesus, Donnie Darko, dem Dude und Tyler Durden. Ein stets etwas unheimlicher Mann mit langen Haaren und schlechten Manieren, der dem an der Realität schwer zu beißen habenden Protagonisten die therapeutische Kraft der katharsischen Zerstörungswut angedeihen lässt. Der aber auch, wenn es darauf ankommt, menschliche Wärme zeigt und Wunder geschehen lässt.
Auch nicht schlecht: Natalie Portman, die hier hinter einer dicken Brille fast zur Unkenntlichkeit versteckt ein nerdiges Mauerblümchen spielt. Und wie nicht anders erwartet, ziemlich gut.
Der Schriftzug auf dem DVD-Cover deutet es an: Die Band Metallica, bislang nicht unbedingt für Humor und Großzügigkeit bekannt, war dem Filmprojekt durchaus wohlgesonnen und lizenzierte gleich fünf Songs für den Soundtrack.
Während man dem Film anfangs eine gewisse Unentschlossenheit durchaus vorwerfen kann, findet Regisseur Spencer spätestens in der Filmmitte den richtigen Ton und sorgt für Szenen, deren Ernsthaftigkeit und dramatische Fallhöhe überraschen. Der Schlussakt schließlich ist ganz großes Drama, mit einem unglaublich starken Bild, das hier natürlich nicht gespoilert wird, sich aber in die Erinnerung einbrennt. Schön fand ich auch, dass der Film bewusst einiges offen lässt und im Kopf weiter läuft. Hat man nicht jeden Tag, so was.
In diesem Sinne: "So you're dirty and wet? I'm coming!"
Tyler Durden ist Metallica-Fan und sieht aus wie Joseph Gordon-Levitt mit nacktem Oberkörper. Ziemlich konsequent gegen den Strich gebürstete Indie-Dramödie mit Tiefenwirkung. Für ein Debut ist der Film schon erschreckend gut gelungen. Tolle Schauspieler und ein Ende, das niemanden kalt lassen wird.