OT: Halloween H20: 20 Years Later
HORROR: USA, 1998
Regie: Steve Miner
Darsteller: Jamie Lee Curtis, Josh Hartnett, Adam Arkin, Michelle Williams, LL Cool J, Jodi Lyn O'Keefe, Adam Hann-Byrd
20 Jahre nachdem Michael Myers das letzte Mal versucht hat seine Schwester zu töten, ist er nun zurück gekehrt um Laurie Strode endlich zu erwischen. Doch Laurie ist vorbereitet - mehr oder weniger. Denn nun gilt es nicht nur sich oder die Nachbarskinder zu beschützen - jetzt geht es auch um ihren Sohn.
Mit HALLOWEEN H20 kehrte Jamie Lee Curtis nach 17 Jahren als Laurie Strode zu dem Franchise zurück, das sie einst zur größten aller Scream Queens des neu erschaffenen Horror-Subgenres, des Slashers, machte. 17 Jahre in Echtzeit, 20 Jahre in Film-Zeit. Denn mit HALLOWEEN H20 entschloss man sich, direkt an die Ereignisse des ersten und zweiten Teils der Reihe – DIE NACHT DES GRAUENS und DAS GRAUEN KEHRT ZURÜCK – anzuschließen. Da diese beiden Filme, auch wenn Teil 2 in einem neuen Jahrzehnt produziert wurde, in derselben Nacht spielen, also der Nacht des 31. Oktobers 1978, knüpft die Geschichte in H20 genau 20 Jahre danach an die damaligen Ereignisse an. Nach HALLOWEEN 2 – DAS GRAUEN KEHRT ZURÜCK ist freilich viel passiert im HALLOWEEN-Universum. Laurie Strode bekam eine Tochter, Jamie Lloyd, die ihrerseits wie einst Laurie adoptiert wurde. Michael bekam das jedoch mit und machte so Jagd auf sie. Die Ereignisse, die sich um Jamie Llyod drehen, werden in den Filmen HALLOWEEN 4 – DIE RÜCKKEHR DES MICHAEL MYERS, HALLOWEEN 5 – DIE RACHE DES MICHAEL MYERS und HALLOWEEN 6 – DER FLUCH DES MICHAEL MYERS behandelt. Für diesen 7. Teil, der laut der neuen Kontinuität eigentlich der 3. Teil der Reihe ist, entschied man sich jedoch diese Ereignisse weitestgehend zu ignorieren. Lediglich der Tod Lauries – der im vierten Teil erwähnt wird – wurde aufgegriffen und damit erklärt, dass Laurie Strode ins Zeugenschutzprogramm aufgenommen wurde, um sie vor ihrem Bruder Michael Myers zu beschützen.
Um deutlich zu machen, dass es sich bei H20 um eine direkte Fortsetzung des zweiten Teils handelt, beginnt dieser akustisch so, wie der letzte endet. Mit dem Lied Mr. Sandman der Band Chordettes, der für sich genommen schon irgendwie gruselig ist, in einem HALLOWEEN-Film jedoch noch um einiges unheimlicher wirkt. Die große Herausforderung bei der Produktion von H20 bestand nun nicht nur darin die inhaltlichen Jahre zu überbrücken. Nein, inzwischen waren 17 Jahre seit der letzten Produktion aus der Laurie Strode-Trilogie (zu Erklärung, siehe hier) vergangen. Wes Craven hatte zwei Jahre zuvor mit SCREAM – SCHREI! das Slashergenre revolutioniert, wie einst John Carpenter das Horrorgenre mit dem ersten HALLOWEEN-Film gewaltig veränderte. Der Slasher war im nächsten Jahrzehnt angekommen und gehörig modernisiert worden. Man musste also nun auch Michael Myers fit für die neue Zeit machen. Klar, Teil 6 der Reihe wurde nur drei Jahre zuvor produziert und erschien damit ebenso in den Neunzigern, fühlte sich jedoch über weite Teile noch an wie Slasher der 80er. Selbstironie, das Selbstreferientielle hatte inzwischen Einzug ins Slasherkino gefunden.
So auch bei HALLOWEEN H20. Denn während man drei Jahre später gehörig daran scheiterte die Reihe ins neue Jahrtausend zu überführen, gelang es den Autoren Robert Zappia und Matt Greenberg und Regisseur Steve Miner die HALLOWEEN-Reihe fit für’s neue Zeitalter und die neuen Genrekonventionen zu machen. Diese lauteten, die alten Konventionen ad absurdum zu führen und sie erst dann, wenn der Zuschauer es erwartet, auch zu befolgen. So hat auch unser drittes Opfer des Films, die gute alte Krankenschwester Marion Chambers-Wittington, dazu gelernt und rennt nicht die Treppe hoch oder sieht nach, wer da durch ihr Haus schleicht. Nein, sie nimmt die Beine in die Hand und rennt was das Zeug hält. Dass es ihr nichts nützt, ist eine ganz andere Geschichte, hrhr. Es ist wirklich erfrischend, dass so die gewohnten Muster aufgelöst werden und man trotzdem zu sehen bekommt, was man sehen will – Michael Myers im Blutrausch… oder war das Jason? Ach, irgendwie rauschen die doch alle.
Krankenschwester Marion Chambers-Wittington ist im Übrigen die ehemalige Assistentin von Dr. Sam Loomis, Michaels Psychiater. Dass sie diesen während der letzten Jahre betreut hat, bis er gestorben ist, bricht auch mit der Kontinuität wie sie durch Teil 5 entsteht, denn dort lebt er alleine in einem abgeschiedenen Haus. Es sind diese netten, kleinen Details, die man im Drehbuch für die aufmerksamen Fans versteckt hat, die wirklich Spaß machen, so wie schon in Teil 6 die Idee Tommy Doyle als Figur wieder einzuführen. Auch so ein nettes Detail am Rande ist das Alter Lauries Schwester Judyth Myers. So, jetzt sind kurz Mathekenntnisse gefragt. Laurie erzählt ihrem Freund Will – als sie ihn aufklärt, wer sie wirklich ist –, dass ihre Schwester zum Zeitpunkt ihres Todes 17 Jahre alt gewesen ist. Und damit genauso alt, wie ihr Sohn John am Abend des 31. Oktober 1998. Das trifft sich natürlich gut, gelangt sie so jedoch zu der Erkenntnis, dass Michael Myers vermutlich auf diesen Tag gewartet hat. Allerdings wurde Judyth Myers 1947 geboren und von Michael 1963 getötet. Damit war sie zu diesem Zeitpunkt erst 15 Jahre alt. Klar, da haben sich Zappia und Greenberg etwas verrechnet, doch das kann man mal nachsehen, denn es ist ein auch so ein spaßiges kleines Detail, dass den Die Hard- HALLOWEEN-Fan bei der Stange hält. Und außerdem, wer sagt denn, dass das nicht vielleicht sogar als kleines Gimmick extra ins Drehbuch geschrieben wurde?
Selbiges bietet denn auch einige nette False Scares und einen der wenigen Momente an denen Michael wohl einen guten Tag hatte und jemanden am Leben lässt. So klaut er diesmal ein Auto ohne dass er dessen Besitzer die Klinge spüren lässt. Auch mal ganz erfrischend. Interessanterweise weist diese Szene eine Parallele zu FREITAG DER 13. TEIL 6 – JASON LEBT, denn in diesem Teil lässt auch Kollege Jason Voorhees eine Gelegenheit verstreichen – in beiden Fällen sind Kinder involviert. Also, entweder haben unsere beiden Maskenschlitzer ein Herz für Kinder oder die Produzenten nicht genug Mumm Kinder zu töten. Muss ja aber auch nicht sein, denn die Momente in denen tatsächlich mal jemand verschont wird, bringen erst die richtige Würze. Sehr schön auch die Szenen in denen es nicht klar ist, ob Laurie nun wirklich Michael sieht oder nur halluziniert und die mitunter extrem ausgereizt werden. Natürlich profitieren genau diese Szenen auch von der Erwartungshaltung des Zuschauers, der mit H20 nicht gerade seinen ersten HALLOWEEN-Film sieht, ist es doch bekannt, dass Michael gerne mal auftaucht bloß um nach einem Blinzeln schon wieder verschwunden zu sein.
Sehr gut in Szene gesetzt wurde das wirklich gut geschriebene Drehbuch von Steve Miner – seines Zeichens kein unbeschriebenes Blatt im Horrorgenre. Der gute Mann begann seine Regiekarriere nämlich bei der Schwesterserie von FREITAG DER 13. und inszenierte den guten Teil 2 und den okayen FREITAG DER 13. TEIL 3 – UND WIEDER IST FREITAG DER 13. Gewalttechnisch geht es dann doch etwas gemäßigter zu als zum Beispiel bei dem, immer noch beschlagnahmten, dritten Teil der FREITAG-Reihe oder beim ebenso beschlagnahmten zweiten Teil der HALLOWEEN-Reihe. Aber Gewalt ist ja nicht alles, auch nicht für einen Slasher und schon gar für einen HALLOWEEN-Film, und dennoch langt Michael Myers trotz irreführender FSK 16-Freigabe ordentlich hin. Und das gar nicht mal so unkreativ. Viel wichtiger als das ist aber immer noch die Spannung, die die Reihe seit jeher auszeichnete – zumindest einen Gutteil der Beiträge – und die kommt auch bei H20 nicht zu kurz. Klar, das ein oder andere Mal ist der Schockmoment nicht wirklich so schockierend, weil ein wenig vorhersehbar, aber für diese Momente entschädigt dann stets das äußerst rasante Tempo, dass im Finale auch noch zulegt.
Vor der Kamera tummelt sich unter anderem Joseph Gordon-Levitt, der hier nur einen relativ kleinen Auftritt als Myers Opfer hat. Viel zu tun hat er nicht, sein Auftritt erfreut mich persönlich jedoch, da er eine große Nebenrolle, in dem von mir geschätzten 10 DINGE DIE ICH AN DIR HASSE hatte. Jamie Lee Curtis hat’s nach all den Jahren immer noch drauf und überzeugt als psychisch äußerst labile, medikamentenabhängige und alkoholkranke Laurie Strode, die von dem ewigen Warten auf Michael bereits fast vollständig zermürbt ist, sich aber aufraffen kann zum großen, alles entscheidenden Gegenschlag – der die Reihe wunderbar hätte abschließen können, hätte der große mächtige Dollar nicht für HALLOWEEN: RESURRECTION gesorgt. Bäh.
Josh Hartnett spielt im Endeffekt Josh Hartnett, so wie er es immer tut, aber da tut nicht weiter weh, denn irgendwie passt’s für die Rolle. Wie ich in meiner Besprechung zu RESURRECTION geschrieben haben werde – hehe, ich hab grad mal flugs in die Zukunft geschaut – zeigt LL Cool J hier, dass ein Rapper durchaus in solch einem Film mitspielen kann ohne sich oder den Film zum Affen zu machen. Cool Js Figur Ronny ist indes auch meine Lieblingsfigur in H20 – der Mann hatte nicht umsonst eine eigene Fernsehserie, die über 5 Staffeln lief. An Chris Durand als Michael Myers gibt‘s unterdessen auch nicht viel auszusetzen, außer vielleicht, dass er sich insgesamt etwas zu schnell und – für Myers Verhältnisse – hektisch bewegt. Mit dem zombieartigen Myers aus Teil 2 hat das nicht ganz so viel zu tun.
In diesem Sinne. "Hat ihnen schon jemand gesagt, dass Passivrauchen schädlich ist?" - "Ja, aber die sind alle tot."
P.S.: Für die beschissene CGI-Maske auf die man in manchen Szenen zurückgegriffen hat, hätte ich fast einen Punkt abgezogen – aber ich will ja mal nicht so sein.
HALLOWEEN H20 ist ein äußerst gelungener Beitrag zur HALLOWEEN-Reihe und transportiert das Konzept und die Geschehnisse um Laurie Strode und ihren irren Bruder Michael Myers gekonnt in die späten Neunziger. Gespickt mit einigen Referenzen an die vorangegangen Filme der Reihe und einem hohen Tempo macht der Film auch kleinere Unzulänglichkeiten wieder wett. Mit dem sehr schönen Ende schließt der Film nicht nur die Laurie Strode-Trilogie sondern auch die gesamte HALLOWEEN-Reihe auf schöne Art und Weise ab und lässt das Final Girl mal so richtig zurückschlagen. Ignoriert man den Nachfolgefilm HALLOWEEN: RESURRECTION – was man tun sollte – hat man also einen super Abschluss; entschließt man sich HR nicht zu ignorieren, hat man immerhin die Gewissheit, dass die Reihe so schön hätte enden können.