DRAMA: GB, 2005
Regie: Stephen Poliakoff
Darsteller: Bill Nighy, Miranda Richardson, Emily Blunt, Robert Lindsay
GB kurz vor dem Millennium. Der PR-Manager Gideon Warner ist der Mann der Stunde, Politiker, Filmstars, Medienmogule - sie alle scharen sich um Gideon, dessen Firma gerade dabei ist den großen Deal an Land zu ziehen. Doch Gideon ist schon lange des Rummels überdrüssig, viel mehr als die Frage wie die Feier zum Millennium auszusehen hat, beschäftigt ihn die Zukunft seiner Tochter, die gerade auf dem Weg zum Erwachsenwerden ist und sich ihm mehr und mehr entzieht...
KRITIK:Eine Filmpremiere - Stars und Sternchen laufen über den roten, von Fotographen und
Fans gesäumten Teppich. Frauen führen ihre schönsten Kleider aus und nach dem Film
werden auf der Aftershowparty exquisite Speisen serviert. Man ist hier um gesehen
zu werden und um zu sehen wer sonst noch alles gekommen ist. Und wer nicht.
Während des Dinners schweifen die Blicke immer wieder durch den Saal. Wer sitzt wo?
Und mit wem? Wer unterhält sich mit wem? Immer wieder wandern die Blicke in Richtung
eines älteren Herren, der zusammen mit seiner Tochter dem Event beiwohnt: Gideon.
Und alle wollen sie etwas von ihm. Sich mit ihm unterhalten, einen Rat, irgendetwas.
Also beobachten sie ihn. Den Mann, der etwas gelangweilt am Tisch sitzt und nur
wenig isst. Er hat es eben satt. Den ganzen Trubel, den ganzen Rummel um seine
Person, einfach alles.
Doch je mehr er sich von den anderen abkapselt, je mehr er sich zu isolieren
versucht und je weniger er ihnen zuhört, desto hartnäckiger werden sie, desto mehr
wollen sie.
Eben dieser Gideon steht im Zentrum des Films. Ein Mann, der mehr und mehr erkennt,
dass Glamour und Reichtum nicht alles sind, das es mehr gibt. Und der unter der
schwierigen Beziehung zu seiner einzigen Tochter leidet. Dem Zuseher wird nicht
vorenthalten, dass Gideon selbst an der Misere, in der er sich befindet, schuld ist.
Dass er in seinem Leben mit Sicherheit schlimme Fehler begannen hat.
Doch sein Leben beginnt sich langsam zu ändern als er die Bekanntschaft mit Stella macht.
Stella - die so erfrischend anders ist, als die Menschen, mit denen Gideon für gewöhnlich zu
tun hat. Der es nicht um Geld oder Karriere geht. Die ihm eine andere, von ihm
längst vergessene, Seite Londons zeigt. Der er sich ganz und gar öffnen kann. Und
die weiß, wie es ist, ein Kind zu verlieren.
Regisseur Stephen Poliakoff hat in seinem Film nichts dem Zufall überlassen. Selbst
das Jahr, in dem Gideons Geschichte seinen Anfang nimmt, 1997, ist nicht zufällig
gewählt. Wir erinnern uns, 1997 war das Jahr in dem (nicht nur) Großbritannien in
eine Art kollektiver Trauer über den Tod der Prinzessin der Herzen ausbrach. Auch
wenn das Ereignis nur den Hintergrund bildet, wird es von Poliakoff geschickt in die
Geschichte eingewoben, und sei es nur um zu zeigen wie einzelne Charaktere das
Ereignis auf dem Bildschirm verfolgen, unter welchen Gesichtspunkten sie das
Begräbnis begutachten.
Poliakoff schuf mit Gideons Tochter einen Film, der vor allem über seine Bilder
funktioniert. Am stärksten sind die Szenen, die ohne Worte auskommen. Sein Werk ist
voller Bilder von nahezu surrealistischer Schönheit. Für einen solchen Film braucht es
natürlich auch gute Schauspieler, und die hat er mit Miranda Richardson, Emily Blunt
und Bill Nighy auch gefunden. Vor allem letzterer liefert eine Performance die sich
gewaschen hat.
Bill Nighy, den man in unseren Breitengraden, wenn überhaupt, meist nur als gealterten
Rocker, exzentrischen Frisör/Planetenbauer oder orgelspielendes Tentakelmonster
kennt, gelingt es mit schier unglaublicher Intensität den Schmerz und die Ängste
seiner Figur darzustellen, nur durch Blicke oder kleinen Gesten. Von tragikomischer
Schönheit beispielsweise die Szene in der der große Gideon Warner, vor dem Stars und
Politiker, selbst Millionäre zu Kreuze kriechen, sich auf allen Vieren auf die Suche
nach einem verlorenen Meerschweinchen macht. Kein Wunder, das er für die Rolle einen
Golden Globe gekriegt hat.
In wunderschönen Bildern eingefangene Parabel über Ängste, Verluste und eine zweite Chance. Vielleicht hin und wieder etwas zu "schön", aber Filme müssen nicht immer nur hundertprozentig realistisch und düster sein. Wenn man großes Schauspielkino zu schätzen weiß sieht man über solche Dinge leicht hinweg.