OT: The Island
PIRATENHORROREDELTRASH: USA, 1980
Regie: Michael Ritchie
Darsteller: Michael Caine, David Warner, Angela Punch Mc Gregor, Jeffrey Frank
Zwischen den Turks und Caicos-Inseln verschwinden immer wieder Schiffe samt ihren Besatzungen spurlos. Zusammen mit seinem zwölfjährigen Sohn Justin sticht der Reporter Blair Maynard in See, um dem Rätsel auf den Grund zu gehen. Sie machen nicht nur eine unglaubliche Entdeckung, sondern geraten selbst in tödliche Gefahr...
Das Bermuda-Dreieck. Mystery aus dem wahren Leben. Unzählige Rätsel ranken sich um dieses unheimliche Seegebiet zwischen Miami, San Juan und den Bermudas, wo im Laufe der Jahrhunderte unzählige Schiffe und Flugzeuge spurlos verschwunden sind. Weiße Wasser, glühende Nebelbänke, merkwürdige letzte Funksprüche. Gimme the shivers!
Die Erklärungsversuche reichen von wissenschaftlich seriös bis phantasievoll gewagt: Plötzliche Stürme, Methangas-Blowouts, Strudel, Riesenwellen, Magnetanomalien, elektromagnetische Felder, Dimensionslöcher, die unvermeidlichen Außerirdischen...
Dann kam irgendwann Ende der 70er Peter Benchley, seines Zeichens der Romanvorlagengeber des WEISSEN HAI daher, mit einem Roman namens THE ISLAND im Gepäck und präsentierte der staunenden Welt seine Theorie zur Lösung des Geheimnises der verschwundenen Schiffe im Bermuda-Dreieck. Keine Stürme, keine plötzlich auftauchenden Mahlströme im Meer, keine Löcher in Zeit und Raum - Nein, hinter alldem stecken ... Piraten!
Keine modernen Piraten, sondern so richtig schön alt(modisch)e. Under Jolly Roger! Mit Augenklappe, Holzbein, Säbel, Muskete und einer Buddel voll Rum! Echte Piraten, direkt aus der berüchtigten Linie des alten Freibeuters L'Olonnais (1635-1668)!
Und die haben es sich -laut Benchley- unbemerkt von der Öffentlichkeit auf einer der abgelegen Turks & Caicos-Inseln gemütlich gemacht. Sich dem Fortschritt verweigert und gnadenlos retro die alten Piratengesetze gehegt und gepflegt. Sich die Jahrhunderte mit böser Inzucht, Degeneration und Brandschatzerei vertrieben. Und so nebenbei die Statistik der verschwundenen Schiffe im Bermuda-Dreieck aufgestockt. Denn täglich werden arglose Seereisende überfallen...
Benchleys Piraten - quasi die Störtebeker-Pendants zu unseren Südstaaten-Rednecks aus dem texanisch geprägten Terrorfilm; mit den gleichen unhehren Zielen: Leute massakrieren, Beute machen, Frauen - oder gar Männer- rauben - zur dringend benötigten Blutauffrischung.
Denn wie heißt es gleich so schön in einem besonders poetisch geführten Dialog im Film?
"Puta braucht Hombre. Du gut in frigg-frigg? Du musst machen Kinder!" Und höret die Weisheit aus dem Buch des Gesetzes: "Hungriger Hombre machen schlechten Stoß!" (Doch ich greife vor: Wir wollen später eruieren, welch halluzinogene Unterwasserpilze nun genau in Peter Benchleys Meeresfrüchteplatte gelangt sind, die ihn dann befähigten, seinen Piraten solch denkwürdige Zeilen in den Mund zu legen...)
Da schon einmal eine Kino-Adaption eines Benchley-Romans legendäre Erfolge gefeiert hat - Stichwort: DER WEISSE HAI - war der Weg vom Buch zur Verfilmung auch für Benchleys damals neuesten Roman vorgezeichnet. Dem Vernehmen nach wirkt THE ISLAND im geschriebenen Wort allerdings auch düsterer und glaubwürdiger als später in den bewegten Bildern. In nicht wenigen Rezeptionen zur Verfilmung wird der Griff zum Buch angeraten. Letzten Endes konnte im Vorfeld niemand ahnen, wie kurios sich der Film tatsächlich entwickeln würde...
Jedenfalls ließen sich die Geldgeber trotz akuter Trash-Gefahr nicht lumpen und investierten großzügig in die Verfilmung (die seinerzeit unter dem Titel FREIBEUTER DES TODES auch in unseren Lichtspielbordellen gefloppt ist):
22 Millionen Dollar Budget. Sir Michael (DRESSED TO KILL) Caine und David (DAS OMEN) Warner in den Hauptrollen. Michael Ritchie auf dem Regiestuhl. Musik von Ennio Morricone. Die Kamera unter Führung des Franzosen Henri (unter anderem die Delon-Klassiker DER EISKALTE ENGEL und VIER IM ROTEN KREIS) Decae. Selten genug hat mehr Geld und Prominenz in einem zum Camp verdammten Film gesteckt als hier.
Dabei sind die FREIBEUTER DES TODES in ihren Horror- und Abenteuerfilmgewässern anfangs noch halbwegs auf Kurs. Der Film beginnt mit zwei beinharten Splattersequenzen und später, wenn ein irre grinsendes kleines Mädchen die Ertrinkende mimt und ihren heraneilenden Retter in die Tiefe zu reissen versucht, kommt tatsächlich so etwas wie beklemmende Stimmung auf.
Doch dann landen Vater und Sohn auf der Pirateninsel und die unfreiwillige Komik bricht sich nicht nur Bahn; sie läuft geradezu Amok.
Da helfen auch weitere erstaunlich krude dargebotene Sadismen wie eine Tittenfolter via Feuerqualle oder psychische Gewalt gegen Minderjährige (die "Gehirnwäsche" von Michael Caines Sohn) nicht mehr weiter: Spätestens, wenn erste Textzeilen wie die bereits oben zitierten (Denkt an den hungrigen Hombre...) oder der "Stoßen nicht reden!"-Klassiker aus der Tonspur in das ungläubig lauschende Zuschauerohr gesickert sind, kann man die FREIBEUTER DES TODES beim besten Willen nicht mehr ernst nehmen. Wenn man genau hinsieht, wird man bemerken, dass auch David Warner oder Michael Caine mit zunehmender Laufzeit immer konsternierter ihren Job erledigen; das Fiasko am Box Office bereits unausweichlich vor Augen...
Doch ist das Kind erst einmal in den Brunnen gefallen; bzw. über Nacht zum Nachwuchspiraten mutiert, kann man auch richtig ungeniert auf die Unfugspauke hauen. Demnach wird - sobald Papa Caine und Filmsohn Jeffrey Frank auf der Pirateninsel in Gefangenschaft geraten sind - auf gesunden Menschenverstand dann wirklich keinerelei Rücksicht mehr genommen.
Obwohl...
Dass der aufsässige pubertierende Sohn das Saufen, Brandschatzen und Rumlümmeln der lauten und prolligen Piraten spannender findet als den vergleichsweise spießigen Erzeuger und alsbald die Seiten wechselt, wird hier zwar durch Gehirnwäsche und Schlafentzug forciert; liegt wohl aber auch ein bisschen in den Genen der rebellischen Jugend verankert. Ich kann's sogar ein bisschen nachvollziehen, schließlich habe ich als Heranwachsender auch lieber umgedrehte Kreuze um den Hals getragen als Krawatten...
Dabei gibt sich Papa Caine anfangs noch alle Mühe, es dem Bübchen recht zu machen. Zu Beginn des Vater-Sohn-Wochenendtrips geht es mit dem 12-jährigen (!) Stammhalter erst einmal in den Waffenladen (!!). Sohnemann darf sich eine 22er (!!!) aussuchen. Später wird Daddy den Kauf dieses pädagogisch vielleicht nicht ganz so wertvollen Geschenks noch bitterlich bereuen. Nachdem Söhnchen zum Piraten gebrainwashed wurde, muss Daddy bei den Schießübungen des Juniors als Tell'sche Schießbudenfigur herhalten. Noch später (im Zuge einer Kaperfahrt) wird der entsetzte Vater gar Zeuge wie der kindliche Stammhalter mit der geschenkten Wumme fröhlich einen gefangenen Matrosen exekutiert. Das nächste Mal geht's nicht mehr in den Knarrenshop, wird sich die väterliche Instanz da gedacht haben, dann gibt's wieder ein Happy Meal bei der Goldenen Möwe...
Dass Daddy Spießig wiederum das Sex Interest der Piratenbraut Puta (wie die Dame empörend uncharmant genannt wird) weckt, ist ebenfalls verständlich. Angesichts der doch sehr Feuchtgebiete-inspirierten Körperpflege der Piraten dürfte Michael Caine auf der einsamen Freibeuter-Insel der einzige Mann sein, der keine Sackratten, dafür aber noch alle Zähne im Mund hat...
"Puta braucht Hombre. Du gut in frigg-frigg? Dann du musst machen Kinder!"
Grammatikalisch korrekte Sätze hört man von unseren Bermuda Dreieck-Piraten selten; dafür immer mal wieder lustig eingestreute englische, spanische oder französische Worte, wenn sie nicht gerade mit eigenen Sprachkreationen wie dem kultigen "Friggen" glänzen. (Was bei Nichtpiraten natürlich "ficken" heißt, aber das habt ihr sicherlich schon selbst entschlüsselt.)
Um auf Benchleys Meeresfrüchteplatte zurückzukommen: Welcher lustige Seestern sich dahinein verirrt hat, weiß ich natürlich nicht; jedenfalls hat er zu Stilblüten geführt, die FREIBEUTER DES TODES nicht nur zu einer unglaublichen (See-) Räuberpistole, sondern zu einem wahren Kuriosurium im Mainstream-Genrefilm machen. Trash, Camp, Exploitation und blutiges Schiffekapern im Verbund mit Stars, schönem Morricone-Sound und prächtigster Breitbild-Fotografie hat man in dieser Form selten gesehen. Und so bieten die FREIBEUTER DES TODES einige unvergessliche, köstlich-absurde Szenarien, die mal rabiat, mal irrwitzig, häufig aber einfach nur unfreiwillig (doch schreiend) komisch sind.
Alles in allem ist dieser Film natürlich völlig abstrus, aber - ihr ahnt es vielleicht schon- auch mordsunterhaltsam. Wenn allerdings letztendlich selbst der sonst so zivilisierte Papa Caine mit geplatztem Kragen zur Gatling Gun greift, um ein paar Piraten von der Planke zu putzen, ist dann wirklich Schluss mit Lustig.
Na ja, sagen wir, fast. Schließlich kommt ja noch der abschließende Funkspruchdialog zwischen einer Helikopterbesatzung und dem Tower:
"O mein Gott! Es scheint einen Kampf gegeben zu haben. Oder ein großes Unglück. Ich sehe Leute von der Küstenwache. Die anderen kann ich bestenfalls als eine Art Zivilisten beschreiben. Es scheinen Piraten zu sein." - "Sagten Sie Piloten?" - "Nein, Piraten! Es sind Piraten!"
In diesem Sinne, Tröhler-O-Ton (sic!): "Die grauenerregendste Sache der Weltmeere sind...die FREIBEUTER DES TODES"!
Der WEISSE HAI-Erfinder Peter Benchley erzählte einst eine Piratengeschichte. Die Universal Studios haben diese aufwändig verfilmt und herausgekommen ist die wohl bizarrste, blutigste und unfreiwillig komischste (See-)Räuberpistole dieseits des Mainstream-Kinos. Köpft die Captain Morgan-Buddel, hisst die Schwarze Flagge, klarmachen zum Entern: Friggen!