DRAMA: USA, 2010
Regie: Noah Baumbach
Darsteller: Ben Stiller, Juno Temple, Rhys Ifans, Jennifer Jason Leigh
Vollkommen fix und vierzig: Nach einem Nervenzusammenbruch kehrt der erfolglose Musiker Roger Greenberg zurück nach L.A., in die Stadt seiner Kindheit. Hier versucht er, wieder auf die Beine zu kommen. Im Haus seines wohlhabenden Bruders lernt er dessen Haushaltshilfe kennen - die kaum halb so alte Florence. Natürlich verliebt sich der alte Neurotiker in die junge Frau. Doch weil Menschen Greenberg nervös machen, dauert es, bis die beiden ungleichen Charaktere zueinander finden ...
KRITIK:Irgendwann kommen sie alle in das Alter für tragische Rollen. Ben Stiller (45) gibt in GREENBERG den besten Woody Allen, den er drauf hat - meilenweit weg von Brachialhumorklassikern wie ZOOLANDER, TROPIC THUNDER oder THERE'S SOMETHING ABOUT MARY. Aber immer noch ausgesprochen lustig.
Der neue Film von Regisseur Noah Baumbach - Empfehlung an dieser Stelle: THE SQUID AND THE WHALE - erinnert stimmungsmäßig eher an Werke wie LOST IN TRANSLATION oder PUNCH DRUNK LOVE. Jedenfalls hat er mich mit der selben, schwer zu fassenden Mischung aus Euphorie und Melancholie nach dem Kinobesuch in die dunkle Nacht entlassen.
Sind wir nicht alle ein bisschen Roger Greenberg? Mit unseren Unsicherheiten, Neurosen, Peinlichkeiten, Defiziten und Selbstzweifeln? Mit unserer Angst vorm Altern und die Coolness zu verlieren?
Auch auf die Gefahr hin, überheblich zu klingen: Es bedarf wohl einer gewissen Lebenserfahrung, um Filme wie GREENBERG in ihrer ganzen Schönheit zu erfassen. Fehlt diese, dann kommt so etwas heraus - ein weltfremder Verriss, bei dem man sich fragt, ob der Autor wirklich den selben Film gesehen hat.
Bitte mich nicht falsch zu verstehen: GREENBERG ist kein Film für jämmerliche alte Säcke, die ihrer verlorenen Jugend nachtrauern. GREENBERG ist auch keine peinliche Altmännerphantasie - obwohl: peinlich berührende Szenen gibts en masse, aber seht selbst - und schon gar kein tristes Midlife-Crises-Drama. Denn die junge Frau (eine Entdeckung: Greta Gerwig) bekommt fast genau so viel Screentime wie Ben Stiller. Auch sie steht deutlich neben der Spur, auch sie hat ihr Leben nicht wirklich im Griff.
GREENBERG ist eine traurige, witzige, mitreißende, bisweilen ganz schön bösartige Liebeserklärung an Neben-der-Spur-Steher wie dich und mich und somit einer der besten Filme des zugebenen noch kurzen Kinojahres. Und allein schon der Soundtrack von James Murphy alias LCD Soundsystem ist die Kinokarte wert.
Ben Stiller ist auch im tragischen Fach ausgesprochen lustig und Greta Gerwig die Newcomerin des Jahres. Greenberg ist eine traumschöne - und auch traumschön fotografierte Tragikomödie mit Schauplatz L.A. Stadtneurotiker, Woody Allen-Fans und Orientierungslose aller Couleurs, worauf wartet ihr noch?
In diesem Sinne: "Du hast dich von einem Geistesgestörten lecken lassen?"