OT: Hansel and Gretel: Witch Hunters
KRAWALLMäRCHEN: USA/D, 2013
Regie: Tommy Wirkola
Darsteller: Jeremy Renner, Gemma Arterton, Famke Janssen, Zoe Bell
Hänsel und Gretel, 15 Jahre nach der bekannten Geschichte im Hexenhaus: Ihre Erfahrungen haben sie geprägt. Und sie nutzen sie als, na sagen wir Kopfgeldjäger. Im Visier stehen Hexen aller Colour, die möglichst einfallsreich gekillt werden - denn nur tote Hexen sind gute Hexen.
Es war so finster und so bitter kalt? ... Hm, nein, eigentlich nicht. Die Sonne schien und es war ein schöner Frühlingstag. Egal, ich hatte irgendwie Lust auf ein bisschen Krawall. Zudem stehe ich auf Märchen. Auch wenn ich immer noch auf den Märchenfilm warte, der die Diskussion um einen guten Märchenfilm ein für allemal beendet. Naja, so etwas habe ich von HÄNSEL UND GRETEL nicht erwartet. Eigentlich habe ich gar nichts erwartet, das heutige Kino lehrte mich schon zu oft das Fürchten.
Es war genau das, was ich erwartet bzw. befürchtet habe. Und auch noch mehr. Das fing schon an der Kasse an. Im Multiplex meiner Wahl war Kinotag. Ich lege also einen 10er hin und erwarte ein deutliches Rückgeld. Ich bekomme einen Euro zurück. Huch? 9,00 Euro kostet es doch regulär?!
Zurück zur Kasse. "Ähm. Ist heute nicht Kinotag?" - "Ja, sicher." - "Und warum kostet das dann 9,00 Euro?" (ein mitleidiger Blick sagt mir, dass ich die falsche Frage gestellt habe. Die Antwort fällt entsprechend kurz aus): "3D."
Ich hasse 3D.
Die Brille setze ich daher auch erst im letzten Moment auf. Das Blickfeld verengt sich augenblicklich, das Bild wird dunkler. Gut, das wird es sowieso. Zunächst gefällt mir aber der räumliche Effekt: Wie ein altes Scherenschnittspektakel sieht der Titelvorspann aus. Überhaupt - ein richtiger Titelvorspann. Ich bin ganz angetan. Dass man sich so etwas überhaupt mal wieder traut.
Und dann geht die Geschichte los. Erster Auftritt der erwachsenen Hänsel und Gretel - in Augsburg, das aber in Babelsberg entstand. Der bayerische Wald ist die sächsische Schweiz. Naja, Amerikaner nehmen das ja nicht so genau. Für die ist Deutschland eh nur Bayern. Und hübsch sieht es ja aus. Hübsch sieht auch Gretel aus. In der schwarzen, hautengen Corsage macht sie wirklich eine gute Figur. Aber dafür ist so etwas ja auch da.
Nach 20 Minuten dann der erste Auftritt von Famke Janssen als Hexe, ganz in schwarz. Es ist eine 1:1 Kopie aus dem berühmten ersten Auftritt von Barbara Steele als Reinkarnation der Hexe Asa in DIE STUNDE WENN DRACULA KOMMT. Mario Bava komponierte damals mit ihrer grazilen Art und den beiden riesigen, flankierenden Hunden ein Bild für die Ewigkeit. Als - tja, Zitat? Reminiszenz? Anspielung? Hommage? - geht das bei HÄNSEL UND GRETEL natürlich am Zielpublikum zwischen 16 und 25 total vorbei. Vergebene Liebesmüh. Sympathisch ist es dennoch.
Nach gut 50 Minuten ist dann der Film auch schon zu Ende. Oder besser, die Geschichte. Die restliche halbe Stunde bis zum endlosen Titelnachspann ist der Showdown, der natürlich wie immer viel zu lange ausfällt. Aber das hatte ich erwartet. Sowohl im positiven als auch im negativen Sinne. Es nimmt wie immer kein Ende. Und nach dem Ende kommt noch ein Ende. Das gibt sich obercool, macht einen auf Brachialgewalt, ist aber einfach nur überflüssig. Was sollte das überhaupt sein? Eine Hommage an den Beginn von John Carpenters VAMPIRES?
Überrascht bin ich, wie blutig der Film mit einer 16er Freigabe nicht nur zum gerade erwähnten Ende-Ende daherkommt. Vor 15 Jahren haben da die Moralwächter noch mit der Schere gezuckt. VAMPIRES war kein Deut brutaler, wurde aber sogar indiziert. Vermutlich schwebte Regisseur Tommy Wirkola noch mehr vor. Sein DEAD SNOW legte die Messlatte ja deutlich höher. Aber damit hätte er das Zielpublikum erst recht verfehlt.
Immerhin unterläuft der Film meine Erwartung, dass jede Einstellung digital zusammengesetzt wurde. 60% sind es vermutlich dennoch. Ist das für heutige Verhältnisse normal oder sogar schon wenig? Keine Ahnung. Mich nervt der massive CGI-Aufwand dennoch. Und bei der endlosen Hexenjagd verpufft die Räumlichkeit. Wann begreifen die Filmemacher, dass das Auge für die Wahrnehmung von Raum auch Raum braucht? Bei hektischen Schnittstakkatos wird 3D im besten Fall herzlich egal.
Aber ich hasse ja auch 3D.
Dennoch, der Film ist nicht nur erstaunlich kurz, sondern auch kurzweilig genug. Es gibt genug anregende Eyecandies. Und ich lerne, dass auch Gretel zuvor ein Bondgirl war. Was für eine Karriere. Den Bond habe ich zwar nicht gesehen, aber dafür die Corsage in 3D. Hm. Ok, manchmal ist der räumliche Effekt ja auch für etwas gut.
Ende gut, alles gut. HÄNSEL UND GRETEL erfüllt die Erwartungen an einen gepflegt unterhaltsamen Kinonachmittag. Hirn aus. Popcorn an. Die Quadratur des Kreises, einerseits die Teeniefraktion zu bedienen, andererseits aber die Handbremse nicht zu sehr anzuziehen, gelingt ihm ganz gut. Ab und an blitzt sogar etwas vom Können Wirkolas auf, auch wenn es keiner mitbekommt. Auf einen richtig guten Märchenfilm muss ich weiter warten. Ich weiß schon, es war einmal...