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Green Room

Green Room

THRILLER/HORROR: USA, 2015
Regie: Jeremy Saulnier
Darsteller: Imogen Poots, Alia Shawkat, Anton Yelchin, Macon Blair, Patrick Stewart

STORY:

Es war wohl keine besonders gute Idee, vor Bomberjacken-Publikum "Nazi Punks Fuck Off" zu spielen. Es war generell keine gute Idee, in diesen rechten Schuppen aufzutreten, mitten in den finsteren Wäldern von Orgeon, wo sich Nazi-Glatze und Kampfhund Gute Nacht sagen. Und dann noch ein Handy im Backstage-Raum vergessen, wo eben ein Groupie erstochen wurde. Darcy, der Besitzer des Ladens, weiß, wie man die Polizei ablenkt - und Zeugen beseitigt. Die Band verbarrikadiert sich im Green Room ...

KRITIK:

Vor circa eineinhalb Jahren lief BLUE RUIN im Kino. Der Singular ist beabsichtigt: In exakt einem Wiener Kino, also quasi unter Ausschluss der Öffentlichkeit. BLUE RUIN war ein kleiner, hinterfotziger, sehr atmosphärischer Rachethriller, in dem ein Obdachloser den Mörder seines Vaters töten will und in Konflikt mit einer kriminellen White Trash-Familie gerät. Die wenigen Menschen, die BLUE RUIN gesehen haben, dürfen sich freuen. Regisseur Jeremy Saulnier (langjährige Filmtipps-Leser erinnern sich vielleicht noch an sein Indie-Debut MURDER PARTY) hat einen neuen Film am Start. GREEN ROOM heißt er.

In hübschen (Drohnen-)Landschaftsaufnahmen folgt die Kamera einer erfolglosen Hardcore-Punkband auf ihrem Weg durch den amerikanischen Nordwesten: Gigs sind rar, das Publikum spärlich, die Gagen reichen kaum fürs Benzin (das man bei Bedarf aus den Tanks anderer Autos abzapft). Die Band strandet in einem abgelegenen Club mitten in den Wäldern. Das Publikum ist stramm rechts. Aber immerhin: Die Gage stimmt. Den Auftritt selbst bringt die Band - von ein paar fliegenden Bierflaschen abgesehen - unbeschadet über die Bühne. Doch durch einen unglücklichen Zufall werden sie Zeugen eines Mordes. Darcy, der Besitzer des Ladens, kann keine Zeugen brauchen. Er trommelt seine Schlägertrupps zusammen. Und für die Band, die sich im Backstage-Raum verbarrikadiert hat, beginnt ein aussichtsloser Kampf.

Soweit die Ausgangslage. Ich war auf einen Backwoods/Survival-Thriller durchaus härterer Gangart eingestellt. Doch was die restlichen 70 Minuten von GREEN ROOM passiert, hat mich, gelinde gesagt, überrascht. Ich musste lange überlegen, wann ich im Kino zuletzt einen derart kompromisslos knüppelharten, aber im Realismus geerdeten Film gesehen habe. BONE TOMAHAWK spielte auf einem härtegradtechnisch vergleichbaren Level. Aber der lief lediglich im Heimkino. Nicolas Windin Refns ONLY GOD FORGIVES zelebrierte die Gewaltspitzen ähnlich feierlich wie THE GREEN ROOM, scheidet aber aufgrund seiner entschieden surrealen Bilderwelten aus Vergleich aus. 10 CLOVERFIELD LANE erzeugt eine ähnlich klaustrophische Atmosphäre, hat aber kein Interessen an gewalttätigen Grenzüberschreitungen. AMERICAN ULTRA ist auch nicht gerade zimperlich in seinen graphischen Kills, geht aber letztlich als ätzende Satire durch. GREEN ROOM hingegen leistet sich erfreulicherweise keine ironischen Brechungen.

Nein, wir müssen uns viel weiter zurück in die Filmgeschichte bewegen, zu Geoffrey Wrights ROMPER STOMPER, zu John Carpenters ASSAULT oder gleich zu Klassikern des Terrorkinos der Seventies. Aber im Grunde hat GREEN ROOM keine gewichtigen Vergleiche, die zwangsläufig hinken müssen, nötig. Jeremy Saulnier ist ein junger Scheiss-mich-nix-Regisseur, der seinen eigenen Weg geht. Und wie. Die Inszenierung ist souverän, konzentriert, aufs Wesentliche reduziert. Das Ergebnis ist ein extrem harter und aufgrund seines Realismus stellenweise wirklich schmerzhafter Nazi-Terrorfilm, der ungekürzt unsere Lichtspieltheater heimsucht. Sollte keineswegs versäumt werden.

Green Room Bild 1
Green Room Bild 2
Green Room Bild 3
Green Room Bild 4
Green Room Bild 5
Green Room Bild 6
Green Room Bild 7
FAZIT:

Eine Hardcore-Punkband verbarrikadiert sich im Backstage-Raum eines Nazi-Clubs. Und draußen blitzen die Messer, kläffen die Kampfhunde und werden die Waffen durchgeladen. Neuer, knüppelharter Film von BLUE RUIN-Regisseur Jeremy Saulnier, mit dem viel zu jung verstorbenen Anton Yelchin als Bassist, Imogen Poots als Skin-Braut und Patrick Stewart als Ober-Nazi auch sehr interessant besetzt.

WERTUNG: 8 von 10 rote Schuhbänder
Dein Kommentar >>
Lesotho | 17.07.2016 23:31
In der Tat, ein großartiger Schlag in die Magengrube...und er zeigt, wie talentiert Anton Yelchin war...
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