OT: Ginger Snaps Back: The Beginning
HORROR: Kanada, 2004
Regie: Grant Harvey
Darsteller: Katharine Isabelle, Emily Perkins, Nathaniel Arcand, JR Bourne, Hugh Dillon
1815: Die beiden Schwestern Brigitte und Ginger irren mutterseelenallein durch den Wald, als sie an einem Fort vorbeikommen. Dort bitten Sie um Unterschlupf, doch die Bewohner sind ihnen, bis auf wenige Ausnahmen, nicht freundlich gesinnt.
Denn die Männer sind seit geraumer Zeit im Fort eingeschlossen, da unheimliche Wesen sie aus dem Wald heraus immer wieder angreifen. Langsam werden die Lebensmittel knapp und der Kammandant hat ein fürchterliches Geheimnis, das den beiden Schwestern fast zum Verhängnis wird...
Nachdem sich Ginger im ersten Teil vollständig in einen Werwolf verwandelt hatte und von Brigitte getötet wurde, kehrte sie im zweiten Teil als Geist zurück. Was jedoch nicht besonders aufregend war und auch irgendwie wenig zur Handlung beitrug. So musste Emilie Perkins die Geschichte weitgehend alleine stemmen. Was ihr hervorragend gelungen ist, keine Frage. Aber Ginger Snaps ohne Ginger ist einfach nur Snaps und eine Fitzgerald-Schwester ohne die andere ist auch nur ein halber Werwolf... äh, Mensch. Oder doch Werwolf? So genau ist das ja nicht zu sagen bei den beiden.
Ginger musste also wieder unter den Lebenden weilen und woher nehmen und nicht stehlen? Schließlich sind wir hier nicht in irgendeiner Marvel Comic-Serie in der niemand länger als zwei Ausgaben lang wirklich tot ist, oder in irgendeiner schlechten Telenovela in der die Figur nicht tot sondern lediglich ausgerutscht ist, sich den Kopf angeschlagen hat und bedingt durch eine schwere Amnesie drei Jahre in einem thailändischen Bordell als Ladyboy gearbeitet hat, bevor sie dann doch wieder auftaucht. Was liegt also näher als ein Prequel. Und dann nicht einfach nur 20 Jahre in die Vergangenheit - in der es die Fitzgerald-Schwestern rein alterstechnisch noch nicht gegeben hätte -, sondern 200 Jahre. Direkt zum Ursprung, nicht des eigentlichen Werwolf-Fluchs, doch zumindest zurück zu dem Fluch, der auf den Fitzgerald-Schwestern zu liegen scheint.
Moment mal, wurde Ginger nicht einfach von einem Werwolf gebissen, weil sie nachts mit ihrer Schwester draußen spielen war, dürften sich jetzt einige Fragen. Was hat das mit einem Fluch zu tun? Erstmal nicht allzu viel, immerhin ist der dritte Teil der erste Versuch dem GINGER SNAPS-Franchise eine tiefergehende Mythologie zu verpassen. Ich habe hier und da gehört und gelesen, dass einige diesen Versuch für nicht gelungen halten und die nachträglich entstandene Mythologie für zu aufgesetzt. Auf den ersten Blick mag das auch so anmuten. Der Bogen, der zwischen dem dritten und ersten Teil gespannt wird, ist schon recht groß.
Allerdings wird in GINGER SNAPS nie geklärt, was den Werwolf in das beschauliche Städtchen der Fitzgeralds verschlagen hat. Und vor allem warum er pünktlich zu Gingers einsetzender erster Periode dort auftauchte. Hätte er es einfach nur auf Mädchen in ihrer "bösen Woche" abgesehen, hätte es mit Sicherheit genug andere Opfer gegeben, die er hätte attackieren können. Der Werwolf brachte sich jedoch schon vor dem Einsetzen Gingers Periode in Position und verweilte eine Weile im Ort bis es wirklich losging. Er muss es also direkt auf Ginger abgesehen haben und zudem auch gespürt haben, dass sie bald auf der roten Welle surfen wird. Es scheint, als hatte er eine Art Aufgabe zu erfüllen, indem er Ginger zum richtigen Zeitpunkt mit dem Werwolf-Virus infizierte. Eben so, als wolle er eine Bestimmung erfüllen.
Und diese hat mit den Ereignissen aus GINGER SNAPS III - DER ANFANG zu tun, denn wie der Titel schon sagt, beginnt die ganze Geschichte hier. Würde man sie von hier aus weitererzählen, gäbe es mit Sicherheit über unzählige ähnliche Geschehnisse im Leben der Fitzgerald-Frauen kommender Generationen zu berichten. Zumindest bei jenen die als Zwillinge auf die Welt kommen. Denn Brigittes und Gingers Mutter scheint von dem "Fluch" nicht betroffen zu sein. Schließlich waren es Brigitte und Ginger - also Fitzgerald-Zwillinge – die für immer zusammenhalten wollten. Dass Brigitte ihre Schwester im ersten Teil töten konnte, erstaunt auf den ersten Blick in Anbetracht der Ereignisse in GINGER SNAPS III. Im Endeffekt beweist er jedoch, dass sich das Schicksal nicht austricksen lässt und die Nachfahren Gingers und Brigittes die Bestimmung ausführen, derer sich ihre Vorfahren noch verweigerten.
Erstaunlich ist vor allem, wie gut die Produktion ausgestattet ist. Dass das Budget noch unter dem vieler billiger DTV-Actioner lag, sieht man dieser Fortsetzung kein bisschen an. Gut, winterlichen Wald gibt es ja in Kanada genug, so dass das atmosphärische und detailreiche Set direkt vor der Haustür liegt. Aber auch das Fort sieht nicht aus wie "Lass mal 'ne Wand bauen, den Rest macht der Green Screen", sondern ist echte Handarbeit und dazu noch überzeugend ausgestattet. Das komplette Setting in GINGER SNAPS III ist märchenhaft angehaucht und das spiegelt sich wunderbar in den dezent surrealen Sets wider.
Das Werwolf-Design ist wie üblich gewohnt trashig und statt wie furchterregende Monster, sehen sie Wölfchen eher aus wie mit Flokati-Teppichen belegte Stuntleute im Neoprenanzug. Während dieses Design beim ersten Teil noch eine Notlösung war, da nicht genug Budget für detailliertere, hübschere SFX vorhanden war, wurde es für die nachfolgenden Filme einfach übernommen - was für einen gewissen Charme sorgt. Da die Effekte von der bekannten KNB EFX Group handgemacht wurden, sieht das alles immer noch besser aus, als irgendwelche CGI-Wölfe. Denn selbst schlechte, aber handgemachte Effekte sind immer noch besser als in dieser Preiskategorie mit dem Rechner gemachter CGI-Murks.
Natürlich sind die Themen Sexualität und Weiblichkeit, beziehungsweise die betont weibliche Ausrichtung - die den ersten GINGER SNAPS eben vom Gros der Horrorfilme und Kreaturenfilme abgehoben hat - auch im dritten Teil wieder zu finden. Zwar gibt es hier keine Zusammenhänge zwischen der Monatsblutung und der Verwandlung in unberechenbare, gefährliche Bestien -höhö. Aber die sexuelle Spannung, zum Beispiel als Ginger und Brigitte ins Fort kommen, in dem die Männer seit Monaten ohne Frauen gehaust haben, ist förmlich greifbar. Dass der Priester in den beiden Hexen die Ursache seines Übels sieht - und daher auch vor Mord nicht zurückschreckt - kann als dezenter Seitenhieb Richtung Kirche und deren Moral verstanden werden. Die GINGER SNAPS-Filme gelten schließlich zu Recht als intelligente Horrorfilme.
In diesem Sinne: "Tötet den Jungen, sonst wird eine Schwester die andere töten!"
Mit GINGER SNAPS III - DER ANFANG bekommt die GINGER SNAPS-Reihe eine Mythologie verpasst, die nicht unbedingt notwendig gewesen wäre, aber durchaus eine Bereicherung darstellt und der Werwolf-Geschichte zu zusätzlicher Tiefe verhilft. Zwar fügt sich nicht jedes Puzzleteil nahtlos ineinander, aber das ist nicht weiter tragisch. Katharine Isabelle und Emily Perkins spielen wieder hervorragend. Dank der märchenhaft-surrealistischen Atmosphäre, durch sein abwechslungsreiches Setting und die optisch gelungene Ausstattung ist GINGER SNAPS III - DER ANFANG der schönste der drei Filme.