PSYCHODRAMA: A, 1997
Regie: Michael Haneke
Darsteller: Ulrich Mühe, Susanne Lothar, Arno Frisch, Frank Giering, Stefan Clapczynski
Georg, Anna und ihr Sohn Schorschi verbringen ihren Urlaub in einem Ferienhaus am See. Als es an der Tür klingelt und der höfliche Peter um ein paar Eier bittet, ist die Welt noch in Ordnung, doch dann verwandelt sich das Idyll radikal in einen Albtraum ...
... Peter und Paul, der später hinzu kommt, überfallen die Familie und quälen sie bis aufs Äußerste.
Bislang gibt es hier ja nur die hervorragende Kritik von Ralph zum Remake (das ich allerdings nicht so bezeichnen würde): Funny Games U.S. Grund genug endlich einmal den Originalfilm zu rezensieren.
Remake aus dem Grund nicht, weil es ja eine Bild-für-Bild-Neuauflage des gleichen Stoffes ist, nicht zuletzt auch aus der Hand von Haneke selbst. Warum, das hat Ralph ja schon thematisiert.
Leider hatte ich nicht das Glück Funny Games U.S. vollkommen unvoreingenommen zu sehen. Mir war Funny Games lange bekannt. Und ich bin definitiv ein Verfechter des Originals. Wobei das sicher zu einem großen Teil dem geschuldet ist, dass ich diesen Film einfach zuerst gesehen habe. Noch dazu hatte ich das große Glück Funny Games rein zufällig zu sehen. Soll heißen, als ich ihn das erste Mal sah, hatte ich keine Ahnung von diesem Film. Und somit hat mich damals die volle Wucht getroffen. Ich war in der Tat fix und fertig danach. Interessanterweise ging es mir viele Jahre später bei Funny Games U.S. ganz und gar nicht so. Und ich hatte in der Zwischenzeit das Original nicht nochmal gesehen, weil es mich einfach beim ersten Mal so fertig gemacht hatte. Ich bin ein großer Fan von Naomi Watts und vor allem auch von Tim Roth, deshalb wollte ich ihn auch sehen, aber an die Intensität von Ulrich Mühe und Susanne Lothar kamen sie nicht ran. Vielleicht liegt das auch ein bisschen am besseren Bezug. Die Umgebung des Originals ist mir eher vertraut, auch die Sprache, weshalb es mich wohl eher reinzieht. Das ist nicht zu unterschätzen, aus diesem Grund hat Haneke schon recht, wenn er das Ganze nochmal verfilmt für den Markt, für den es gedacht ist.
Allerdings habe ich so eine schauspielerische Wucht wie von Ulrich Mühe und Susanne Lothar nur selten gesehen. Und Arno Frisch als überfreundlicher Paul ist großartig. Ich habe in meiner Kritik zu Benny´s Video schon ausführlich erläutert, warum man Hanekes Filme und besonders Benny´s Video und Funny Games nicht als Einzelwerke sehen sollte, sondern sie unbedingt im Kontext betrachten sollte. Aus diesem Grund wäre es an dieser Stelle interessant erst die Kritik zu Benny´s Video zu lesen. Allerdings will ich auch hier noch einmal kurz die wichtigsten Punkte aufführen.
Haneke wird besonders was Funny Games betrifft der Vorwurf gemacht dem Zuseher demonstrativ den erhobenen Zeigefinger vorzuhalten und dabei sich nicht selbst zu reflektieren und sich übermoralisch und selbstherrlich auszuklammern. Nicht zuletzt weil er selbst thematisiert, dass Funny Games eine Kritik am Gewaltkonsum der Zuseher ist. Viele Kritiker meinen da macht er es sich schon ganz schön leicht, wenn er sich da einfach rausnimmt und uns diesen Film um die Ohren haut, um uns unsere eigene "Gewaltfreudigkeit" vor den Latz zu knallen. Erfreut er sich nicht selbst an der Gewalt, wenn er solch einen Film macht? Und verfehlt er damit nicht sein Ziel? Denn bedient er damit nicht noch mehr die Gewaltfreude? Das sei mal dahingestellt. Aber ihn dafür ständig in den Schwitzkasten zu nehmen ist auch nicht fair und wird seinen Werken nicht gerecht.
Wie schon in Benny´s Video ausgeführt habe ich mal gelesen, dass man Haneke als Gene betrachten kann und somit erschließen sich auch mir seine Werke. Ob nun in Funny Games plakativ der Zuseher vorgeführt werden soll oder nicht, ist es doch ein dichter beklemmender Film geworden. Ich habe mich in der Tat noch nie so unwohl gefühlt beim Betrachten eines narrativen Films.
Fünf Jahre nach Benny´s Video ist aus Benny der Soziopath Paul (beide dargestellt von Arno Frisch) geworden (Achtung: Funny Games ist keine Fortsetzung von Benny´s Video, ich gebe hier nur meine eigenen Beobachtungen wieder). Kein Wunder beim Umgang der Eltern mit Benny. Die Realitätsverschiebung die in Benny´s Video thematisiert wird führt sich in Funny Games weiter. Benny zeichnet seine Umwelt auf Video auf und hat es somit in der eigenen Hand die Realität vor- oder zurückzuspulen, zu entfremden, zu verzerren usw. Dieser Schlüsselpunkt wird auch zu einer Schlüsselszene in Funny Games. Bei der umstrittenen "Zurückspulszene" (die ich im Übrigen großartig finde) setzt sich schlichtweg das fort, was in Benny´s Video seinen Anfang nahm.
Ich halte Haneke aus diesem Grund für einen ganz genauen Beobachter, er analysiert seine Umwelt, bannt diese auf Film, entfremdet sie, verzerrt sie, spult zurück und vor und ist somit ganz und gar nicht außen vor, sondern stellt sich mitten rein. Er nimmt sich somit also nicht raus, sondern vermittelt uns sogar sehr subtil, dass er sich seiner eigenen Unzulänglichkeit bewusst ist. Das ist allerdings alles reine Spekulation meinerseits. Allerdings denke ich offenbart er hier sehr verwundbar sein Innerstes.
Ebenfalls schon erläutert hab ich in meiner Kritik zu Benny´s Video, dass Haneke sehr auf den Gewaltaspekt reduziert wird und dabei doch ein weiteres großes Thema seiner Film die Autoritätsfiguren sind. Offenkundig in Das weiße Band. Subtil in Benny´s Video und plakativ in Funny Games. Auch in Caché (meiner Meinung nach der besten Film von Haneke. Die Verschiebung der Realität ist hier allgegenwärtig, oft weiß der Zuseher nicht ob das Gezeigte nun die wirkliche Realitätsebene des Films ist oder nicht. Fantastisch thematisiert durch die gezeigten Aufnahmen das Hauses!) spielen sie eine Rolle. Vor allem die Figur der Eltern scheint ihn zu beschäftigen. In Funny Games übernehmen diesen Part Peter und Paul. Sie sind sehr höflich, befolgen alle Regeln des gesitteten Umgangs miteinander. Pochen sogar darauf. Und dennoch sind die Soziopathen. "Darf man lügen?", fragt Paul. Ein Satz dem sich Eltern immer wieder bedienen. Doch lügen sie doch selbst ständig. Diese Doppelmoral kommt in Funny Games stark zum Ausdruck, vor allem auch die Macht der Autoritätsfiguren, denn ständig brechen sie ihre eigenen Regeln, wie Eltern eben auch, weil sie es können. Aus keinem anderen Grund. Sie quälen diese Menschen weil sie es können, aus keinem anderen Grund.
Will man sich nun also den Werken Hanekes nähern und im Speziellen Funny Games, sollte man mal den erhobenen Zeigefinger außer Acht lassen und sich das Gesamtkonzept betrachten. Das macht seine Filme nämlich unglaublich interessant und vielseitig. Etwas mit dem man sich lange beschäftigen kann.
Funny Games ist ein an Intensität und Wucht ein schwer zu übertreffender Film. Michael Hanekes Werk nur auf den Gewaltaspekt zu reduzieren und ihm seinen erhobenen Zeigefinger vorzuwerfen ist schon ganz schön einfach. Aber betrachtet man mal seine Filme im Zusammenhang ergeben sich sehr interessante Aspekte, die mich lange nachdenken lassen und mich zu einem großen Fan von Haneke machen.